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Wie kommt eigentlich Markus Merk nach 2004 und 2005 nun zu der wiederholten Ehre, zum dritten Mal Weltschiedsrichter des Jahres zu werden? Wohl durch Hochstapelei – allerdings nicht durch seine eigene, sondern durch die des Sonderlings Dr. Alfredo Pöge [Name von der Redaktion nicht geändert]. Der Publizist Erik Eggers wiederholt in der taz in diesen Tagen seine Recherche, die er vor gut einem Jahr in den 11 Freunden, allerdings ohne größere Resonanz, veröffentlicht hat. Er geht der Frage nach, wer eigentlich hinter der IFFHS steckt, der „International Federation of Football History & Statistics“ – derjenigen Organisation, die jährlich die besten Spieler, Torjäger, Trainer und Schiedsrichter kürt und lange Zahlen- und Anekdotensammlungen publiziert, die sie für Geschichtsforschung hält. Eggers‘ Antwort gleicht einer Enttarnung, die IFFHS ist wohl ein Ein-Mann-Betrieb.

Eggers beschreibt, wie er stutzig wurde: „Jeder, der die Bücher und Zeitschriften dieser Gesellschaft durchblättert, bekommt das Gefühl, alles über den internationalen Fußball zu erfahren. Nur eines nicht: wer hinter dem Klub steht, der diese Statistiken mit Absolutheitsanspruch veröffentlicht. Was vor allem an dem Chef des ganzen liegt: Dr. Alfredo Pöge.“ Bei seiner Nachforschung ist Eggers auf dessen hartnäckige Verschlossenheit gestoßen: „Der ‚Präsident‘ der IFFHS gewährt keine Audienz, sondern lässt sich nur am Telefon ein paar Sätze entlocken. Keinen Zweifel lässt er daran aufkommen, dass es für Fußballstatistiken nur eine Kapazität gibt: ihn und die IFFHS.“ Und an anderer Stelle: „Die Gesellschaft, die sich in einem unscheinbaren Reihenhaus in Bonn-Hardtberg verbirgt, stellt den Nachrichtenagenturen gern ihre ellenlangen Statistik-Kolonnen zur Verfügung. Nur wenn man sich für den die IFFHS selbst interessiert, scheut der Fußball-Doktor das Licht der Öffentlichkeit.“ Eggers schließt: „Pöge ist ein Phantom. Er meidet die Öffentlichkeit wie der Vampir das Tageslicht. Einer, der aus dem Hintergrund die Fäden spinnt, beinahe sowas wie der Werner Mauss des internationalen Fußballs.“

Die internationale Unterstützung und Vernetzung, auf die sich Pöge beruft, ist wohl ein Potemkinsches Dorf; diese Vermutung stützt Eggers durch Nachfragen in der Sportwissenschaft. Zudem fasst sich Eggers an den Kopf, weil Pöge sich auf seiner Website, die einige herrliche vergilbte Fotos von Pöge, auch mit Fußballprominenten, zeigt, als Widerständler des DDR-Regimes stilisiert. „Auch nach welchen Kriterien er die besten Fußballer der Welt ermittelt“, schreibt Eggers, „will er der deutschen Öffentlichkeit partout nicht erklären. Auch die Leser der 11 Freunde, einem Magazin, von dem der Fußballexperte vor dem Telefonat noch nie gehört hat, will er nicht in die Arkana des internationalen Fußballs einweihen: ‚Wir haben keinerlei Interesse an PR.'“ Besonders fasziniert uns auch Pöges Dialektik über Reflexion und Erkenntnis, die er auf seiner Website darlegt (bitte unbedingt den ganzen wirren Text lesen) und mit der er sich wohl vor unnötigen Fragen schützen will: „Je tiefer man in die Materie eindringt, desto weniger weiß man.“ Brillant.

Pöges Wahl sagt nichts aus

Köstlich das ganze! Die Fußballwelt wird bunter durch solche Streiche. Doch es ist eigentlich eine Medien-Story, die ein trübes Licht auf die Branche wirft, denn „sollte die Arbeit von ‚Don Alfredos‘ Firma tatsächlich darin bestehen, dass ein älterer Herr in Heimarbeit ellenlange Statistiken aufstellt“, staunt Eggers, „ist die mediale Präsenz spektakulär. Seit Jahren nämlich drucken nahezu alle deutschen Zeitungen Pöges Ranglisten bedenkenlos ab, von der SZ bis zur FAZ. Auch die ZDF-Redaktion des ‚Aktuellen Sportstudios‘, das Pöge noch im März 2006 ein Forum gab, als er dort José Mourinho, Petr Cech und Markus Merk ehren durfte, hat laut Chef Thomas Fuhrmann ’nicht groß recherchiert‘. Jede Sportsendung nehme Stars wie Mourinho ‚mit Kusshand‘.“ Als Multiplikator der IFFHS-News hat Eggers den Sportinformationsdienst ausgemacht; die dpa hingegen habe sich für einen Verzicht entschieden, nachdem ihn die Redakteure auf einer Gala „beobachtet hatten, entschieden sie sich, die Pöge-Listen nicht mehr über den Nachrichtenticker laufen zu lassen“.

Bitte, liebe Kollegen, nach dieser erneuten Entmummung sollte man die Auszeichnungen, die dem Statistikkabinett des Dr. Alfredo Pöge entstammen, nicht mehr als Grundlage für eine ernste Recherche oder einen Kommentar heranziehen.

6 Kommentare

  1. Duelp schrieb am 13. Januar 2008:

    Danke für die Story Oliver. Die Story in der 11Freunde fand ich eine der bemerkenswertesten in der Geschichte des Magazins und ist mir immer noch in guter Erinnerung. Allerdings hat mich mein Gedächtnis im Stich gelassen, dass die aktuell durch die Medien geisternde Auszeichnung zum Schiedsrichter des Jahres aus der Quelle IFHHS stammt. Dann machts auch Sinn, weil – mal ehrlich – womit hat sich Merk das dieses Jahr verdient? So unauffällig können doch andere gar nicht gepfiffen haben. Mangels Alternativen nimmt man in Bonn das naheliegende.

  2. Welttorhüter des Jahres - By what method? « Zahlenpeter’s Weblog schrieb am 14. Januar 2008:

    […] Grund für diese Ausführungen liegen in einem Beitrag von Oliver Fritsch in seinem Blog direkter-freistoss.de. Dort setzt er sich mit der Meldung […]

  3. andreawildpark schrieb am 16. Januar 2008:

    Zur „seriösen“ Kritik am Solosystem Pöge gehörte allerdings auch der hinweis darauf daß es europaweit meherere solche Damen & Herren gibt, in den 90erJahren eine vierteljahreschrift namens Libero veröffentlich wurde & außerdem von Pöge diverse Spötteleien über die von ihm gering geschätzten Sportjournalisten bekannt sind.Was ihn dann wieder angesichts deren häufig korrupten Verkäufermentalität fast schon wieder sympathisch macht
    http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/05/31b.htm

  4. Wereld-keeper van het jaar - by what method? « Cijferpeter’s Weblog schrieb am 29. März 2008:

    […] reden voor deze uitleggen ligt in een bericht van Oliver Fritsch in zijn blog direkter-freistoss.de. Daar houdt hij zich met de melding bezig dat […]

  5. Ein Weltschiedsrichter tritt ab - Es hat ihn wohl nie gegeben « Radio Hexenkessel online schrieb am 9. April 2008:

    […] eines lichtscheuen Kauzes. Mehr dazu findet sich in diesem taz-Artikel der ebenfalls – bis auf einschlägige Blogs – ungelesen blieb. Wie sonst ist es zu erklären, dass in zahlreichen deutschen Medien und […]

  6. World goalkeeper of the Year - By what method? « Numberpeter´s Weblog schrieb am 23. Januar 2009:

    […] reason for these remarks lies in a post by Oliver Fritsch in his soccer blog direkter-freistoss.de. In this post he wrote about the report […]

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