Getroffenwerden, fallen, täuschen
von Jürgen KaubeEs gibt eine Sorte Foul oder besser: eine Sorte Zweikampf, über die man reden sollte. Denn Fußball ist nicht Basketball – die bloße aktive Körperberührung ist noch kein Grund für Sanktionen. Der gegebene Anlaß: Sotirios Kyrgiakos hat heute Mark van Bommel im Strafraum attackiert. Der Elfmeterpfiff blieb aus. Im Gegenteil: Van Bommel bekam eine gelbe Karte wegen „Schwalbe“. Die Fernsehbilder zeigen, daß der Frankfurter den Bayern am Unterschenkel getroffen hat. Darum heißt es jetzt, die gelbe Karte sei ein Irrtum gewesen, es hätte Elfmeter geben müssen. Aber es ist komplizierter, denn im Strafraum vom Bein des Verteidigers berührt zu werden ist das eine; so getroffen zu werden, daß man fällt, ist das andere. Im Kampf um den Strafstoß, aber auch sonst auf dem Feld haben die Angreifer es inzwischen kultiviert, das Getroffenwerden mit dem Fallen gleichzusetzen. Thierry Henry war während der WM 2006 ein Meister dieser Art, Elfmeter zu erwirken. Der Stürmer spürt einen Körperkontakt und zuckt wie ein toter Frosch, durch den ein Stromstoß geht. Man kennt das aus den Streitereien, die mit Situationen Stirn an Stirn enden: Einer der Platzhirsche, darauf kann man wetten, faßt sich an den Schädel, als spritze gleich Blut aus dem seinen und fällt. Man möchte es die Norbert-Meier-Zuckung nennen. Diese Art des Anscheins von Getroffenheit gibt es aber auch im Spielgeschehen selber. Ja, eine Berührung lag vor. Nein, ursächlich für den Sturz war sie vermutlich nicht. Unnötig zu betonen, wie schwierig die Unterscheidung von Tatsache und Ursächlichkeit für den Schiedsrichter ist. Die Kommentatoren sollten es berücksichtigen und es zumindest für möglich halten, daß Schiedsrichter Weiner im Fall von van Bommel trotz filmisch nachgewiesenem Körperkontakt richtig lag.
JDub schrieb am 19. März 2007:
Der Mythos vom körperlosen Sport Basketball müßte doch inzwischen auch dem Letzten aufgegangen sein. Einfach mal ein Spiel gucken (March Madness zB) oder noch besser mal irgendwo auf einen Freiplatz gehen. Danach wird klar sein wie weit von der Wahrheit entfernt diese Aussage ist.
Jürgen Kaube schrieb am 19. März 2007:
Danke für den Rat. Stimmt schon, Sport wird mit dem Körper betrieben. Darin sind sich auch Rugby und Hockey ähnlich. Nur daß man von der Feststellung solcher Ähnlichkeiten eben wenig hat. Hat denn überhaupt irgendjemand etwas von körperlosem Sport gesagt? Worum es geht, ist die unterschiedliche Art, den Körpereinsatz zu regeln. Einfach mal die Basketballregeln mit den Fußballregeln vergleichen: „Ein Foul ist eine Regelverletzung, wenn damit persönlicher Kontakt mit einem Gegner oder unsportliches Verhalten verbunden ist (Art. 44.1)“. Die Erläuterungen für Schiedrichter bestimmen dann weiter, dass damit nicht zufällige Kontakte gemeint sind und auch nicht solche, die niemanden in Nachteil bringen usw. Wer käme denn im Fußball auf die Idee, zuerst ein Spiel ohne „persönlichen Kontakt“ anzunehmen und dann Fouls durch Einschränkungen dieser Vorstellung zu definieren? Hier ist stattdessen von „fahrlässigem, rücksichtslosem und unverhältnißmäßigem Körpereinsatz“ die Rede. Es wird also umgekehrt der Kontakt mit dem Gegner als normal vorausgesetzt und dann gesagt, was trotzdem nicht erlaubt ist (Treten, Anspringen, Rempeln, Schlagen, Stoßen). Dafür ist z.B. Auflaufenlassen (stehender Block) im Basketball erlaubt, aber nicht im Fußball. „Moving picks“, bewegliches Sperren hingegen ist im Basketball verboten, nicht im Fußball. Auch die Unterscheidung von „Foul“ und „unsportlichem Foul“ gibt es so im Fußball nicht. Warum wohl? „Gucken“ allein genügt jedenfalls nicht, um ein Foul zu sehen.
Egbringhoff schrieb am 19. März 2007:
Ich bleibe dabei. Van Bommel ist elfmeterwürdig gefoult worden. Mit der gelben Karte wollte sich der Schiedsrichter lediglich in die Riege der internationalen Uefa-Schiris einreihen, die sich seit einigen Woche auf den Holländer eingeschossen haben. Wer in einer solchen Situation so dumm in den Gegner rennt, muss damit rechnen, dass es 11m gibt.
Aber natürlich gebe ich Ihnen recht, dass die Schauspieleinlagen nach „Stirnstoßen“ etc. absolut lächerlich sind. …aber nochmals, wer so dumm ist und mit der Stirn auf einen Gegenspieler losgeht, hat es nicht anders verdient als mit rot bestraft zu werden. Egal wie theatralisch jemand zu Boden geht…
Gruß, Dirk Egbringhoff
Ylem schrieb am 19. März 2007:
„Sport wird mit dem Körper betrieben. Darin sind sich auch Rugby und Hockey ähnlich.“
Hä? Kann unmöglich ernst gemeint sein, oder? Hockey und Rugby in einem Satz zu nennen, das ist…..zumindest bedenklich, vielleicht sogar revolutionär.
Ich kenne keine andere Sportart, wo es mehr unsinnige Regeln gibt, und wo weniger Körperkontakt zulässig ist, als Hockey.
Ist aber schließlich auch ursprünglich ein Mädchensport (siehe: englische Internate des späten 19. Jahrhunderts).
Roysan schrieb am 19. März 2007:
Naja, ungeachtet der Basketball, Hockey und Rugby Diskussion finde ich dass der V Bommel schon fallen kann, wenn er von hinten vom stolpernden Kyrgiakos getroffen wird. Viel trauriger finde ich immer noch dass es immer noch keine Zeitstrafen gibt (blaue Karte) für so albernheiten wie am Trikot Zupfen, Brust zeigen, und all den anderen Unsinn, der momentan mit Gelb geahndet wird. Ich fand nach Betrachtung der Filmszenen zumindest die gelbe für den V.B. unberechtigt.
Ich würde es aber einfach als normales Laufduell werten bei dem die Akteure ein wenig ins Stolpern kommen. Also ganz normal für einen „nicht körperlosen“ Sport.
Wobei, benötigt man denn nicht per Definitionem einen Körper für Sport? Kann es einen Körperlosen Sport wirklich geben? Hmmm Fragen über Fragen.
Grüße, Roy
joni schrieb am 19. März 2007:
In der Sache hat Herr Kaube recht. Es gibt zu viele Schauspieler und ich wünsche mir oft, dass die Schiedsrichter härter durchgreifen und eindeutige Schwalben durch eine Verwarnung ahnden.
Allerdings hat Herr Egbringhoff recht, dass das Foul an van Bommel ein ungeschickt gewählter Aufhänger für seine Argumentation ist. Sicher ist van Bommel kein Kind von Trauigkeit. Bei dem Tempo in dem er unterwegs ist, kann einen die kleinste Berührung zu fall bringen (vor allem wenn die Bewegung der Beine in vollem Lauf „eingeschränkt“ wird).
Ich habe das selbst leidvoll erfahren müssen.
Gruß Jonathan Heller
Fussball-Blog Wochenschau KW 12 - Fritten, Fussball & Bier schrieb am 24. März 2007:
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