Gegen Schalke haben wir keine Chance!
von Oliver FritschIn zwei Wochen beginnt die neue Fußballsaison. Und zwar die erste, in der ein Bundesligaspiel während der Kernzeit des Amateurfußballs ausgetragen wird, nämlich sonntags um 15.30. Darüber gab es in der vorigen Spielzeit Auseinandersetzungen zwischen der Basis und dem DFB. Keimzelle des Protests war der Gelsenkirchener Fußballkreis 12 unter Führung von Reiner Grundmann (SC Schaffrath) und Norbert Bauer (SSV Buer), beides seit Jahren ehrenamtliche Vorsitzende von Vereinen, die in Spucknähe zum Schalker Stadion liegen – und die viele Schalke-Fans und -Dauerkartenbesitzer in ihren Mannschaften und Vorständen sowie unter ihren Mitgliedern zählen.
Doch sie scheiterten mit ihrem Plan, den Sonntag bis 17.30 Uhr bundesligafrei zu halten. Am 24. April beschlossen die Delegierten des DFB-Bundestags in Düsseldorf den neuen Bundesliga-Spielplan mit einem Wahlergebnis, das der SED den Neid ins Gesicht getrieben hätte. Die Folgen sind noch nicht absehbar, zumal einige Vereine bereits unter der bisherigen Situation zu leiden hatten.
Um dies zu illustrieren, ein Blick zurück: Am Sonntag, den 10. Mai 2009, spielte Schalke 04 in Mönchengladbach (17 Uhr), der SC Schaffrath empfing den VfL Grafenwald (15 Uhr). Nach Schaffrath kamen nach Angaben Grundmanns 22 zahlende Zuschauer, der Durchschnitt in dieser Saison liege bei rund 60. Die Einnahmen durch Tickets konnten nicht einmal die beiden Schiedsrichterrechnungen (inklusive Vorspiel der Reserveteams) decken. 46 € Haben (12 Nichtmitglieder à 3 Euro plus 10 Mitglieder à 1 Euro) stehen 54 € Fahrtkosten für die Referees gegenüber.
Insgesamt verzeichne der Verein einen Zuschauerrückgang von rund 50 Prozent innerhalb der vergangenen drei Jahre, also seit die Bundesliga-Sonntagsspiele von 17.30 auf 17 Uhr vorverlegt worden sind. Das liegt wohl nicht nur an der Bundesliga, doch zu einem Gutteil. Der Amateurfußball habe generell gegen den Profifußball verloren, ergänzt Grundmann: „Gegen Schalke haben wir keine Chance.“
Um den Rückgang der Einnahmen auszugleichen, hat der SC Schaffrath seine Monatsbeiträge Anfang dieses Jahres von 5 auf 6 Euro erhöhen müssen. Es ist möglich, dass Mitglieder aus dem Verein austreten werden. „Ob uns die Beitragserhöhung Mitglieder kostet, ist nicht auszuschließen“, sagt Grundmann. Durch das fünfzigjährige Jubiläum im Juni konnte der Verein die Vereinskasse etwas aufbessern. Doch das nächste Jubiläum wird erst in zehn Jahren stattfinden. „Und ein Vereinsleben nach dem Abpfiff gibt es schon jetzt nicht mehr, da schauen alle Bundesliga.“ Das ist eine ökonomische Frage. Die dritte Halbzeit ist aber auch ein Stück Fußballkulturgut.
„Wir leben von der Hand in den Mund“, klagt Grundmann. „Was wird erst los sein, wenn die Bundesliga um 15.30 Uhr angepfiffen wird? Wenn Schalke spielt, können wir unser Spiel absagen.“ Ob es für die Amateure denkbar sei, an anderen Tagen zu spielen? Schwierig, entgegnet Grundmann. Freitags und samstags sind auch Bundesliga-Spiele, und unter der Woche müssen viele Spieler arbeiten. Lapidar spricht er sein bitteres Fazit aus: „Es kann sein, dass der SC Schaffrath in den nächsten Jahren den Spielbetrieb einstellen muss.“
Dass der Amateurfußball in den Leitmedien keine Lobby hat, dürfte auch nicht überraschen. Hier moniert der Blogger Dülp zurecht, wie genau es der kicker mit der Mathematik nimmt, wenn er auf die Kreisliga zu sprechen kommt. (Addendum: Der kicker-Chefredakteur war mal Pressechef beim DFB.) Ich werde hier und vor allem im Hartplatzhelden-Blog den Werde- (hoffentlich nicht Nieder)gang des SC begleiten.
dogfood schrieb am 23. Juli 2009:
Ich gebe zu, das ich bzgl. des Amateurfußballs recht ahnungslos bin. Aber als Außenstehender ist es für mich kein kraftvolles Zeichen einer Argumentation, wenn in der Causa Spielplangestaltung in Zeitungen und Fernsehen permanent und nahezu ausschließlich Schaffrath und Buer als Beleg herangezogen werden.
Wenn es Medien oder dem Amateurfußball auch nach einem halben Jahr nicht gelingt, mehr Protagonisten und mehr Belege zu finden, wirkt die Feststellung dass es eine Krise gibt, für mich nicht glaubwürdig.
In diesem Sinne dürfte eine nochmalige Beschreibung der Probleme von Schaffrath der Sache nicht weiterhelfen. Wenn dies ein so grundsätzliches Problem gibt, müssten sich noch viel mehr Vereine finden lassen, bei denen eine Korrelation zwischen (wirtschaftlicher) Niedergang und Bundesliga-Spielplan finden lässt.
Oliver Fritsch schrieb am 23. Juli 2009:
Nun, dogfood, selbst wenn es nur einen einzigen Verein treffen sollte, ist das eine Berichterstattung wert. Aber ich verstehe Deinen Kommentar als Auftrag (den ich mir ohnehin schon selbst erteilt habe).
Außerdem war für mich das Ausmaß des Zuschauerrückgangs nicht klar. Ich glaube, so konkrete Zahlen (22 statt 60) waren noch nirgends zu lesen. Ob das alles mit dem Spielplan zu tun hat und welche Versäumnisse sich der Amateurfußball selbst vorzuwerfen hat – das sind noch mal andere Fragen.
spielfeldrand's status on Thursday, 23-Jul-09 08:17:37 UTC - Identi.ca schrieb am 23. Juli 2009:
[…] Linktipp: Gegen Schalke haben wir keine Chance! http://www.direkter-freistoss.de/2009/07/23/dfb-dfl-bundesliga-spielplan-amateurfussball/ […]
VaBene schrieb am 23. Juli 2009:
Für mich als aktiver Spieler besteht noch eine zweite Problematik. Ich würde mir z.B. gerne das Spiel Bayern gegen VfB Ende März anschauen. Entweder ich greife frühzeitig bei den Karten zu oder ich kann das gleich abhaken. Was passiert wenn das Spiel dann auf Sonntag 15.30 Uhr angesetzt wird? Definitiv habe ich an diesem Sonntag um 15 Uhr selber ein Spiel. Jetzt stehe ich zwischen der Entscheidung meine Fußballkollegen im Stich zu lassen oder aber das Spiel saußen zu lassen.
Jetzt kann natürlich jeder argumentieren, wegen einem Spiel bzw. einem fehlenden Spieler geht die Welt nicht unter. Da ich aber aus der Nähe von Stuttgart komme ist das eins der wichtigsten Derbys im Jahr, bei dem ich nicht der einzige wäre, der gerne ins Stadion fahren würde.
Das eigene Spiel verschieben, wie im Beitrag angesprochen kann meiner Meinung nach erstens nicht Sinn der Sache sein und zweitens würde sich kein Staffelleiter darauf einlassen, sonst müsste er bald seinen Spielplan jeglichen privaten Wünschen anpassen was ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Da meine Loyalität definitiv mehr meinem eigenen Hobby gilt, als einem Proficlub wird es wohl wieder mal ein Spiel sein von dem ich lediglich die Zusammenfassung sehen werde, wenn ich mich nicht sogar auch noch dagegen entscheide und lieber mit meinen Fußballkollegen die dritte Halbzeit genieße, welche bei uns glücklicherweise noch existiert.
Oliver Fritsch schrieb am 23. Juli 2009:
In welchem Verein spielst Du, VaBene? Welche Position? Ich will das wissen.
Was ich nicht ganz verstehe: Wenn Du am Sonntag selbst ein Spiel hast, kannst Du nicht auch ins Bundesligastadion – egal, ob das Bundesligaspiel um 15.30, 17.30 oder 18 Uhr angepfiffen wird. Oder seh ich das falsch?
In Teilen Nordrhein-Westfalens überlegen manche Amateurligen nun übrigens, sonntags um 11 Uhr zu spielen. Damit hätte ich mal meinen Spielern kommen sollen …
Spielfeldrand - Das Magazin » Blog Archive » DailySoccer 23/07/2009 schrieb am 23. Juli 2009:
[…] Gegen Schalke haben wir keine Chance! Wie ein Amateurverein um die (finanzielle) Existenz kämpft, da zeitgleich Bundesligisten spielen. Das wird diese Saison leider noch heftiger. Raus auf die Fußballplätze… der Amateure! […]
VaBene schrieb am 24. Juli 2009:
Was trägt denn meine Position zum Thema bei? Aber von mir aus: Meist Außenverteidigung oder die sechs, wenn es aber in sonstigen Mannschaftsteilen mangelt kann es auch schon mal sein dass ich auf die Außenbahnen wechseln muss/darf. Den Verein schick ich dir gerne Privat zu wenn dich das interessiert, auch wenn ich Heavy-Internet-User bin so bin ich doch kein Freund von übertriebenen Entblößungen.
Zum Thema: Ich muss dir Recht geben, dass hier zwischen 17 Uhr und 15.30 kein Unterschied besteht. Das Problem hatte ich definitiv auch schon früher. Einziger Unterschied war der, dass ich dann sehr interessante Spiele wenigstens nach meinem eigenen noch anschauen konnte.
Die Amateurspiele zu verschieben finde ich auch keine Lösung irgendwann spielen die Amateure dann unter der Woche Abends… Moment, das geht auch nicht da ist auch jeden Tag Profifußball. Eventuell sollte man den Amateurbereich auf die Sommer und Winterpausen legen.
Ingrid schrieb am 24. Juli 2009:
Am letzten Samstag gab es in Göttingen an der Uni eine Fußball-Diskussion:
http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Sport/Regionaler-Sport/Kicker-Kult-und-Kommerz
Dort wurde z.B. ein Verein in Hannover erwähnt, der in den Sonntagsspielen auch Probleme sieht. Aber mir scheint auch, dass zu wenig kommt von den Amateurvereinen, die von den Sonntagsspielen direkt betroffen sind. Ich hatte vorhin etwas im Blog bei den Hartplatzhelden dazu geschrieben:
http://www.hartplatzhelden.de/blog/gegen_schalke_haben_wir_keine_ch/
SAZ-Blog» Blogarchiv » Wie sich der deutsche Fußball das Wasser abgräbt schrieb am 25. Juli 2009:
[…] Zu allem Ãœberfluss werden die Amateurvereine ab der anstehenden Saison nun aber von einem weiteren Schlag getroffen: Der Einführung eines neuen Bundesliga-Spieltermins am Sonntag um 15:30 Uhr. Der Sonntag Nachmittag ist aber natürlich der traditionelle Spieltermin der Amateurligen, die nun um ihre Zuschauer fürchten, wenn parallel eine attraktive Bundesligabegegnung auf dem Programm steht – vor allem natürlich, wenn ein benachbarter Club spielt. […]
Oliver Fritsch schrieb am 25. Juli 2009:
@VaBene: Meine Aufforderung war gar nicht so nachdringlich gemeint, wie es geklungen haben mag. Andererseits interessieren mich meine User, gerade wenn sie Vereinsfußballer sind.
Gegen anonyme Kommunikation im Internet ist nichts zu sagen, vielleicht ist das sogar ein Rechtsgut. Andererseits, ich diskutiere auch mit offenem Visier.
VaBene schrieb am 28. Juli 2009:
@Oliver: Wenn man Mitglied in einem Verein des wfv’s ist und dann noch mit Dir in Verbindung gebracht werden kann muss man schon vorsichtig sein, das könnte sonst negative Folgen haben 🙂
Ingrid schrieb am 28. Juli 2009:
Gibt es vielleicht darum in letzter Zeit so viel weniger Video-Uploader bei den Hartplatzhelden, weil die Angst vor Konsequenzen durch Ihren Verband haben?
Anfangs gab es wesentlich mehr Uploader, die sich nach und nach alle verzogen haben.
Ingrid schrieb am 29. Juli 2009:
Ich habe mal bei google geschaut, ob es Berichte zum Sonntagsspiel kontra Amateure gibt.
2 Meinungen:
Ein aktueller Bericht:
http://www.rp-online.de/public/article/viersen/730432/Sonntagsspiele-aergern-Borussen-und-Amateure.html
und ein alter Bericht aus 2003:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0624/media/0140/index.html
gclobes schrieb am 3. August 2009:
in der westdeutschen allgemeinen zeitung (=die gute alte tante waz) gab es im bochumer lokalteil am 1. august eine meldung, dass der fußball-kreis bochum seinen vereinen das Recht einräumt, bei heimspielen des vfl bochum, von schalke 04 oder borussia dortmund ihre spiele entweder in die woche vor oder nach dem angesetzten termin zu verlegen. das ist zwar eine eher halbherzige alternative, weil die fans der vereine nur bedingt die termine wahrnehmen können dürften, aber immerhin: die problematik scheint den verband zu aktivitäten anzuhalten.
Blog für den kritischen Fußballfreund | direkter-freistoss.de » Westfalen-Verband bremst Bündnis der Kreisliga mit den Hartplatzhelden schrieb am 10. August 2009:
[…] Art Abmahnung, dass das die Vereine das nicht dürften.“ Wie es weitergeht, wissen wir nicht. Der SC Schaffrath sowieso nicht. In dem Video unten spricht Grundmann mit einem […]