Ein Schritt für die Menschheit sind zehn für Kiel
von René MartensDie Oberliga Nord hatte bisher einen wesentlich Vorzug: In dieser Welt des – ich vereinfache jetzt bewusst – Halbprofifußballs blieb man von den Begleiterscheinungen des Vollprofifußballs weitgehend verschont: von marktschreierischen Stadionsprechern auf dem Danke-Bitte-Trip zum Beispiel oder von armen Sportstudenten, die in riesigen Maskottchenkostümen durch die Gegend hampeln. Das hat sich nach dem Abstieg von Holstein Kiel aus der Regionalliga leider geändert. In der vergangenen Saison wollte man eigentlich den Aufstieg in die 2. Liga wuppen, stürzte aber dummerweise in die 4. Liga, obwohl sich im Laufe der Serie insgesamt vier Herren als Cheftrainer versucht hatten. In der Oberliga macht der Klub jetzt einen auf Bayern München bzw. dicke Hose, tritt mit einigen bundesligaerfahrenen Spielern an und verströmt den Charme der großen, weiten Fußballwelt oder was man dafür hält. Beim Oberliga-Saisonauftakt zwischen Holstein und Altona 93 traten auch Cheerleader auf. Cheerleader beim Fußball – ist das nicht ein albernes Phänomen des späten 20. Jahrhunderts gewesen? Oder bin ich nicht mehr oft genug unterwegs? Auf jedem Fall haben sie beim Neu-Oberligisten echt viel zu organisieren vor einem Heimspiel: Wichtig ist zum Beispiel ein Männeken, der vor dem Spielertunnel steht und kurz bevor die Teams aufs Feld laufen mit einer zackigen Handbwegung dem Stadionsprecher signalisiert, dass er nun seine Einmarschhymne abspielen kann. Außerdem habe ich im Fanshop eine Security-Kraft gesehen, die fünf Minuten nach dem Spiel noch exakt an der Stelle stand wie eine halbe Stunde vor dem Spiel. Möglicherweise hat der Bursche die Bewachung der begehrten Holstein-Kiel-Sweatshirts so ernst genommen, dass er sich den halben Abend nicht von der Stelle bewegt hat. Was aber nicht so wichtig zu sein scheint: der gastronomische Service für Gästefans. War der schlecht? Kann man so nicht sagen. Es gab gar keinen. In der Altonaer Kurve fehlte es an einem Getränke- und Esswarenstand, und der Zugang zu Verkaufsständen außerhalb des Gästekäfigs war nicht gestattet. Da ich mit einer Pressekarte keinen Zugang zur Gästekurve hatte – eine weiteres Kuriosum -, musste ich wenigstens nicht verhungern, außerdem hatte das den Vorteil, auf der Haupttribüne Leute erleben zu können, die nach 45 Minuten – da stand es noch 0:0 (mein Wunschergebnis), am Ende aber leider 3:1 für die Kieler „Störche“ – einen Spieler ihrer Mannschaft ob dessen Leistung als „Arschloch“ beschimpften. Wohlgemerkt: nach der ersten Halbzeit des allerersten Punktspiels der neuen Saison. So bewahrheitete sich zweierlei – zum einen, wie Recht 1993 die Band Motion mit ihrem Song „Menschen aus Kiel“ hatte (Schorsch Kamerun nahm ihn 1995 noch einmal für ein Solo-Album auf), und zwar insbesondere mit den Zeilen: „Ein Schritt für die Menschheit/Sind zehn für Kiel“; zum anderen eine der goldenen Weisheiten der Fußballpublikumssoziologie: Je teurer die Plätze, desto schlechter das Sozialverhalten. Man sollte vielleicht auch noch erwähnen, dass die Presseplätze „Media Seats“ heißen und – um die Maskottchenfrage erneut aufzugreifen – Storchenkostüme noch blöder aussehen aus als die Krokodil-, Dinosaurier und Zebramonturen, die uns aus der Bundesliga vertraut sind.
mario-andretti schrieb am 13. August 2007:
Hallo René,
finde es gut, das Du so viele neue Details in der Oberliga Nord bemerkt hast. Diesen ganzen „Artikel“ finde ich echt nett zu lesen, aber ich könnte schwören Du bist auf uns Kieler etwas neidisch. Klar haben wir einige Sachen mit in die Oberliga genommen, wie z.B. Dank-Bitte usw., aber warum sollten wir das abschaffen? Immerhin sind auch über 3000 Fans gekommen. Ist doch was, oder?
Stolle finde ich auch super, wenn Du den nicht magst, dann ist das Deine Sache. Mir gefällen viele andere Dinge auch nicht, aber der Storch gehört nunmal zu Holstein!
Ach, Deine Überschrift finde ich nicht wirklich toll und dazu fällt mir nur ein,
dass 10 kleine schnelle Schritte besser sein können als ein großer… ***Bei Rückschlägen erst recht ;-)***
In diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute und wenn Du mal eine Wurst in Kiel essen möchtest, sitze ich auf der Vortribühne F2. Gebe Dir dann mal eine Wurst aus…
Gruß aus Kiel
Mario Andretti
www.direkter-freistoss.de » Bin ich jetzt VfB-Fan? schrieb am 29. Oktober 2007:
[…] zu entwickeln, etwa für einer der höllischen K-Cubs, also für Kaiserslautern, Karlsruhe oder, Achtung, Runnning gag, Holstein Kiel. Vielleicht muss ich mir Sorgen um mich […]