Italien-Holland 0:3
von Oliver FritschIch habe nur die zweite Halbzeit gesehen, weil ich erst um halb zehn abends von meinem EM-Trip aus Klagenfurt zurückgekommen bin. Die Italiener, mein (ehemaliger) Titelfavorit, scheinen in der Tat Probleme in der Innenverteidigung (Stichwort Cannavaro) zu haben. Wie untypisch! Und dass sie die Regel nicht kennen, wonach es einem verteidigenden Spieler nicht erlaubt ist, das Spielfeld über die Grundlinie zu verlassen, um einen Stürmer Abseits zu stellen (im Gegensatz zu einem angreifenden Spieler, der auf diese Weise das Abseits aufheben darf) – dass sie diese Regel nicht kennen, wie Donadonis Aussage nahelegt, ist peinlich. Von Netzer und Delling hab ich übrigens nichts anderes erwartet. Aber ich will nicht besserwisserisch sein, denn ich muss gestehen, dass ich mir auch nicht sicher war. Mir war die Regel aus Seminaren bisher folgendermaßen im Sinn: Es komme auf die Absicht an; dann ist der Abwehrspieler sogar mit Gelb zu verwarnen. In diesem Fall scheint mir aber keine Absicht vorzuliegen. Also hätte ich auch nachschlagen müssen. Die Holländer haben auf jeden Fall mal richtig auf die Pauke gehauen. Also von wegen Außenseiter.
Steffen Simon ging mir übrigens nach wenigen Minuten bereits auf den Wecker.
Holland vs. Italien-EM 2008 – MyVideo
Frankreich gegen Rumänien habe ich gar nicht gesehen. Mit den Franzosen ist aber in jedem Turnier zu rechnen, auch wenn das 0:0 ein wenig glamouröser Auftakt gewesen sein muss. Die Franzosen sind die Deutschen des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts.
nedfuller schrieb am 10. Juni 2008:
Italien erschreckend uninspiriert.
Holland zielstrebig und geradeaus. Torgefährlich. Klasse! Noch vor Deutschland und Portugal der beste Auftritt bisher.
Aber ich glaube, die Niederländer ruhen sich im nächsten Spiel aus und es gibt nur ein Unentschieden.
my 2 cents
Max Diderot schrieb am 10. Juni 2008:
Mir hat die Dramaturgie gefallen. Zumindest jene der Tore zwei und drei. Kaum hatten die Holländer eine hochkarätige Torchance der Squadra Azzurra vereiteln können, inszenierten sie einen schnellen Gegenzug und trafen das Tor. Einfach klasse!
Die Italiener schienen gestern Abend überfordert zu sein. Bis auf Andrea Pirlo war ich von den Darbietungen der meisten italienischen Spieler enttäuscht.
Zu den Moderatoren respektive Kommentatoren mag ich mich nicht mehr äußern. Zumindest nicht negativ, denn dann entstünde eine Suada. Bis, ja bis auf den Umstand, dass die ARD gestern Mehmet Scholl präsentierte. Im Zusammenspiel mit Reinhold Beckmann war das sehr angenehm. Vor allem, als Scholl, kurz und präzise eine Antwort auf die Frage gab, was in der Nachwuchsförderung des deutschen Fußballs verbesserungsfähig sei.
Kraelinho schrieb am 10. Juni 2008:
Die Niederländer haben genau zu den richtigen Zeitpunkten die Tore gemacht.
Erst Tonis Kopfballmöglichkeit, aus der er mehr Kapital hääte schlagen können. Wenige Minuten später das 1:0 durch v.Nisterooy.
Das 2:0 war ein perfekt vollzogener Konter, dem eine Großchance der Italiener (Kopfball, der knapp auf der Linie gerettet wurde) vorausging.
Vor dem 3:0 war es noch tragischer aus italienischer Sicht durch dier Chancen von Toni und Pirlo. Das letzte Tor war schlussendlich wieder ein sehr sehenswerter Konter.
Alles in allem ein „perfektes“ Spiel aus Sicht der Niederländer, die die Tore exakt zu den richtigen und aus italienischer Sicht ungünstigsten Zeitpunkte erzielt haben.
Italien ist ohne Cannavaro, wie vorher prophezeit, und mit Materazzi als „Chef“ in der Kette nicht in der Lage „sicher zu stehen“.
Nichtsdestotrotz blendet das reine Ergebnis ein wenig die guten Möglichkeiten Italiens in diesem Spiel aus.
Stefan schrieb am 10. Juni 2008:
Das 2:0 ist unfassbar gut herausgespielt. Alles passt. Schon die Übersicht von van der Vaart und dann sein Pass raus auf van Bronckhorst sind überrangend. Die präzise Flanke quer über Platz sowieso, die Kopfballvorlage muss man so auch erstmal hinriegen und der Abschluss ist auch wieder vom Feinsten. Man achte auch auf die Laufwege. Genial. Und ich hatte schon damit gerecht, die Holländer würden so uninspiriert auftreten wie zuletzt.
Carsten schrieb am 10. Juni 2008:
Also, der Auftritt der Franzosen lässt Schlimmes befürchten – das erinnert doch eher an die WM 2002.
Mir ist unbegreiflich, wie man Ribery derart verschenken kann auf rechts …
Mit einem Domenech und seiner Art Fussball zu spielen, wird Frankreich so – ohne Henry, Ribero zentral oder halblinks hinter den 2 (!) Spitzen – nicht mal ein Tor gegen Italien schiessen.
ruppI1 schrieb am 10. Juni 2008:
Die Regel, daß ein Spieler hinter der Torauslinie das Abseits nicht aufhebt, kannte kein Schwein, nicht mal die Holländer, die nicht glauben konnten, daß dieses Tor anerkannt wurde. Wie auch immer, der Fehler von Buffon ist viel schlimmer, denn anstatt den Ball ins Toraus zu lenken, schaufelt er den Ball dem Angreifer im 16 er vor die Füße. Ein klarer „Lehmann“.
methusalix schrieb am 10. Juni 2008:
Nachlesen im unter dfb.de was drei Interpretationen erzwingt: Da der Schiri keine gelbe karte an den Italiener gab, war er selbts von keiner Absicht überzeugt (wäre auch unsinnig gewesen, wenig Sekunden später viel das Tor)Diese paar Sekunden genügen allerdings im Falle der Passiv/aktiv-Diskussion ansonsten den Schiris gerne um von einer „neuen Spielsituation“ zu sprechen und was kann neuer sein als ein außerhalb des Feldes unfähig zum eingreifen verletzt liegender Spieler?Also:Nachholbedarf für das FIFA-Board…(will sagen, dies war gemäß der Logik der Abseits-Regel „zw.ihm und der Torlinie“ zufolge ein Abseitstor)
Golwar schrieb am 10. Juni 2008:
„Die Franzosen sind die Deutschen des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts.“
Also ich kann mir nicht helfen, aber die Aussage klingt in meinen Ohren schon fast wie eine Beleidigung ( für uns Deutsche wohlgemerkt ).
Wenn denn ein Vergleich vonnöten ist, dann doch eher der mit dem Italien früherer Jahre.
Oliver Fritsch schrieb am 10. Juni 2008:
Ich bin nun mal mit den WMs 82 und 86 „großgeworden“.
BArometer21 schrieb am 10. Juni 2008:
Wahnsinniges Spiel, Holland spielt wieder den Fussball, den sie vor der WM gespielt hatten. Mit feiner Technik, flott, gedanklich habe ich einige Male mit der Zunge geschnalzt. Riesentor auch zum zweinull. Italien fand ich im Sturm unglaublich schlecht, Toni war zwar oft allein, doch bei den Bayern nutzt er manche Chance deutlich besser. Vielleicht fehlt ihm einfach Klose als Ballaufleger. Und die Abwehr, wie viele hier bereits bemerkt, sehr durcheinander. Das Mittelfeld war auch nicht so berauschend, Pirlo hatte die eine oder andere gute Idee, aber wo war denn de Rossi?
Scholl ohne Beckmann fände ich auch eine gute Alternative.
Und immerhin hat Steffen Simon dann in Halbzeit zwei gemerkt, dass Zambrotta zu Milan wechselt.
drsoccer schrieb am 10. Juni 2008:
Ja, die Niederländer waren schon stark – da gibt es kein Vertun. Aber waren die Italiener denn wirklich so schlecht, wie sie allenthalben gemacht werden? Ich habe das Match auch nur auszugsweise gesehen, aber zumindest in der zweiten Halbzeit hatten die Azzuri einige Chancen, die mE auch nicht völlig trivial herausgespielt waren. Und dass die „Cattenaccio-Künstler“ (S. Simon) nicht notwendigerweise defensiv spielen, muss man hier ja nicht gesondert erwähnen.
Nochmal zu den freundlichen Nachbarn im Westen: sind die nicht bekannt für fulminante Leistungen in frühen Turnierphasen, die dann mehr oder weniger konsequent nachlassen? Wie war das noch 2004 bzw. 2006? Nicht, dass ich das den Oranjes wünschen würde (allein möchte ich die Trikots noch einmal paar mal sehen, um mir einen Reim auf die babyblauen Stutzen machen zu können), aber warten wir´s mal ab…
Schließlich hätte ich noch eine Frage zur Bewertung der Polen: waren auch die wirklich so schlecht? In der Bewertung gibt es auch hier die Tendenz, deren Leistung runterzureden („nur ein zweitklassiges Team“). Das passiert aber nicht überall (oder sind die Türken denn tatsächlich ein Gegner, der Portugal auf Augenhöhe herausfordern konnte?). Vieles fühlt sich mal wieder nach klassischem „horserace-journalism“ an, der von Spiel zu Spiel eilt und sich bloß keine Zeit zum Nachdenken nimmt.
petertrompeter schrieb am 10. Juni 2008:
@methusalix:
…die Regel besagt doch eindeutig, dass ein angreifender Spieler hinter der Torauslinie „nicht“ existiert, ein Spieler der verteidigenden Mannschaft schon.
Zudem hat die ARD während der Sendung mehrere SR kontaktiert, z. B. die „Inquisition“ Lehrwart Eugen Striegel, welche die Rechtmäßigkeit des Tores bestätigen.
Ich kann nicht verstehen, wie man jetzt behaupten kann, es wäre ein Abseitstor gewesen, habe ich irgendetwas verpasst?
SVE05 schrieb am 10. Juni 2008:
Vielleicht wäre der italienische Spieler schneller wieder auf die Beine und vor „Van the Man“ gekommen, wenn die italienischen Kicker nicht generell eine Tendenz zum gerne-liegen-bleiben hätten.
Mikesh schrieb am 10. Juni 2008:
Ich bin verwundert, welche Diskussionen das erste Tor der Niederländer gestern Abend auslöste. Ich muss zwar gleichfalls zugeben, dass ich zuerst ob der Schiedsrichterentscheidung überrascht war, aber als ich die Regelinterpretation erfuhr, die Regel-Entscheidung für logisch halte. Mich verwundert vor allem, dass viele das scheinbare Missverhältnis in der Regelauslegung des Abseits zwischen angreifende Mannschaft und verteidigende anprangern: der abwehrende Spieler (auch wenn er offensichtlich verletzt ist) kann mit dem Übertritt der Torauslinie das Abseits nicht aktivieren, während ein stürmender Spieler durch Verlassen des Spielfelds das Abseits aufheben kann.
Ich glaube nicht, dass ich die Abseitsregel hier ausführlich erklären muss, jedoch möchte ich noch einmal betonen, dass ein angreifender Spieler sich u.a. erst im Abseits befindet, wenn er AKTIV ins Spiel eingreift. Mit dem Verlassen des Spielfelds (hier: hinter die Torauslinie) hebt er das Abseits nicht auf, weil er sich gar nicht darin befindet (ich weiß, das ist pedantisch). Er geht damit sicher, dass er nicht ins Abseits gerät. Dafür nimmt er sich den Vorteil, sich frei auf dem Spielfeld zu bewegen. Er darf erst wieder mit der Erlaubnis des Schiedsrichters das Spielfeld betreten. Sollte er trotzdem aktiv und unerlaubt am Spiel teilnehmen, so ist der Spieler wegen unsportlichen Verhaltens zu verwarnen (jetzt klinge ich schon wie ein DFB-Jurist…).
Nun zum abwehrenden Spieler. Das mit dieser Regelauslegung vorgebeugt werden soll, dass ein Abwehrspieler das Abseits mit einem Hechtsprung über die Torauslinie eine Abseitsstellung des Gegners aktiviert, sollte soweit klar sein. Deswegen muss ein Abwehrspieler zum Verlassen des Spielfelds in dieser Situation sich beim Schiedsrichter durch dessen Einwilligung abmelden. Ansonsten nimmt er noch aktiv am Spiel teil. Das klingt jetzt hart und gemein für den italienischen Abwehrspieler, der eigentlich gar nichts dafür kann, dass er aus dem Spielfeld geboxt wird und verletzt liegen bleibt (oder wenn er auch innerhalb desselbigen liegen bleibt). Doch ebenso wenig können die Niederländer etwas dafür, dass Buffon den eigenen Mann k.o. schlägt. Sollte der Schiedsrichter ihnen deshalb ihren Angriff abblasen und eine mögliche Torchance nehmen? Ich denke, nein. Ich weiß, ich weiß – jetzt kommt der Aufschrei: „Aber ein verletzter Spieler kann doch kein Abseits aufheben!“ Wie wir gestern Abend sehen durften, schon. Im laufenden Spielgeschehen ist diese Verletzung des Spielers ohne Einwirken eines Gegenspielers geschehen. Ebenso wenig würde eine laufenden Spielsituation abgepfiffen werden, wenn ein Torwart kurz vor einer 1-1-Situation sich verletzt und nicht mehr aktiv eingreifen kann. Oder ein Abwehrspieler ohne Einwirkung des Gegners umknickt und dadurch eine Chance des Gegners ermöglicht. Das nennt man persönliches Pech – kurz p.P.
Mannomann, habe ich jetzt aber klug geschissen. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir das (die gestrigen ungläubigen Bekundungen hat mich ein wenig zum Weißglut gebracht). Und wenn nicht – selber schuld, wenn Ihr meinen Kommentar gelesen habt. P.P.
juwie schrieb am 10. Juni 2008:
@BArometer21:
Auch ich fand die Leistung von Toni im Vergleich bemerkenswert schwach. Mir drängte sich ebenfalls der Verdacht auf, dass hier möglicherweise der angebliche „Versager“ – sprich: mannschaftsdienlich spielende – Klose den Unterschied machen könnte. Vielleicht ist aber auch einfach das Niveau von Bundesliga und UEFA-Pokal zu niedrig – dann darf von den Bayern in der kommenden Champions League aber nicht viel erwartet werden.
methusalix schrieb am 11. Juni 2008:
@petertrompeter
Gerade Striegel wird nicht müde, jede noch so absurde „kein Abseits“-Entscheidung zu verteidigen weil angeblich eine neue Spielsituation vorgelegen habe.Drum muß das FIFA-Board eben nachbessern und den Zusatz „absichtlich“ streichen resp. nur als Verschärfung via gelbe Karte stehen lassen.So wie jetzt alle bestimmungen schwarz auf weiß stehen hat der Schiedsrichter entweder eine Fehlentscheidung getroffen oder ist von einer Absicht ausgegangen.Das darf nicht so bleiben.
@mikesh
So sehr mir „was-wäre-wenn“-Debatten missfallen aber da sie ihre Logik darauf aufbauen:Klar würde für einen verletzten Torwart zB nicht unterborchen aber es ist ja ebenso davon auszugehen das ein nicht verletzter Italiener stante pede nach vorne gelaufen wäre und damit ebenso eine Abseitsstellung des holländers vorgelegen hätte…
Morten schrieb am 11. Juni 2008:
Hier steht eine ausführliche und genaue Erklärung, die auch zeigt, dass die Regeln nicht ganz eindeutig sind:
http://www.lizaswelt.net/2008/06/dilemma-mit-weiser-entscheidung.html
NummerNeunzehn schrieb am 11. Juni 2008:
Muss schon sagen, dass mir die Holländer mit ihrem geradlinigen Spiel fast noch besser gefallen haben, als die Spanier einen Tag später.
Was die Polen angeht: die haben mir bislang einen stärkeren Eindruck gemacht, als die Kroaten. Hoffentlich bleibts dabei (auch wenn ich es nicht so recht glauben kann).
P.S. Hatte außer mir noch jemand den Eindruck, dass der Beckmann dem Scholli ständig ins Wort gefallen ist? Oder hatte ich nur den Eindruck, weil ich Beckmann nicht ausstehen kann?