Bin ich jetzt VfB-Fan?
von René Martens Der Vorteil des Fußballs ist, dass er zu den nicht allzu vielen Lebenswelten gehört, die sich recht bequem in Gut und Böse einteilen lassen. Antipathien verjähren normalerweise nicht, erst recht nicht gegen einen Verein, der es sich gefallen ließ, sehr lange von Gerhard Mayer-Vorfelder regiert zu werden. Da können diverse Generationen junger Wilder nichts gegen ausrichten.
Umso erschütterter war ich am Sonnabend, als mein zugegebenermaßen äußert unoriginelles Anti-Stuttgart-Weltbild Risse bekam. Ich habe mich nämlich sehr darüber gefreut, dass der VfB Bayer Leverkusen irgendwie mit 1:0 geschlagen hat. Nicht, dass ich Mitleid bekommen hätte mit den in den vergangenen Wochen teilweise gedemütigten Meisterkickern. Was mich freute, war eher die vage Aussicht darauf, dass mir vorerst diese fast schon klassische Krisenberichtersattung über tief gefallene Klubs erspart bleiben könnte. Die populistischen Kommentatoren gehen mir in solchen Situationen ebenso auf die Nerven wie die differenziert zur Sache gehenden Analysten, die den Eindruck vermeiden wollen, sie beteiligten sich nicht an der Panikmache. Bei den klugen Köpfen liest man dann beispielsweise, dass man im Verein zumindest äußerlich noch die Ruhe bewahre, und dass der Trainer, der ja auch eigentlich gar nicht so viel faslch gemacht habe, fachlich noch unumstritten sei, es aber im Falle einer erneuten Niederlage wohl zu öffentlichen Diskussionen kommen werde und sich mittelfistig eh keiner wehren könne gegen die die branchenüblichen „Automatismen“ oder „Mechanismen“, die die Autoren solcher Texte eigentlich eher ungut finden. Abgerundet wird das Bild durch Äußerungen von Aufsichtsräten, die niemand gewählt hat, damit sie sich zur sportlichen Lage äußern, von Ex-Starspielern, die sich große Sorgen um den Klub machen, und von anonymen Stinkstiefeln, deren Meinung in Artikeln dann gern unter „Umfeld des Vereins“ subsumiert wird.
Der Ãœberdruss über derlei Untergangsberichterstattung hatte schon in der letzten Saison dazu geführt, dass mich unerwünschte Gefühle übermannten: Dem HSV ging es in der ersten Halbserie unter Thomas Doll ungefähr so schlecht wie dem VfB in den letzten Wochen, und damals hoffte ich, der HSV, dem ich bis dato wahrlich wenig Liebe geschenkt hatte, möge sich unter Doll aus dem Elend befreien, damit man endlich nicht mehr lesen, sehen und hören muss, wie jedes Wochenende wieder die Trainerfrage aufgeworfen wird. Im übrigen ist es ja erstaunlich, dass nach Bayer Leverkusens Beinahe-Abstieg in der Saison 02/03 – im Jahr nach dem Champions-League-Endspiel gegen Real Madrid wurde der Klub so gerade Fünfzehnter – derartige Einbrüche noch zur Sensationalisierung taugen.
Was mich am meisten irritiert, ist die Befürchtung, bald positive Gefühle für einen hundertzehnprozentigen Geht-gar-nicht-Verein zu entwickeln, etwa für einer der höllischen K-Cubs, also für Kaiserslautern, Karlsruhe oder, Achtung, Runnning Gag, Holstein Kiel. Vielleicht muss ich mir Sorgen um mich machen.
kraussblog » Blog Archive » vfb stuttgart schrieb am 29. Oktober 2007:
[…] Martens beschreibt in direkter-freistoss am Beispiel des VfB Stuttgart, wie aus dem alarmistischen Untergangsgeheule tatsächlich Sympathien […]
BluePirateS04 schrieb am 31. Oktober 2007:
Mir geht diese populistische Krisenberichterstattung, und generell diese Schwarzweißmalerei der Sportjournalisten, auch immer mehr auf den Geist. Nun trifft es in negativer Weise sogar einen der jarelangen Lieblinge der Sportpresse, also den VfB Stuttgart.
Stimme Rene Martens voll zu, obwohl ich auch kein VfB-Fan bin (hatte aber auch nie Antipathien).