Fernsehbeweise, die keiner braucht
von Günter ClobesFernsehbeweise sind im Fußball mittlerweile nichts Neues mehr. Dass wir dabei aber immer wieder unterscheiden müssen zwischen wirklichem Erkenntnisinteresse und einfacher Besserwisserei liegt an den Beteiligten und macht die Sache schnell mal delikat.
Nehmen wir dasZDF-Biotop „Aktuelles Sportstudio“, wo die Artenvielfalt aus smarten Journalisten, schwadronierenden Sportlern und klatschwütigen Studiozuschauern seit je her ausgesprochen symbiotisch koexistiert. Dort, bei Steinbrecher und Konsorten, gibt es die sagenhafte Einrichtung „Pfiff des Tages“, die eine Betrachtung als Fernsehbeweis verdient. Letztes Mal haben die ZDF-Experten sich den armen Schiedsrichter Jochen Drees vorgenommen. Dass er Jiri Stajners Elfmeter im Spiel Nürnberg gegen Hannover wiederholen ließ, fanden sie regelkonform und korrekt. Einige Spieler waren zu früh in den Strafraum gelaufen. Bei der Wiederholung scheiterte Stajner dann an Nürnbergs Raphael Schäfer, und alles hätte gut sein können. Doch nicht bei unseren Strafrichtern vom ZDF. Denn was machen die daraus? Sie beweisen kraft mächtiger Technik und grafischem Firlefanz, dass Drees falsch lag. Er hätte auch diesen Strafstoß wiederholen lassen müssen, da wiederum einige Spieler zu früh im Strafraum waren.
Ob der „Pfiff des Tages“ eine sinnvolle Sache ist oder nur den üblichen Gesetzmäßigkeiten im Mediengeschäft folgt, ist Geschmacksache. So wie beim letzten Mal war es aber nicht mehr, als ein Ding mit griffigem Titel und in populistischer Stammtischmanier als Journalismus verkleidet an die Rampe zu schieben. Wenn schon ein „Pfiff des Tages“ am dritten Spieltag, dann hätte es nur eine Wahl geben dürfen: wie sich der immer mehr divenhafte und selbstherrliche Jens Lehmann aufgeführt hat und was er sich mittlerweile alles leistet.
majo schrieb am 25. August 2009:
Wenn denn schon „Fernsehbeweis“ und Medienlärm zu Nachuntersuchung führt, wäre es doch mal ein gesunder Schritt vom Kontrollausschuss, nur den Provokateur Lehmann zu bestrafen. Denn ohne Erstschlag wäre es nie zu einer Revanche mit gespieltem Zahnverlust gekommen. (Oder Lehmann stärker bestrafen als Subotic.)
Thomas schrieb am 25. August 2009:
Grundsätzlich halte ich so etwas wie der „Pfiff des Tages“ für eine gute Sache. Unabhängig vom hier kritisierten Einzelfall.
MMn ist das Regelwissen bei Kommentatoren, Experten und Zuschauern erheblich ausbaufähig. Da tut ab und an etwas Regelkunde, am aktuellen Ereignis anschaulich gemacht, sehr gut.
jm2c
nona schrieb am 25. August 2009:
Ähm, nein, kann man so nicht stehenlassen.
Die eigentlich nötige Wiederholung auch des zweiten Strafstosses wurde damit begründet, dass der Torhüter viel zu früh seine Linie nach vorn verlassen hatte, nicht dass „wiederum einige Spieler zu früh im Strafraum“ waren. Das wird heutzutage zwar allgemein noch seltener geahndet als das zu frühe Betreten des Strafraums, aber zum Analysieren von Regelkonformität gab es da durchaus Anlass. Und gezeigt haben sie das nicht mit „mächtiger Technik und grafischem Firlefanz“, sondern mit einer simplen Zeitlupe aus einer seitlichen Hintertorkamera. Die mächtige Technik mit dem grafischen Firlefanz hatten sie andernorts eingesetzt, nämlich bei der Analyse der Bayrischen Unzulänglichkeiten im Spielaufbau.
Man kann am Sportstudio und seinen Eigenarten bestimmt das Eine oder Andere kritisieren, ob aber der „Pfiff des Tages“ unbedingt dazu gehört halte ich mal für diskussionswürdig. Denn oft genug werden dort Fälle lobend präsentiert, wo Schiedsrichter grossen Ãœberblick und genaue Regelkunde bewiesen haben, gerade in Situationen die auch auf den zweiten Blick diffizil wirkten und die meisten Zuschauer die Sache anders sahen und damit eben falsch lagen. Das ist mit „Stammtisch“ nun wirklich nicht in einen Topf zu schmeissen.
Ulfert schrieb am 25. August 2009:
Ich mag den Pfiff des Tages auch sehr gerne, und ich würde mir dort häufig gerne mehrere Szenen erklären lassen. Der wiederholte Strafstoß war eine Rarität und gehörte deswegen erklärt, da die dazugehörigen Regeln sicher nicht allgemein bekannt sind. Diese sind jedoch durchaus lesenswert, zu wissen wann ein Strafstoß wiederholt wird wenn der Schütze trifft und wenn er nicht trifft ist jedoch auch ein Risiko, da es scheinbar einigen Schiris egal ist und sie froh sind wenn der Elfer vorbei ist.
Die Szene mit Lehmann auch dort nochmal hochzukochen macht imho keinen Sinn, da es keine Regeldiskussion gab, nur eine über das Benehmen des Herrn L – das kann gerne in den Blabla-Runden ausgetragen werden, aber _gerade nicht_ in der Regelstunde.
Ich hätte diese Woche gerne das Abseits des Bayern-Tores nochmal erklärt bekommen, da der Ball ja vom Gegenspieler kam. Im Endeffekt ist aber auch diese Regel schon vorher viel diskutiert und erläutert worden. Die Auswahl des ZDF geht also in Ordnung.
Ingrid schrieb am 26. August 2009:
Also ich schaue den „Pfiff des Tages“ im Sportstudio immer sehr gerne und findes das meistens auch interessant. Was ich eher nervig finde, sind diese dauernden Fernsehbeweise, ob jemand nun eine Tätlichkeit begangen hat oder nicht.
Natürlich sollte es fair zugehen und auf Spieler mit Ellenbogencheck, Kopfnuss usw. kann man verzichten. Ich kann aber auch auf die anschließende Schauspielerei des „Geschädigten“ verzichten. Das empfinde ich manchmal schlimmer als die eigentliche Tat, die vielleicht im Gerangel oder Affekt geschehen ist. Mir werden diese Tätlichkeiten zu hochgespielt. Das wird ja oft mehr bestraft als ein schlimmes Foul.
Nicht, dass es falsch verstanden wird: ich heiße Tätlichkeiten nicht gut, diese sind einfach auch unterschiedlich zu bewerten. Manche sollten schon hart bestraft, wenn man erkennt, dass es wirklich mit überlegter Absicht war, aber wenn manchmal etwas im Affekt geschieht, sollte man das auch berücksichtigen, vor allem wen von anderer Seite etwas vorausgegangen ist.