Frankreich-Holland 1:4
von Oliver Fritsch
Meine Güte – erst 3:0 gegen Italien, dann 4:1 gegen Frankreich. Welch ein Spektakel der Holländer! Und der Franzosen natürlich auch. Variables, schnelles, zielstrebiges Angriffspiel der Elftal, durch die Einwechslungen van Bastens noch mal verstärkt. Robben in Top-Form, tolle Tor von Snejder und van Persie, klasse Walzer an der Außenlinie von „Daddy“ van Nistelrooy vor dem 2:0. An Holland muss vorbeikommen, wer den Titel will.
Schwächen wurden offensichtlich in der Abwehr, sonst wäre die Klasse van der Sars nicht so aufgefallen, der Bälle festhielt, die andere Torhüter nicht mal pariert hätten. Was Spielpraxis also ausmacht. Die Franzosen konnten die Lücken jedoch nicht ausreichend nutzen. Allen voran Henry ist nicht mehr der, den wir kennen – obwohl er das Tor gut hingekriegt hat. Genau wie der lahme Sagnol die Vorlage. Frankreich ist ein Fragment: Ribéry überragt alle, auch die anderen Spieler haben technische Klasse, die immer wieder aufblitzt – aber das Team scheint nicht homogen genug. Tendenz: Niederlage gegen Italien, Platz 4. Aber ihnen ist natürlich auch ein Sieg (und drei weitere) zuzutrauen.
Tagesfazit: Zwei faszinierende Spiele. Das zweite war nur deswegen faszinierender, weil halt drei mehr und schönere Tore fielen.
Max Diderot schrieb am 14. Juni 2008:
Versuchen wir’s mit kulturellen Erklärungen. In den Niederlanden gibt es einen, auch in Deutschland sehr bekannten Schriftsteller, Maarten ‚t Hart. Eines seiner Bücher heißt „Das Wüten der ganzen Welt“. Ein klasse Buch. Und dessen Titel scheint mir auch irgendwie Programm für das dynamische Spiel der Elftal zu sein. Das war schon unglaublich, wie durch die beiden Einwechslungen (Robin van Persie und Arjen Robben) die französische Deckung seziert worden ist.
Nun besteht vermutlich die größte Gefahr für das niederländische Team darin, die eigene Hybris, die Überheblichkeit, unter Kontrolle zu bringen, und nicht alle Welt davon überzeugen zu wollen, dass sie aktuell die Gralshüter des schönen und effektiven Fußballs sind.
Kraelinho schrieb am 14. Juni 2008:
Die Elftal war wie im ersten Spiel zielstrebig und effizient in der Chancenauswertung. Offensiv kaum zu stoppen, wenn man bedenkt das Huntelaar als amtierender Torschützenkönig Europas bisher gar nicht zum Einsatz kam.
Vor allem die bemerkenswerte taktische Ausrichtung van Bastens, der Engelaar als defensiven Mittfeldakteur gegen Robben einen offensiven Flügelspieler austauscht, um den Druck der Franzosen trotzen.
Knackpunkt bleibt die Innenverteidigung mit Ooijer und Mathijsen, die gesetern ein paar Probleme gegen die agilen Govou, Henry und Ribery hatten.
Nichtsdestotrotz ist es schlussendlich unerheblich,wenn man ein oder zwei Tore kassiert, da man jetzt das Selbstvertrauen und die spielerische Qualität hat für 2,3,4 Tore.
Kurze Szenarioüberlegung zur Gruppe C bzw. eine daraus resultierende Frage:
Was passiert, wenn Frankreich und Italien 0:0 spielen und die Niederländer die Rumänen mit 3:0 vom Platz fegen.
Ergebnis wäre ja schließlich: Rumänien, Italien und Frankreich hätten allesamt 2 Punkte mit einem Torverhältnis von 1:4.
Eine Frage an die EM-Historiker bzw. eine generelle Frage zum Auftreten solch einer Konstellation:
Wäre das ein „Negativ-Rekord“, wenn sich eine Mannschaft mit 2 Punkten für die Endrunde qualifiziert?
Max Diderot schrieb am 14. Juni 2008:
Nach meinem Kenntnisstand (ich bin kein Fußball-Historiker!) wäre es tatsächlich ein Negativrekord, würde eine Mannschaft mit nur zwei Punkten von der Gruppenphase in das Viertelfinale einziehen.
Den alten „Rekord“ halten Dänemark und Deutschland von der Fußball-EM 1992 in Schweden mit jeweils drei Punkten in der Vorrunde. Damals wurde aber nur mit acht Teams, in jeweils zwei Gruppen à 4 Teams, gespielt. Interessant auch, dass diese „Rekordhalter“ auch die späteren Finalisten waren, das Dänemark mit 2:0 gegen Deutschland gewann.
Max schrieb am 14. Juni 2008:
@Kraelinho: Dann wird eine Tabelle aus den direkten Vergleichen gebildet, die wie folgt aussähe: Alle haben 2 Punkte, da die direkten Vergleiche jeweils Unentschieden endeten. Dann entscheidet das Torverhältnis bzw. die geschossenen Tore:
Rumänien 1:1
Italien 1:1
Frankreich 0:0
Frankreich wäre also raus und Italien käme gegen Rumänien weiter, weil sie den besseren UEFA-Koeffizienten haben.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/UEFA-Koeffizient
Mystic Phoenix schrieb am 14. Juni 2008:
„Was passiert, wenn Frankreich und Italien 0:0 spielen und die Niederländer die Rumänen mit 3:0 vom Platz fegen.“
Dann zählt meines Wissens zunächst die Tordifferenz/Anzahl der erzielten Tore in den Spiele untereinander, wobei Rumänien und Italien (je 1:1) dann vor Frankreich (0:0) liegen und Italien aufgrund des besseren UEFA-Quotienten auf Platz 2 rückt.
Oliver Fritsch schrieb am 14. Juni 2008:
So sieht’s aus, Herr Max.
Kraelinho schrieb am 14. Juni 2008:
Erstmal Danke für die Aufklärung.
Jetzt besteht ein weiteres Fragezeichen in meinem Kopf. Wieso treten die Tschechen und Türken im selben Fall zu einem direkten Elfmeterschiessen gegeneinander an? Hinzufügend ergibt sich die Frage, wieso der Schweiz laut wikipedia kein Wert zugeschreiben ist?
Oliver Fritsch schrieb am 14. Juni 2008:
Wenn zwei punkt- und torgleiche Mannschaften, bei denen es um Platz 1 oder 2 geht, am letzten Spieltag unentschieden spielen, gibt es Elfmeterschießen (möglich bei Türkei-Tschechien und Italien-Frankreich, in diesem Spiel hängt es aber vom Rumänien-Ergebnis ab). Das ist eine neue Regel und soll verhindern, dass der Uefa-Koeffizient entscheidet. Find ich gut. Sollten aber drei Teams punktgleich sein, geht das natürlich nicht.
Mystic Phoenix schrieb am 14. Juni 2008:
Im TV wurde allerdings gesagt, dass das nur eintritt, wenn eine andere Mannschaft auf die gleiche Punktzahl kommen KANN, so dass das in Gruppe C hinfällig wäre. Wobei man auf die Kenntnis der dortigen so genannten Journalisten nicht all zu viel geben sollte
Das heißt also, wenn das Spiel ITA – FRA bereits beendet ist und das andere Spiel noch läuft, müssen die Teams dann erst mal warten, ob sie noch Elfmeter schießen dürfen?
IM UEFA-Reglement steht auch nichts davon, dass das nur bei Platz 1 und 2 relevant ist, aber das ist dann möglicherweise Auslegungssache
Max schrieb am 14. Juni 2008:
Ich glaub auch, dass ein Elfmeterschießen in Gruppe C nicht möglich ist.
Übrigens habe ich mich oben glaube ich geirrt. Der UEFA-Koeffizient ist nicht entscheidend. Zumindest laut kicker.de gilt, wenn Rumänien verliert und Italien-Frankreich 0:0 endet, wieder das richtige Torverhältnis aus allen Partien.
Dann hätten Italien und Rumänien nämlich jeweils 1:1 Tore aus den Direktbegegnungen, italien hätte 2:5 Tore und Rumänien je nachdem, wie hoch sie verlieren, ein besseres oder schlechteres Gesamttorverhältnis. Wenn sie dann mit mehr als 2 Toren verlieren, sind sie raus, sonst weiter.
Quelle: kicker.de
Max schrieb am 14. Juni 2008:
Entschuldigung, Italien hätte natürlich 1:4 Tore.
Max schrieb am 14. Juni 2008:
Entschuldigung, Italien hätte natürlich 1:4 Tore. Wenn Rumänien als z.B. 0:1 oder 0:2 verliert, sind sie weiter, bei 0:3 wirds knifflig, dann hätten sie wiederum 1:4 Tore und DANN entscheidet wohl der UEFA-Koeffizient.
Aber nur dann. Glaube ich… 😉
BArometer21 schrieb am 14. Juni 2008:
Komplexe EM-Arithmetik gut gelöst! Aus dem Blog lernen! Prima.
Zum Spiel: der neue Namen der Holländer (ich glaub die Bild oder die schweizerische Bild, der „Blick“, haben ihn kreiert), „Orkanje“ nämlich, gefällt mir recht gut, trifft es auf den Kopf, wenngleich es ein kontrollierter Orkan war.
Prima Tore, einen Robben haben die Holländer auf der Bank, wir David Odonkor. Und das trotz einer Einwohnerzahl von ca. 16 Millionen im Vergleich zu unseren 82 Millionen. Dennoch: alles will ich auch nicht schlecht machen, es verblasst nur so, wenn ich mir die holländischen Spiele ins Gedächtnis rufe.
Um es etwas irdischer zu gestalten: das Tor von Robben kann Coupet eigentlich auch verhindern. Dafür ist es seine Ecke und der Winkel doch recht spitz.
Kai schrieb am 14. Juni 2008:
Ja, ja die tollen Spiele der Holländer in der Vorrunde einer EM. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Erinnert sich noch jemand an die EM 2000 oder 2004? Irgendwie schaffen es die Holländer dann doch noch in der KO-Runde auszuscheiden. Wird diesmal nicht anders sein.
Linksaussen schrieb am 15. Juni 2008:
das mag sein, würde aber doch nicht einen deut daran änder, daß uns die holländer im gegensatz zu 2004 mal wieder sehr viel freude bereiten.