Bernd Hoffmann zwischen Selbstbewusstsein und Skepsis
von Oliver FritschIch hab mich vorgestern mit Bernd Hoffmann in einem Café in Hamburg getroffen. Wie groß ist seine Furcht, den Job zu verlieren, wenn morgen tatsächlich die vier Supporters-Kandidaten (oder drei der vier) in den Aufsichtsrat gewählt werden sollten? Wie wertschätzt er, der Geschäftsmann und Macher, die Vereinsstruktur des HSV, und ihre basisdemokratischen Elemente? Ist Hoffmann tatsächlich das Gegenstück zu einem Fußballfan? Der Spiegel hat in seiner langen Story den Eindruck erweckt, als würde Hoffmann bei Toren mit dem HSV das Champagner-Glas erheben, und die Leute, die neben ihm im Stadion sitzen, mit den Juwelen klimpern. Wie weit will er die „Kommerzialisierung“ des Fußballs noch vorantreiben?
Eine Stunde Zeit hat er, mehr als ursprünglich vereinbart. Doch kein Interview heißt es. „Wir haben bislang kein Interview zu dem Thema gegeben und wollen nun keine Ausnahme machen.“ Am besten gar kein Wortlaut. Also meinetwegen. Offen und gesprächig ist er. Ich hatte ja an dieser Stelle ein Interview angekündigt. Ein Missverständnis. Oder: mein Fehler.
Hoffmann will keinen Zweifel an sich und seiner Arbeit aufkommen lassen, weiß aber natürlich um seine Situation und was morgen für ihn auf dem Spiel stehen könnte. Vielleicht nicht unbedingt sein Job, aber das Tagesgeschäft könnte ihm erschwert werden. Eine Bewertung der Supporters-Kandidaten scheut er, über sie lässt er kein schlechtes Wort fallen. Dass es Leute im Verein gibt, die eine andere Führung wollen, sei ihm klar. Und schiebt nach, dass er diese nicht mit den Supporters gleichgesetzt wissen will. Manfred Ertels Aussage in der SZ („Hoffmanns Job wird schwerer“) hat er gelesen. Ihm gegenüber hegt er Skepsis. Sergej Barbarez sei übrigens nicht Hoffmanns Kandidat.
Stolz ist er auf seine Bilanzen: sportlich, bis auf eine kurze Talfahrt vor zwei Jahren, konstant gut; wirtschaftlich gesund, gerade erst wurde Nigel de Jong weit über Marktwert verkauft; das Stadion ist voll; die Reputation in der Stadt sei gestiegen. Dieses Selbstbewusstsein spricht aus ihm in jedem Satz, in jedem Blick. Klar ist ihm, dass er wenig Bonus hat. Als der HSV im Winter 2006/2007 auf dem letzten Tabellenplatz stand, hat die Lokalpresse seinen Kopf gefordert.
97 € für ein Bundesliga-Ticket hat der HSV beim Heimspiel gegen Werder Bremen im November verlangt, zumindest für ein Kontingent von etwa tausend Plätzen. Wie weit kann man an dieser Spirale noch drehen? Dass das in der Öffentlichkeit das Bild vom Business-Hoffmann bestätigt, dürfte er gelernt haben. Hätte man natürlich vorher wissen können. Die Kritiker weist er darauf hin, dass der Klub die Preise für Spiele in der Woche reduziere, etwa in nationalen oder internationalen Pokalwettbewerben.
Ein eingetragener Verein macht neunstellige Umsätze im Jahr – das wertet Bernd Hoffmann als Anachronismus. Strukturen würde er gerne modernisieren, weiß aber, dass er in Hamburg keine Chance hätte, das umzusetzen. Vermutlich ist er einer der größten Gegner der 50+1-Regel, aber er könnte derjenige sein, der am wenigsten von ihrer Abschaffung profitierte. Rahmenbedingungen macht er nicht für alles verantwortlich: Dass sein HSV vor drei Jahren gegen Rapid Bukarest aus dem Uefa-Pokal ausgeschieden ist, habe nichts mit fehlenden Investoren zu tun.
In der Kritik steht Hoffmann, weil er dem Sportchef der Hamburger Bild-Zeitung zum 60. Geburtstag eine Uhr im Wert von über 1.000 € geschenkt hat. Hat er sich das Wohlwollen der Redaktion gekauft? Die Bild-Zeitung teilte oft kräftig gegen ihn aus, inzwischen bekommen es die Hoffmann-Gegner aus dem Supporters-Lager ab. Hoffmann bestreitet einen Zusammenhang, und er bestreitet einen Hintergedanken. Es sei üblich, sich bei langjährigen Partnern wie Sponsoren und Journalisten mit einer Nettigkeit zu bedanken. Wie konkret üblich, sagt er auch auf Nachfrage nicht. Dass er Journalisten als Partner und in einem Atemzug mit Sponsoren nennt, enthüllt ein fragliches Bild von Journalisten. Aber es ist ein Zustand, den Hoffmann nicht zu verantworten hat, sondern die Wir-sitzen-alle-in-einem-Boot-Anhänger. Als Journalist hat man Geschenke nicht anzunehmen.
Kann man Hoffmann, den Mann, der die Raute angeblich nicht im Herzen trägt, auf dem falschen Fuß erwischen? „Können Sie mir die Elf von Athen 83 nennen?“ HSV-Fan ist er ja nicht seit seiner Kindheit. Hat er aber auch nie behauptet. Immerhin acht kriegt er aber zusammen. Und ich muss ehrlich sein: Mir hat auch einer gefehlt: Bastrup. Ich hatte von Heesen auf der Rechnung, der wurde aber eingewechselt.
Ich bin den Antworten ein Stück nähergekommen. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Eine Frage bleibt: Wie weit würde Hoffmann gehen, wenn er unkontrolliert tun und lassen könnte, wie er wollte? Und natürlich auch: Wie weit werden seine neuen Kontrolleure gehen?
Nachzulesen auch auf Zeit Online, für deren Redaktion ich arbeite. Ich versuche heute ab etwa 10 Uhr, die Eindrücke von der Aufsichtsratswahl live für Zeit Online Sport zu twittern.
Allein gegen die BILD | Blog für den kritischen Fußballfreund | direkter-freistoss.de … schrieb am 25. Januar 2009:
[…] Weiter: Zum ganzen Artikel […]
nedfuller schrieb am 27. Januar 2009:
Mein Bild von Herrn Hoffmann hat sich nach dem Lesen des Artikels und nach der Mitgliederversammlung bestätigt:
Toller Mann und gut für den HSV! Er hat begriffen, daß wir ein e.V. sind und keine GmbH. Der Breitensport wird auch weiter seine Basis im HSV haben.
Und wenn über 4000 Mitglieder dem Vorstand durch die Wahl des AR den Rücken stärkt, ist das ein klasse Bild!