Kahns Griff nach van Buyten – ein Fall für den Konfliktexperten Hitzfeld?
von Oliver FritschDer Mann hat was zu sagen. Vor gut einer Woche hat Ottmar Hitzfeld der SZ ein offenes Interview gegeben, in dem er über seine Vergangenheit beim FC Bayern spricht. Seine Ermattung in der mittelbaren Zeit nach dem Champions-League-Sieg beschreibt er als Tortur: „In den letzten zwei Jahren beim FC Bayern war ich völlig ausgelaugt, ich habe den Druck schon gespürt, wenn ich morgens in die Säbener Straße eingebogen bin. Selbst über Erfolge konnte ich mich nicht mehr wie früher freuen. Es war nicht das klassische Burn-out-Syndrom, aber ich war auf dem Weg dahin.“ Auf die Frage, warum er sich ein erneutes Engagement bei den Bayern antue, antwortet er: „Wer noch den alten Hitzfeld vor Augen hat, der fragt sich das berechtigterweise. Ich habe ja wirklich schlecht ausgesehen. Aber ich kann alle beruhigen: Man muss sich keine Sorgen mehr machen.“
Aufschlussreich ist auch, wie Hitzfeld seinen Umgang mit den Bayern-Stars konkret schildert, etwa seine Konfliktbewältigungsstrategie im Fall Bixente Lizarazu, der Lothar Matthäus im Training eine Ohrfeige verpasste, dass es nur so schallte: „Ich bin mit beiden sofort in die Kabine. Lothar ist ja erst weggelaufen, ich hätte ihn ja laufen lassen können, aber das wäre ein Eklat geworden. Ich darf nicht beleidigt sein, dass hier einer das Training verlässt, ich muss sofort mit ihm reden, und ich muss Lizarazu mitnehmen, damit die beiden gezwungen sind, auch miteinander zu reden. Man muss ohne zu zögern handeln, nichts darf hängen bleiben. Konfliktlösung sofort!“
Ãœber einen anderen Fall heißt es: „Ich habe immer gehandelt, zum Beispiel bei Thomas Helmer 1999, als er von der Bank aus in Richtung Tribüne den Mittelfinger gezeigt hat. Am nächsten Tag gab’s eine Sitzung, und ich habe gesagt: Entlassen! Da muss man handeln, gerade wenn man als Leader selbst wankt. Wir hatten dieses legendäre Champions-League-Endspiel gegen Manchester United in den letzten Minuten verloren, ich war ja selbst angeschlagen. Da hilft nur eins: Handeln! Zeichen setzen!“
Generell sagt er über seine Art der Menschenführung: „Natürlich macht man nicht immer alles richtig, das ist ja auch von der Tagesverfassung abhängig. Manchmal ist man hellwach und handelt schnell, manchmal hat man einen schlechteren Tag und denkt, na gut, das wird sich schon wieder einrenken. Und schon hat man einen Konflikt schlecht bearbeitet. Man muss ihn dann schnell nachbearbeiten, spätestens am nächsten Tag.“
Daher wäre natürlich interessant zu erfahren, wie Hitzfeld den jüngsten Vorfall zwischen Oliver Kahn und Daniel van Buyten regelt. Kahn, der von seinem Trainer aufgefordert worden war, „mal eine Kabinentür einzutreten“, hat seinen Kollegen beim Spiel in Aachen, nachdem er in großer Manier den 0:2-Treffer verhinderte, am Kragen gepackt. Oskar Beck steckt die Sache in der Welt in eine karnevaleske Glosse: „Es hat sich ein als Kahn verkleideter Spinner heimlich ins Bayern-Tor gestellt und so getan, als hätte er einen Riss in der Schüssel. Mitten im Spiel hat er sich den Kameraden van Buyten vorgeknöpft und ihm mit den Händen das Gesicht zusammengedrückt, so dass der Belgier jetzt weiß, wie es ist, wenn man einem aus der Geisterbahn oder der geschlossenen Abteilung des Faschings Entsprungenen über den Weg läuft.“
van Buyten hat den Kahn-Rüffel in der Tat gar nicht gepasst, was er auch nach dem Spiel, in diplomatischer Form, kundgetan hat. Wer möchte sich schon vor einem Millionenpublikum von einem Mitspieler maßregeln lassen? Da geht es gerade unter Profis mit großem Ego um sehr sensible Hierarchiefragen. Andreas Herzog, der von Kahn mal von hinten gekrallt wurde, hat gestern im DSF ein Lied davon gesungen. Sebastian Deisler wurde kürzlich von einem Grapscher wohl nur deswegen verschont, weil er zu weit weg stand; beim Spiel gegen Inter Mailand musste es Kahn bei Gebärden und Verbalien belassen.
Unten ein gutes Kahn-Video (myvideo.de). Gut deswegen, weil es viele seiner Facetten zeigt: die spektakulären Superparaden bei der WM 2002 gegen Südkorea, die USA und Brasilien, aber auch seine Fangfehler gegen Kamerun und die USA (Frings rettete mit der Hand auf der Linie), einige waghalsigen Rettungstaten im Duell Mann gegen Mann, aber auch seinen Rüttler gegen Herzog und seine Kuss- und Flugattacken gegen die Dortmunder.
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Unten eine Kahn-Parodie (myvideo.de) des deutschen Komikers Michael Mittermeier, einem bekennenden Bayern-Fan. Gut beobachtet, gute Auffassungsgabe, aber textlich etwas lieblos ausgearbeitet. Hätte er noch mehr draus machen können.
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