Schlaudraff, das personifizierte Zukunftskonzept des FC Bayern?
von Oliver FritschJan Schlaudraff, Nationalstürmer von Alemannia Aachen, ist zurzeit deswegen unter der Lupe der Fußballjournalisten, weil er ein weiterer Beleg für die einfallslose Transferpolitik der Bayern sein könnte. Kaufen sie einfach immer nur die Besten der Liga? Vor allem um die Konkurrenz zu schwächen? Um die Konkurrenz zu ärgern? Ist ihre Scouting-Abteilung so sehschwach und unentschlossen, dass sie im Ausland nicht fündig wird? Uli Hoeneß hat in seiner unnachahmbar bescheidenen Art seine Liebe zu Schlaudraff damit begründet, dass die Bremer ihn bereits im Werder-Trikot gewähnt haben sollen: „Da haben wir mal die Muskeln spielen lassen.“ So redet kein Vertreter eines Sportvereins. So redet ein Wirtschaftsunternehmer.
Wie gut ist Schlaudraff wirklich? Was steckt in ihm? Der Spiegel prophezeit ihm heute eine große Zukunft: „Seine Technik und seine Schnelligkeit machen ihn zum Stürmermodell der Moderne.“ Die Berliner Zeitung hingegen will sich noch nicht festlegen, hat zu wenig von ihm gesehen, um ihre Skepsis abzulegen: „Ein pfiffiger Heber, ein rassiger Alleingang genügen – und schon ist Schlaudraff ein Bayern-Profi.“ Die Neue Zürcher Zeitung geht noch härter mit ihm und den Bayern ins Gericht: „Schlaudraff ist das personifizierte Zukunftskonzept des FC Bayern, ein kickendes Eingeständnis: Der FC Bayern dürfte sich zukünftig am Mittelmaß des internationalen Fußballs orientieren – und in der Bundesliga genügsam den Meistertitel anstreben.“ Doch Dribbler, die vor dem Tor die Nerven bewahren und zudem fest und plaziert aus der Distanz schießen können, sind selten. Schlaudraffs Tore jedenfalls können sich sehen lassen.
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Gibt es eigentlich schon die Theorie, dass die Bremer ihr Interesse an Schlaudraff nur vorgetäuscht und als Gerücht gestreut hätten, damit Hoeneß ihn verpflichtet? Die Bayern-Strategie, immer diejenigen Spieler zu kaufen, die Werder auf der Liste hat, weil der besser einkauft und scoutet und gleichzeitig weniger Geld hat, ist doch anfällig für ein solches Ablenkungsmanöver. Nette Vorstellung, dass Klaus Allofs und Thomas Schaaf sich nun darüber die Hände reiben, dass sie den nächsten Diego bereits geangelt haben, während der stolze Hoeneß vorm Spiegel sich selbst Komplimente macht.
Andreas Meyer schrieb am 13. Februar 2007:
Schlaudraff gehört noch nicht ansatzweise zu den Besten der Liga. Er zeigt gerade mal seit etwas mehr als einer Halbserie in der Bundesliga sein Können. Das zwar durchaus gut, aber noch nicht durchgängig überdurchschnittlich. So sehe ich es zumindest.
Vom eigenen Anspruch her sollte Bayern eigentlich in anderen Revieren auf Spielerjagd gehen – oder besser gesagt auf einem anderen Niveau.
Als Werder-Fan hätte ich den Schlaudraff-Transfer aber durchaus begrüßt – er hätter eigentlich gut in das Bremer Konzept gepasst: jung, deutsch, entwicklugnsfähig, mit guten Anlagen. Er wäre mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht der Sturmführer oder auch der Mittelfeldstratege geworden und hätte auch nicht zwingend einen Stammplatz gehabt (ob er den bei Bayern bekommt, wage ich aber mal zu bezweifeln), aber er hätte durchaus bessere Entwicklungsmöglichkeiten gehabt, da es in Bremen bekanntermaßen doch beschaulicher zugeht als in München.
Im Endeffekt wird er schon wissen, was er tut, der Gedanke, dass Allofs und Schaaf nur halbherzig um ihn geworben haben (nach dem Motto: wenn wir ihn kriegen, gut, wenn wir ihn nicht kriegen, nicht schlimm), gefällt mir auf jeden Fall, auch wenn das wahrscheinlich nicht die Werder-Art wäre.
viererkette schrieb am 13. Februar 2007:
Der Schlaudraff ist schon ein sehr guter. Sein Leistungsniveau, vor allem aber sein Leistungspotential liegt weit über den Bundesligadurchschnitt. Die Gründe:
1. Es gibt nur sehr wenige Spieler in der Liga, denen es gelingt, erfolgreich einen Alleingang zu starten und dabei mal zwei oder drei Gegenspieler aussteigen zu lassen.
2. Er ist ziemlich abgekärt vor dem Tor und trifft dann oft dorthin, wo der Keeper keine Chance hat.
3. Mit seinen Fähigkeiten kann er ein Spiel alleine entscheiden. Das hat er beim Pokalspiel gegen Bayern bewiesen, aber auch einige Male in der ersten und in der zweiten Liga. Das kann man nicht von sehr vielen Bundesligaspieler behaupten und zeichnet die wirklich guten aus.
4. Junge Stürmer, die in der Form und in der Häufigkeit eine Eins-gegen-Eins Situation suchen und dann auch erfolgraich bestreiten, gibt es in dieser Altersklasse auch außerhalb der Bundesliga kaum. Robben ja, aber Ribery zum Beispiel halte ich nicht oder nur bedingt für stärker als Schlaudraff.
5. Seine kontinuierliche Entwicklung: Schlaudraff hat sich im Vergleich zu seiner Zeit bei Gladbach und seit dem Beginn in Aachen stetig gesteigert. Er scheint auch, als ob er sich immer weiter verbessern wolle. Im Gegensatz zum Beispiel zu Podolski, der auch in der Lage war, Gegenspieler einfach mal stehen zu lassen. Nur das kaum kultiviert hat und es seit längerer Zeit so gut wie nie zeigt. „Ich spüre keinen Druck, wird schon wieder, Verletzung gehabt, Rhytmus finden“, hört man von dem Megatalent. Dass er sich aber jenseits der Playstation weiterentwickelt und verbessern will, gibt er eigentlich nie von sich.
6. Schlaudraff ist intelligent und selbstbewusst genug, klare Vorstellungen von seiner Karriere zu entwickeln und sie umzusetzen. Daher war es aus seiner Sicht logisch und konsequent zum vermeintlichen Branchenfüher zu wechseln.
Und wer weiß – wenn er seinen Weg so weiter geht, und in einer Mannschaft spielt, die sicher auch in der kommenden Saision über besseres Spielermaterial als Aachen verfügt, in einem Team also, das nicht gegen den Abstieg spielt und seine Fähigkeiten besser einsetzen kann – vielleicht ist er dann eine so hochkarätige Verstärkung wie zum Beispiel ein Ribery. Das Zünglein an der Waage, das den Ausschlag gibt über Sieg oder Niederlage. Auch auf internationalem Niveau. Das Potential dazu hat er.
Andreas Meyer schrieb am 13. Februar 2007:
Die Anlagen dazu hat er sicherlich, ein Guter zu werden. Ob er ein sehr Guter oder ein Großer werden kann, das ist erst noch die Frage, denn da spielen viele Faktoren eine Rolle. Bestes Beispiel: Basti Deisler.
Dass Schlaudraff gegenüber Podolski (aber auch Schweinsteiger) eindeutige Vorteile hat (alleine schon ein gewisser Intellekt), ist unbestritten. Aber das alleine reicht meiner Meinung nach nicht.
Das ist eines der Probleme hier in Deutschlands Fussball: einerseits giert die „Masse“ auch nach einem jungen Superstar (wie z.B. Rooney in England, wie ein Messi in Argentinien, wie ein Huntelaar in Holland) – man will einfach nach Matthäus wieder einen Spieler von Weltformat haben, andererseits ist man den eigenen jungen Spielern eindeutig zu kritisch gegenüber.
Teilweise aber auch zurecht. Wieviele sind mit dem plötzlichen Hype nicht mehr klar gekommen.
Ich will damit jetzt nicht sagen, dass ich Schlaudraff für einen der Kandidaten halte, aber er hätte eigentlich zu einem „Ausbildungsverein“ wechseln müssen, der Bayern nun wirklich nicht ist. Dort fehlt einfach die Zeit, dass ein Talent sich wirklich entwickelt, denn der Erfolgsdruck (gerade aus dem Umfeld) ist ungleich höher.
Juwie schrieb am 18. Februar 2007:
> Kaufen sie einfach immer nur die Besten der Liga? Vor allem um die Konkurrenz zu schwächen? Um die Konkurrenz zu ärgern? Ist ihre Scouting-Abteilung so sehschwach und unentschlossen, dass sie im Ausland nicht fündig wird?
Ist zwar auch ein Klischee, aber trotzdem: Ja!
(Dafür zahle ich auch ins Phrasenschwein.)
www.direkter-freistoss.de » Warum man nicht mehr Fan des FC Bayern sein kann schrieb am 3. Mai 2007:
[…] Dass Uli Hoeneß nicht mehr auf der Höhe seiner Manager-Zeit ist, konnte man spätestens beim Schlaudraff-Kauf erkennen. Hier ging es um persönliche Eitelkeiten und nicht um die professionelle Führung eines […]
Mac schrieb am 7. April 2008:
@viererkette:
Zitat „Ribery zum Beispiel halte ich nicht oder nur bedingt für stärker als Schlaudraff.“
=> sich-selbst-disqualifizieren: Note 1
viererkette schrieb am 8. April 2008:
Hallo Herr Mac,
ja, wer hätte im Febraur 2007 (!) gedacht, dass es so kommt, Ribery tatsächlich so enorm einschlägt und Schlaudraff nur auf der Bank schmort? Sie – wenn ich Ihren Kommentar lese – scheinbar schon. Hellseher?
Aber wer weiß, wie es ausgesehen hätte, wenn Schlaudraff zu Saisonbeginn nicht so schwer verletzt gewesen wäre (Bandscheibe!), er trotz der Tatsache, dass er der Billigzugang und „Um-mal-die-Machverhältnisse-klar-zustellen-Wegkauf“ (Bremen!) war, auch mal eine faire Chance bekommen hätte?
Ich halte viel von Schlaudraff. Ich gebe zwar zu, dass er – wie es momentan aussieht – wohl an die Klasse von Ribery nicht bzw. nie herankommt. Aber dass der Franzose so einschlägt, das haben wohl nicht mal Hoeneß und Co so vorausgesehen. (Darüber hinaus habe ich auch nur behauptet, dass Schlaudraff das Zeug hat, der „Überraschungszugang“ der Bayern zu werden – so wie es dann Altintop wurde.)
Außerdem: Noch hat Ribery keine ganze Saison auf so hohem Niveau gespielt. Es bleibt auch abzuwarten, ob er auch kommendes Jahr so überragend agiert und dabei (was ich hoffe) von einer so schweren Verletzung (wie bei Schlaudraff) verschont bleibt.
Schaun mer mal, vielleicht geht Schlaudraff ja doch noch zu Bremen. Dann, denke ich, wird er sehr schnell zeigen, was in ihm steckt.