Palästina-Demonstration gegen die Spielordnung
von Günter ClobesIn der Berichterstattung über Israels Feldzug im Gazastreifen ging es bislang hauptsächlich um die kriegerischen Aktionen dort, um Tote und Verletzte und um die weltweite Empörung gegen diese Aggression. Dass die aber nicht nur hunderttausendfach auf der Straße geäußert wurde, sondern auch auf Europas Fußballfeldern, blieb ein wenig unbeachtet.
Spektakulärster Fall mit Folgen war in Spanien der von Kanouté, malischer Nationalspieler bei FC Sevilla. Er wurde mit einer Strafe von 3.000 Euro belegt, weil er bei seinem Torjubel im Pokalspiel gegen La Coruña ein T-Shirt unter dem Trikot zeigte, das in mehreren Sprachen das Wort „Palästina“ zeigte. Der spanische Fußballverband sah darin einen Verstoß gegen den Artikel 120 seiner Spielordnung, der jegliche Werbung (also auch politische Äußerungen) in Wort oder Bild bei Strafe verbietet. Das Vergehen wird im übrigen mit einem „schweren Foul“ auf eine Stufe gestellt. Ähnlich sieht das übrigens auch die Fifa, die solche Aktionen auch sanktioniert.
Gut, dann hat Kanouté wohl gegen diese Regel verstoßen – so weit, so schlecht. Dass er aber die gleiche Summe an Strafgeld zu bezahlen hat wie etwa, um in Spanien zu bleiben, Espanyol Barcelona dafür, dass seine Fans bengalische Feuer aufs Spielfeld geworfen haben, oder Betis Sevilla für „Fans“, die sogar Nazi-Symbole zeigten, hinterlässt schon einen sehr, sehr merkwürdigen Geschmack (von Atletico Madrids Anhängern und ihren Schneebällen gegen Bilbaos Torhüter einmal abgesehen, was mit lediglich 600 Euro geahndet wurde).
Apropos, wo wir gerade dabei sind: Hat jemand schon mal gehört, dass etwa Kaka und seine anderen missionswütigen Kollegen für ihre Jesus-Werbung auf den Unterziehleibchen ebenfalls belangt worden sind?
Tobias Singer schrieb am 16. Januar 2009:
Das mit den politischen Aussagen ist so eine Sache. Eigentlich finde ich es Quatsch, eine Geldstrafe zu verhängen, nur weil jemand das Wort „Palästina“ auf dem Hemd stehen hat. Wäre nur schwer eine sinnvolle Grenze zu ziehen, denn wirkliche politische Propaganda will ich auf dem Fußballplatz auch nicht sehen. Aber so müsste die Jesus-Werbung eigentlich auch bestraft werden, auch wenn ich das nicht befürworte.
Und: Ganz schön absurd, dass in einem von Werbung durchzogenen Sport wie Fußball die Spielordnung „jegliche Werbung“ verbietet…
Enno schrieb am 16. Januar 2009:
Also zumindest in der Bundesliga sind die Jesus-Shirts (Lucio und Konsorten…) mittlerweile auch untersagt und werden mit Geldstrafe geahndet. Wie das in Italien aussieht, weiß ich allerdings nicht.
@Tobias: Das ist nicht absurd, sondern unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten konsequent. Das allerdings zeigt, wie weit es mit dem Fußball gekommen ist.
Mal von dem konkreten Fall abgesehen, muss man sich tatsächlich Fragen, ob es in einer Individualisten-Gesellschaft sinnvoll sein würde, den Spielern eine Plattform für ihre eigenen Süppchen zu bieten. Was müssten wir uns dann Spieltag für Spieltag anschauen?
Die ganzen Bussis und Babys wären ja vielleicht noch amüsant. Aber auf dem Fußball-Feld gibt es genug politische Hardliner (z.B. Pantelic), die dann zu jeder sich bietenden Möglichkeit ihr Statement ablassen. Das wäre dann doch etwas zu viel, denke ich. Fußball ist zwar immer auch politisch, aber man muss Grenzen setzen, weil Sport sonst nicht mehr erträglich wäre.
gclobes schrieb am 16. Januar 2009:
Im wesentlichen geht es ja um die bigotte Haltung der Fußballverbände. Auf der einen Seite werden Spieler für persönliche Statements bestraft, auf der anderen Seite werden dann vom Verband selbst solche Wohlfühlkampagnen initiiert wie „Sag nein zum Rassismus“. Nur wenn es dann Rassismus im Stadion gibt, will es entweder keiner gesehen haben und oder im Zweifelsfall werden die Vereine in die Pflicht genommen. Das betrifft dann übrigens die Handlungen von Fans genauso wie solche Spieler-Hardliner in Italien, die mit „römischen Gruß“ eindeutig faschistische Haltungen demonstrieren. Auch da könnten sich dann eigentlich Verband oder Vereine mal überlegen, die entsprechenden Spieler wie Signore di Canio von Lazio sehr viel deutlicher zu bestrafen. Warum z.B. setzt Lazio da als Verein nicht mal ein Zeichen?
McP schrieb am 17. Januar 2009:
Letztlich macht es doch keinen Unterschied, ob jemand Nazi-Symbole oder Mohammed-Karikaturen zeigt oder für Israel wirbt oder für „Palästina“ oder für die Mönche in Tibet oder gegen die Mönche in Tibet oder gegen George W. oder, oder, oder. Das sind alles Demonstrationen und Provokationen, die mit dem Spiel nichts zu tun haben und zu Recht nicht gewünscht sind und geahndet werden. Mit den religiösen Botschaften verhält es sich auch nicht anders. Warum dabei jetzt ein sehr, sehr merkwürdiger Geschmack aufkommen soll, verstehe ich nicht. Oder soll es im Ausland härtere Strafen für Provokationen geben, die z.B. wir Deutsche als besonders schlimm erachten?
Kraelinho schrieb am 17. Januar 2009:
Einen Zusammenhang zwischen Palästina und Jesus sehe ich hier nicht.
Im Falle Palästina geht es doch vorrangig um einen Konflikt mit Israel, der mittels Religion instrumentalisiert wird, obwohl territoriale bzw. machtpolitische Ursachen dahinterstehen.
Die Shirts in Verbindung mit Jesus drücken doch eher einen religiösen Glauben aus. Man schlägt sich doch nicht auf igendeine Seite, um der anderen zu zeigen, dass man gegen sie ist.
Die einzige Verbindung zwischen diesen nicht zusammengehörenden Themen besteht im Handeln der Personen. Die Spieler handeln mit klarer Intention, aber aus unterschiedlichen Gründen und in einem unterschiedlichen Kontext
@McP: Du vertrittst aber eine krass relativierende Haltung, wenn du sagst, dass Nazi-Symbole keinen Unterschied zu Parteinahme einer Kriegspartei oder Blasphemie machen. Ich finde schon, dass die zur Schaustellung von Nazi-Symbolen eine andere Dimension besitzen, als die von dir aufgezählten „Sachen“