Warum englische Fußballbücher müde machen
von Günter ClobesUrlaubszeit – Lesezeit, endlich schmökern, ohne auf die Uhr zu achten. Das heißt also auch: alle ungelesenen Fußballbücher vom Nachttisch in den Koffer und ab geht’s. Für mich war das ganze dieses Jahr allerdings eine eher enttäuschende Sache.
Auf Anraten eines anderen Fußballnerds, der ganz hin und weg schien, hatte ich eine ziemliche Vorfreude auf Colin Irwin und sein „Sing When You’re Winning – Großbritanniens Fußballfans, ihre Songs und eine Suche nach der Seele des Spiels“ sowie auf Barrie Stradlings „Millwall – For Life“. Während, vor allem aber nach der Lektüre stellte sich allerdings eine deutliche Ernüchterung ein. Mehr noch: Mich erinnerte das alles an mein Unbehagen, das ich damals beim Lesen von Nick Hornbys Bibel „Fever Pitch“ schon hatte.
Irgendwie scheinen englische Autoren zu meinen, man müsste nur eine sehr persönliche Annäherung ans Thema Fußball finden, und schon wäre die Sache geritzt. Die literarische Versuchsanordnung und Textur ist gleich: quasireligiöse Hingebung hier (Hornby), Submillieus, sprich: Fußballsongs (Irwin) oder Krawallpriester (Stradling) dort. Steile Ansätze, hypergroße Subjektivität und bemühte, scheinwitzige Provokationen – alles steht im Dienste einer Fußballidee, die hier eher an Religion gemahnt denn an Sport. Stilistisch gibt es trotz aller subjektiv-persönlichen Ansätze ebenfalls wenig Originäres. Man ist so schräg wie möglich, aber selbst der bemühte britische Humor nutzt sich sehr schnell ab, weil er vorhersehbar ist.
Diese Ähnlichkeiten in der Anlage der Bücher macht die Lektüre auf Dauer langweilig, denn bald ist klar, wohin die Reise geht: Letztlich versuchen die Autoren sich und vor allem ihre Sichtweise zu überhöhen, obwohl sie nicht mehr als beschreibend ist. Selbst Hornbys „Fever Pitch“ ist eher die Auseinandersetzung mit der Befindlichkeit eines Süchtigen, der von der Droge Arsenal nicht loskommt – und genau genommen eigentlich eine Story des Coming of Age. Stark verkürzt betrachtet, reduzieren sich seine Auslassungen über Fußballspiele auf gewinnen und verlieren und warum letzteres nicht sein darf.
Der Lesegewinn bei dieser Art von Büchern wird immer geringer, weil sie so ähnlich sind. Das zu fühlen stellt für mich die Entwicklung der hoch gelobten britischen Fußballpublizistik in Frage. Zu beobachten ist nämlich, dass zu viele Verlage und zu viele Autoren auf den Zug aufzuspringen versuchen, der sich mit der zunehmenden Akzeptanz des Fußballs in allen Milieus und Schichten in Bewegung gesetzt hat. Diese Form der Selbstkannibalisierung (und vor allem Umdeutung des Fan-Seins) lässt mich allerdings mehr und mehr müde gähnend zurück.
manu schrieb am 22. Juli 2009:
oh ja von den genannten habe ich nur fever pitch gelesen, auch weil ich andere bücher hornbys eigentlich rech ansprechend fand – wurde aber serh enttäuscht. ich ha das buch nach zwei dritteln weggelegt
Kalle der Laie schrieb am 22. Juli 2009:
„Stark verkürzt betrachtet, reduzieren sich seine Auslassungen über Fußballspiele auf gewinnen und verlieren und warum letzteres nicht sein darf.“
Da haben Sie leider einiges missverstanden, Herr Clobes.
Rundes Leder Brausendienst 30/09 | «Zum Runden Leder» schrieb am 27. Juli 2009:
[…] Sie die Koffer packen und an einen südländischen Strand verreisen, nehmen Sie mit Vorteil die englischen Fussballbücher wieder aus und ersetzen sie durch etwas anderes. Das raten jedenfalls die Literaturkritiker vom […]
politcal correcter schrieb am 1. August 2009:
Wo einer so überwältigenden Erfolg hatte (wie Hornby), schwimmen die Nachahmer natürlich hinterher, und besser wird die Kopie ja selten als ihr Original. Es gab, meine ich mich zu entsinnen, ja auch in Deutschland mit so einem Gladbacher Fanbuch den Versuch, Hornby auf Deutsch zu machen – und auch da kam wohl nur ein grandioses Scheitern raus.
Was mich daher interessieren würde: Gab es denn, gibt es denn Fußballbücher, die Sie – die irgendwer hier – empfehlen könnten?
Ich kann nur „Brot und Spiele“ von Siegfried Lenz empfehlen. Aber da wird mehr gelaufen als Fußball gespielt.