Männerfußball ist der falsche Maßstab
von Oliver FritschWas einige Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender heute meinen, uns wissen lassen zu müssen: dass die Frauen-WM kein „Sommermärchen 2“ werde. Als würde irgendjemand 2011 mit Fan-Meilen, Public Viewing und Autokorsos rechnen (Weiterlesen …)
Bin ich jetzt VfB-Fan?
von René MartensDer Vorteil des Fußballs ist, dass er zu den nicht allzu vielen Lebenswelten gehört, die sich recht bequem in Gut und Böse einteilen lassen. Antipathien verjähren normalerweise nicht, erst recht nicht gegen einen Verein, der es sich gefallen ließ, sehr lange von Gerhard Mayer-Vorfelder regiert zu werden (Weiterlesen …)
Ein Trainer, der nichts zu gewinnen hat
von Oliver FritschOttmar Hitzfeld wird in dieser Saison vermutlich einen oder mehrere Titel erringen; zu gewinnen hat er nicht viel. Der Anteil des Trainers an dem derzeitigen Erblühen der Bayern wird von der Fachwelt gering geschätzt, sein Name taucht in Zeitungen als Randnotiz ab, in Fernsehsendungen sind meist andere gefragt (Weiterlesen …)
Wie zu Schwarzenbecks Zeiten
von Oliver FritschDie deutsche Nationalmannschaft hat beim 0:3 gegen die Tschechen viele Fehler fabriziert: Schweinsteigers Fehlpass vor dem 0:1, danach Metzelders missglückte Abseitsfalle; das 0:2 wurde den Tschechen dadurch ermöglicht, dass das zentrale Mittelfeld Frings und Schweinsteiger den langen Ball des Torwarts Czech nicht erkannt hat (Stichwort zweiter Ball) (Weiterlesen …)
Ich beiße keinem ins Ohr
von Oliver FritschDie Torwartdebatten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Das waren noch Zeiten, als der Freigeist Jürgen Klinsmann einen Titan vom Sockel stieß, die ARD deswegen fast einen Brennpunkt sendete, und dieser Ersatztorhüter anschließend per Pressekonferenz live im TV der Welt mit bedeutungsschwangerer Miene verkündete, dass er bereit sei, sich für Deutschland auf die Bank zu setzen.
Immerhin zuckt’s ab und an noch ein bisschen. Der alte Wolf Kahn, dem einige Zähne gezogen worden, dem aber auch viele ausgefallen sind, beißt nicht mehr so fest wie früher. Doch er beißt noch. Er bezweifle, sagt er nun beleidigt an die Adresse seines „Bezwingers“ Jens Lehmann, dass es in Deutschland wieder eine Torwart-Ära wie die von Maier, Schumacher, Illgner (!) und Kahn geben werde. Lehmann, nicht weniger stolz, entgegnet: „Ach, wir kennen ja den Oliver. Er nimmt sich halt gern wichtig. Ich mag es nicht, wenn sich einer glorifiziert.“ Jüngst hat der ehemalige Bundestorwartsepp Maier ein Comeback seines Schütz- und Lieblings Kahn angeregt, nachdem Lehmann und die Nummer 2 Timo Hildebrand in ihren ausländischen Klubs nicht aufgestellt worden waren. All dies ist ohne nennenswerte Resonanz geblieben. Was hätten diese Scharmützel noch vor anderthalb Jahren für Aufregung gesorgt? Aber das alte Spiel funktioniert nicht mehr.
Doch erleben wir gerade erste Spuren der Torwartdebatte der Zukunft? Bayern-Manager Uli Hoeneß sagt, dass es nur einen Nachfolger Jens Lehmanns im Tor der Nationalelf geben könne, und es ist, oh Wunder!, der Reservemann des FC Bayern, Michael Rensing. Robert Enke, Manuel Neuer, René Adler, die Vielgepriesenen – könne man alle vergessen. Aber der Schuss ging nach hinten los. Durch sein Plädoyer hat Hoeneß nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass die Bayern ihrem immerhin schon 23-jährigen Torwarttalent wichtige Jahre der Entwicklung und Reifung zu Kahns Gunsten (irreversibel?) vorenthalten haben. Im Gegensatz zu Schalke 04 und Bayer Leverkusen, die den Mut hatten, ihren Jungspunden Neuer und Adler den Vorzug vor den Etablierten Frank Rost und Jörg Butt zu geben. Mut, den in München kein Trainer aufbrachte. Warum eigentlich nicht, wenn Rensing doch so gut sein soll? Vor Jahren bereits stellte uns Hoeneß den damals noch unbekannten Rensing als „legendären Nachfolger von Oliver Kahn“ vor. Gut, gemeint hat er „den legitimen“. Solche Ausrutscher passieren nun mal, wenn man den Mund zu voll nimmt – selbst erfahrenen Mundzuvollnehmern wie Hoeneß.
Aber wir wollen uns nicht über Versprecher lustig machen, stattdessen auf das harte Los der Torhüter hinweisen, die sich mit deutschen Fernsehmenschen rumärgern müssen. Es gibt, das muss man mal so deutlich sagen, wirklich wenige, die sich mit dem Torwartspiel auskennen. Beispiel: Wenn ein Keeper bei einem Schuss mit der Hand den Ball berührt, das Tor allerdings nicht mehr verhindern kann, sagt jeder (ja, jeder!) Kommentator etwas wie: „Hier sah er unglücklich aus.“ So ein Käse! Wieso gesteht man ihm nicht das Lob zu, das Tor fast verhindert zu haben? Unglücklich sieht doch eigentlich ein Torwart aus, der überhaupt kein Körperteil in die Nähe des Balles bekommt. In diesem Fall heißt es aber meist: unhaltbar!
Anderes Exempel: Der klassische Satz eines Reporters (der auch bei keinem Kreisligaspiel fehlen darf): „Der Torwart stand zu weit vor seinem Tor.“ Nicht, dass das nicht auch der Fall sein könnte; doch der Vorwurf trifft selten ins Schwarze. Vor allem wird dabei übersehen, dass derjenige Tormann, der vor dem Tor agiert, viele andere brenzlige Situationen schon im Ansatz klärt und manchen Schuss besser abwehren kann. Einer der wenigen Torwartweisen in Deutschland, der FAZ-Redakteur Christian Eichler, verdeutlichte dies, als er über Lehmann schrieb: „Wer auf der Linie klebt, macht optisch den besseren Eindruck, weil Paraden dort meist spektakulär aussehen und Gegentore unhaltbar. Wertvoller fürs Team ist oft der Torwart, der riskiert, auch mal schlecht auszusehen.“ Warum dringt dieser Satz nicht zu Franz Beckenbauer und den anderen Premiere, ARD- und ZDF-Leutchen vor? Doch die Torwarttraditionalisten setzen leider noch allzu oft spektakuläre Flüge und Fauster mit Qualität gleich. „Super Parade!“
Zu rechnen ist dennoch mit dem Abschied vom Torwartleitbild Kahn. Der so sachliche wie selbstbewusste Enke spricht, nicht zum ersten Mal, Widerworte Richtung München und distanziert sich dezidiert von der Kahnschen Torwartschule – auffälligerweise, ohne dass er der Gotteslästerei bezichtigt wird. Und Nadine Angerer, die Torwartheldin von China, wehrt sich gegen den Vergleich mit Kahn: „Ich beiße keinem ins Ohr oder in den Hals oder was weiß ich wohin. Wir sind vom Torhüterspiel völlig konträr. Wenn ich einen Vergleich ziehen würde, dann bin ich eher auf Lehmanns Seite: der mitspielende Torwart.“ Argwöhnische Menschen könnten noch etwas gegen den Vergleich anbringen, der Angerer eigentlich adeln soll: Sie hat im wichtigsten Spiel ihrer Karriere, dem WM-Finale, eine bravouröse Leistung gezeigt – und gewonnen.
#4 meiner Kolumne auf stern.de