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Oliver Fritsch Basisferne Fußballpolitik

von Oliver Fritsch

Dass Theo Zwanziger wohl nicht zu bremsen ist, haben die meisten bestimmt ja schon mitbekommen. Nachdem Jens Weinreich in dieser Woche eine Einstweilige Verfügung gegen den DFB erwirkt hat, hat sich Zwanziger entschlossen, die zuvor fallen gelassene Klage gegen Weinreich wieder aufzunehmen. Fürs erste mehr dazu bei Jens Weinreich hier und hier, auch bei Stefan Niggemeier hier und hier, in der Stuttgarter Zeitung und in der Süddeutschen Zeitung.

Der DFB scheint jetzt allen zu verkaufen zu wollen, dass Weinreich angebliche Gesprächsangebote ausgeschlagen habe. Unabhängig von der Frage, wer hier angesichts des juristischen Zwischenstands von 3:0 wem Gespräche anbieten und Entschuldigungen abverlangen kann – der DFB will Weinreich in die Bittstellerposition zwingen. Eine Position, in die sich ein Mann mit cojones natürlich nicht begibt. So geht also die Sache wohl wieder vor Gericht.

Lassen wir uns jedoch davon nicht ablenken und blicken auf bedenkliche, weil basisferne Entscheidungen im deutschen Fußball:

Die DFL hat am Freitag die TV-Rechte an den Bundesligen in den nächsten vier Jahren für viel Geld verkauft und Lob erhalten. Immerhin ist der Status quo gewahrt: rund 410 Millionen Euro (bislang 405) durchschnittlich pro Jahr. Was man so hört, muss DFL-Chef Christian Seifert hart verhandelt haben. Das war keineswegs selbstverständlich, denn die Umstände waren zumindest in Teilen ungünstig: 1. Das Kartellamt bestimmt in Deutschland über das Fernsehen mit. 2. Die Finanzkrise trifft auch den Profisport. 3. Dem wichtigsten Partner Premiere geht es schlecht.

Dabei wird oft übersehen, dass die DFL den Sendern ein großes Zugeständnis gemacht hat, die weitere Zersplitterung Spielpläne der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga der nächsten Saison: In der Bundesliga gibt es je ein Spiel am Samstag um 18.30 und am Sonntag um 15.30 Uhr. Das Samstagsspiel kollidiert mit der Sportschau und damit einhergehend mit den Interessen der Sponsoren, denen die Reichweite durch die Sportschau wichtig ist. Das frühe Sonntagsspiel findet nahezu zeitgleich mit vielen Amateurfußballspielen statt. Was sagt eigentlich Egidius Braun dazu, der sich als amateurfußballfreundlicher DFB-Präsident vehement für den Bundesliga-freien Sonntag einsetzte?

Und so spricht Brauns Nachfolger in der Welt am Sonntag heute über mögliche Finanzausgleiche für Amateurvereine: „Wird der Nachweis zweifelsfrei erbracht, sind für betroffene Vereine Ausgleichssysteme denkbar.“ Der Nachweis rückgängiger Zuschauerzahlen wird vielleicht gar nicht so schwer anzutreten sein. Doch ob diesen Worten jemals Taten folgen? Zwanziger gesteht immerhin: „Ich kann die Kritik am Sonntagsspiel um 15.30 Uhr nachvollziehen. Für das Miteinander zwischen Spitzen- und Breitensport muss man aber Verständnis für die andere Seite haben.“ Dieser Kampf um Zuschauer und (letztlich) Geld ist ein politisches Problem, der Amateurfußball hat im Gegensatz zu den Profis keine Stimme mit Gewicht – und wird sich daher mit wohlfeilen Reden begnügen müssen.

Doch man muss genauer sein, denn auch die Zweite Liga hat zurückzutreten, wenn es um die Maximierung von TV-Geld geht. Ab der nächsten Saison wird samstags um 13, sonntags um 13.30 Uhr angepfiffen. Für Fans ein Graus, weswegen sich viele der Initiative Kein Kick vor Zwei angeschlossen haben. Dort heißt es:

„Vor drei Jahren wurden Zweitligaspiele noch sonntags um 15 und freitags um 20 Uhr angepfiffen. Seitdem haben sich die Terminierungen rasant in Richtung Mittag entwickelt, nun sind wir schon bei 13 Uhr und 13.30 Uhr, zudem in englischen Wochen wochentags um 17.30 Uhr. Das ist für auswärtige Fans nicht mehr zu machen, wenn nicht ein erheblicher Teil des Jahresurlaubs aufgewendet wird. Und es ist zu erwarten, dass diese Änderungen, einmal in der Zweiten Liga eingeführt, im nächsten Schritt auch in der Bundesliga angewendet werden.“

Doch die Mahnungen bleiben wohl zunächst ungehört.

Anderes Beispiel, auf das mich Ingrid in den Kommentaren und einige User per Mail aufmerksam machen: Der DFB hat das Regionalliganachholspiel Altona FC gegen den 1. FC Magdeburg auf Mittwoch, den 3. Dezember, 14 Uhr verlegt, weil das Stadion „Hoheluft“ nicht über fernsehtaugliches Flutlicht verfügt. Dem AFC dürften immense Zuschauereinnahmen flöten gehen – denn welches Team bringt schon so viele Fans wie Magdeburg mit? Die Website ringfahndung.de nennt diese Entscheidung einen „Frontalangriff auf den Amateurfußball“. Wenn es den Klub trösten sollte, vielleicht schau ich am Mittwoch mal rein.

Einen guten aufklärerischen Beitrag über die basisfeindliche Fußballpolitik lesen wir von Thomas Haid in der Stuttgarter Zeitung; er nennt die Verlierer des neuen Spielplans, also alle unterhalb der Bundesliga:

„Schon die Zweite Liga leidet massiv unter dem Modell, das samstags und sonntags einen Spielbeginn um 13 Uhr und um 13.30 Uhr vorsieht – also zu einer völlig familienunfreundlichen und Sportarten-untypischen Anstoßzeit. Wahrscheinlich hätte die DFL auch einem Anpfiff um 10 Uhr zugestimmt, wenn ein Sender dafür noch mal in die Tasche gegriffen hätte. Noch härter trifft es den Amateurbereich, für den bisher der Sonntagmittag (15 Uhr) als exklusiver Spieltermin reserviert war. Nun hat die DFL diese heilige Kuh geschlachtet, obwohl viele Klubs in den niedrigeren Regionen bereits über einen Zuschauerschwund klagen und ums Überleben kämpfen.“

Weiter heißt es:

„Den Amateuren fehlt die Lobby. Der für sie zuständige DFB besitzt offensichtlich keinen Einfluss mehr bei der DFL. So hat Theo Zwanziger in den vergangenen Wochen nicht einmal richtig protestiert, um angesichts des sich abzeichnenden Szenarios die Rechte seiner Amateure zu schützen.“

22 Kommentare

  1. Frittenmeister schrieb am 30. November 2008:

    Es zählt doch nur noch das Geld…Fans sind nebensächlich! Schade eigentlich…

  2. Sebastian schrieb am 30. November 2008:

    Die Entscheidungen sprechen für sich und müssen nicht mehr bewertet werden. Ist schon klar, was diese Rechtevergabe für die dritte und vierte Liga und deren Fernsehpräsenz bedeuten wird? Ich habe gerüchteweise gehört, dass die dritte Liga (Premiumprodukt des DFB…) zugunsten der Regionalliga bei den TV-Geldern behandelt werden soll, damit die dritte Liga auch die ursprünglich versprochene Summe erhalten soll. Also eine Umverteilung von unten nach oben.
    Und wird es noch eine Berichterstattung über die dritte Liga in der Sportschau geben? Oder fällt das zugunsten der zwei Zweitligaspiele weg? Wäre toll, wenn Ihr Antworten und vielleicht auch Belege dafür habt. Sind momentan einfach zuviele Gerüchte unterwegs.

  3. Arne schrieb am 30. November 2008:

    Kürzlich wurde in der Regionalliga Nord auch Holstein Kiel vs. Babelsberg an einem Mittwoch um 15 Uhr nachgeholt. Und dass als Spitzenspiel Erster gg. Zweiter! Als zuschauerfreundlich kann so etwas wohl kaum beteichnet werden…

  4. ring2 schrieb am 30. November 2008:

    13:30 Uhr? Ohne uns!

  5. Dülp schrieb am 30. November 2008:

    Ich hatte bereits im Mai, als die DFL die neuen Pläne vorgestellt hat, darauf hingewiesen, dass auch und vor allem die Stadtteil- und Ortsvereine unter dem neuen Spielplan leiden würden. In meiner 15-jährigen Kreisliga-Karriere habe ich bereits einen erheblichen Zuschauerschwund miterleben dürfen. Das liegt vor allem daran, dass die alten Säcke, die wie selbstverständlich ihren Verein in der Nachbarschaft anschauen, langsam wegsterben, während von der jungen Generation nichts nachrückt. Aber dass die DFL mit dem offensichtlichen Segen des DFB diese Entwicklung noch erheblich forciert, ist eine Sauerei. Ebenso die Behandlung der zweiten und dritten Liga. Was wir erleben, ist der Todestoß für die bisher so gefeierte beste zweite Liga der Welt und das gerade neu gegründte Projekt dritte Liga, eine Kampfansage an die Fans dieser Vereine nur für ein paar Millionen mehr, die am Ende des Tages nicht mehr reinkommen, wenn es außer der ersten Liga nichts mehr gibt.

  6. ring2 schrieb am 1. Dezember 2008:

    Letzlich haben es die Vereine selbst in der Hand. Immerhin ist der DfB *ihr* Verband. Der Amateurfußball ist der Lebensnerv des deutschen Fußballs, wer den abschneidet für den kurzen Profit, der füttert eine Blase, die verbraucht ohne zu säen.

  7. Altona 93 - Spielverlegung in die Bedeutungslosigkeit | fussball lebt schrieb am 1. Dezember 2008:

    […] Basisferne Fußballpolitik Von: elbschaeng | Dezember 1, 2008 | abgelegt unter magische […]

  8. sandberg schrieb am 1. Dezember 2008:

    Die Zweitligavereine werden im Vorfeld der Chose der DFL ein Mandat gegeben haben, das Ergebnisse wie dieses gewiss nicht ausschloß – insofern von der zweiten Liga als Verlierer zu sprechen ist aberwitzig.

  9. Oliver Fritsch schrieb am 1. Dezember 2008:

    Simmt schon, man muss unterscheiden zwischen Fans und Klubs. Dennoch denke ich, dass diese Entwicklung der Zweiten Liga insgesamt auf Dauer schaden kann.

    So weit ich weiß, hat nur St. Pauli dagegen gestimmt.

  10. kurtspaeter schrieb am 1. Dezember 2008:

    Altona 93 ist nicht alleine mit sensationellen Anstoßzeiten, aufegzwungen vom DFB.
    Holstein Kiel gegen Chemnitzer FC Anfang Oktober an einem Mittwoch um 16:30 Uhr und das Regionalliga-Spitzenspiel Holstein Kiel gegen Babelsberg, damals wie heute Tabellenplatz 1 und 2, fand am Mittwoch, dem 29.10. um 15 Uhr statt. Absurd, aber so ist es.

  11. Sebastian schrieb am 1. Dezember 2008:

    Moin,
    wollte nur drauf hinweisen, dass 230 Eintracht-Fans am Samstag in Bremen ohne ersichtlichen Grund 7h lang (!) in „Verhinderungsgewahrsam“ genommen wurden. Grund dafür war wohl ein Böller und der Verdacht auf Randal-Bereitschaft. Wohlgemerkt: der Verdacht! Knüppel und Pfefferspray kamen dabei auch gegen Frauen und Kinder zum Einsatz. ARD und ZDF haben sich in der Berichterstattung fein an die polizeiliche Darstellung gehalten. Wer mehr wissen will:

    http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/eintracht_frankfurt/1638236_Sieben-Stunden-Knast.html

    http://www.rhein-main.net/sixcms/detail.php/rmn01.c.5351386.de

  12. Ingrid schrieb am 1. Dezember 2008:

    Zum Thema Fernsehgelder 3.Liga/4.Liga gibt es hier einige Diskussionen:
    http://www.diefussballecke.de/kloenecke/showthread.php?tid=310&page=1

  13. Oliver Fritsch schrieb am 1. Dezember 2008:

    Die Frankfurter Rundschau nimmt ihre Arbeit ernst:

    http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/aktuell/1639034_Die-Vereine-fuehlen-sich-bedroht.html

    http://www.fr-online.de/in_und_ausland/sport/aktuell/1639035_Die-Spieler-bleiben-weg-nicht-die-Zuschauer.html

  14. Safftis Spottplatz » Krümel vom Milliarden-Kuchen | schrieb am 2. Dezember 2008:

    […] Basisferne Fußball-Politik  […]

  15. rmartens schrieb am 2. Dezember 2008:

    Folgende Frage stellt sich: Gelingt es den Funktionären der besonders betroffenen beziehungsweise bedrohten Halbprofi- und Amateurvereine, eine nennenswerte Front gegen die verantwortlichen DFB-Oberen zu bilden? Bekommen die als nicht aufmüpfig geltenden Herren also ihren verlängerten Rücken hoch? Wenn die ein paar Jahre jünger wären, gäbe es wahrscheinlich längst eine Art DFB-Opferblog mit dem Titel Deutsche Amateur-Liga o.s.ä. Was das Spiel AFC – Magdeburg angeht: Bin gespannt, ob außer Oliver noch ein paar mehr Leute aus im weiteren Sinne solidarischen Gründen kommen.

  16. Ingrid schrieb am 3. Dezember 2008:

    Vielleicht sollte Oliver vor Ort gleich mal die Verantwortlichen der beiden Vereinen interviewen betr. Festlegung des Nachholtermins durch den DFB und dann darüber einen Bericht schreiben: hier und in der Zeit-online.

  17. Ingrid schrieb am 3. Dezember 2008:

    @ Oliver, falls Du zum Spiel Altona – FCM gehst, habe ich eine Bitte an Dich (siehe Mail). Ich schreibe nur hier, falls Du die Mail vorher nicht liest.

  18. Ingrid schrieb am 3. Dezember 2008:

    Aus dem Liveticker zum Spiel:
    Vor dem Spiel
    Trotz schwieriger Bedingungen – Schneegestöber, 5 cm Schnee auf dem Platz – findet die Partie statt
    5. Minute / Spielstand 0:0
    Etwa 450 Zuschauer sind dabei, darunter 300 Magdeburger. Das Schneetreiben nimmt zu
    37. Minute / Spielstand 0:0
    Die Begegnung leidet jetzt doch eindeutig unter den Bedingungen. Es gibt vor allem viele Ecken
    Halbzeit / Spielstand 0:0
    Fazit:Bei fast irregulären Bedingungen hat der FCM deutlich mehr vom Spiel

    http://www.mdr.de/www3/sport/ergebnisse/xinhalt_fussball_live.html

    Da hätte das Spiel dann evtl. Samstag unter gleichen sportlichen Bedingungen, aber unter größerem Zuschauerzuspruch stattfinden können.
    Da kann man ja nur froh sein, wenn die Spielansetzung nicht vom DFB abhängt.

  19. Ingrid schrieb am 3. Dezember 2008:

    Zur Richtigstellung: Es waren doch 635 Zuschauer lt. Ticker und ging 0:0 aus.
    Aus dem MDR-Bericht:
    In der ersten Halbzeit prägte heftiger Schneefall die Partie. Die Bedingungen waren hart an der Grenze zum Zufallskick.
    Ich dachte heute nacht schon, als es bei uns anfing zu schneien, dass das Spiel evtl. ausfällt und viele Magdeburger hätten sich extra dafür Urlaub genommen.
    Vielleicht sollte sich der DFB auch dazu Gedanken machen.

  20. Oliver Fritsch schrieb am 4. Dezember 2008:

    Ich habs leider nicht an die Hoheluft geschafft. 14 Uhr ist wirklich ne schlechte Zeit. Beim nächsten mal, denn ich suche noch nach (m)einem Hamburger Verein.

  21. madcynic schrieb am 5. Dezember 2008:

    Gerüchteweise soll der Herr Referee am Tag zuvor schon ein Spiel geleitet haben und lediglich zum Klamottenwechseln zu Haus gewesen sein. Da fehlt dan vermutlich auch die Lust, die Partie abzusagen und unverrichteter Dinge wieder nach Berlin zurückzufahren. Dass er neben der fragwürdigen Bewertung der Bespielbarkeit (hafo.de schreibt: „Wenn er diese Meinung [dass gespielt werden kann]im Ernst vertreten hat, kann die Platzbesichtigung nicht an der Hoheluft stattgefunden haben.“) auch eine schwache Leistung abgeliefert hat, mit drei aberkannten Toren, davon zumindest eins definitiv zu Unrecht, einem nicht gegebenen Elfmeter (alles zum Nachteil der Gäste) und einer nur mit Gelb bestraften Notbremse (zum Nachteil des Gastgebers), entschuldigt allerdings auch diese Tatsache (die ich derzeit noch nicht belegt gefunden habe) nicht.

  22. Krümel vom Milliarden-Kuchen « Safftis Spottplatz schrieb am 27. November 2009:

    […] Basisferne Fußball-Politik […]

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