Spannender Fußballabend in Hamburg mit leisen Molltönen
von Oliver FritschAus dem Volkspark Seit dem 3:1 gegen Köln vor zwei Wochen, seit man die Tabellenführung übernommen hat, ist einiges passiert in Hamburg. Wegen Kreuzbandrissen fallen gleich zwei Profis bis mindestens Frühjahr 2010 aus: Colin Benjamin und Paolo Guerrero. Ein Sportdirektor ist noch immer nicht gefunden, der eine Kandidat, Oliver Kreuzer, hat per SMS abgesagt; der andere, Roman Grill, scheint nicht durchsetzbar, weil er ein Berater ist und man ihm Interessenskonflikte unterstellt. Zudem ist durch Recherchen des Spiegels bekannt geworden, dass der Transfer Zé Robertos entgegen ursprünglichen Behauptungen des Vorstands vier Millionen Euro Ablöse gekostet hat. An einen uruguayischen Verein, für den der Brasilianer nie gespielt hat. Ein dubioser Vorgang. Ein suspekter Vorgang.
Wie so oft also viel los in Hamburg. Doch die Ergebnisse stimmen. Gestern siegte der HSV gegen die ambitionierten Stuttgarter in einem technisch guten Duell 3:1. Erneut zeigte sich, welch ballsicheres Mittelfeld man nun im Volkspark beisammen hat. Etwa die drei Torschützen Mladen Petric sowie die beiden Zugänge Zé Roberto und Elia, durch die der HSV enorm an Qualität und Attraktivität hinzugewonnen hat. Da die Abwehr um Joris Mathijsen ihren Job solide erledigte, kam der VfB kaum zu Torgelegenheiten. So fiel kaum ins Gewicht, dass Guerrero-Ersatz Marcus Berg in keiner Szene zum Zug kam. Auch dass die linke Abwehrseite, gestern mit Dennis Aogo besetzt, nach wie vor die Hamburger Achillesferse ist.
Die Stuttgarter wirken bereits am 5. Spieltag nicht mehr frisch. Bis zum Rückstand durch Petric in der 30. Minute waren sie das bessere Team (so wie, eine Seltenheit, die VfB-Fans die HSV-Nordkurve stellenweise übertönte). Sie legten einen geordneten und gepflegten Stil an den Tag. Aber mit ihrem 4-2-3-1-System fesselten sie sich selbst, und auf den Rückstand hatten sie keine Antwort, nicht mal als Trainer Markus Babbel auf 4-4-2 umstellte. Der einzige gute Angriff in der Folgezeit führte auch gleich zum Tor durch Pawel Progrebnyak nach einem genialischen Pass Christian Träschs, des besten Akteurs des VfB, wenn nicht sogar des ganzen Spiels.
„Nach dem 0:1 haben wir den Faden verloren. Unerklärlich“, sagte Babbel nach dem Spiel säuerlich. Kapitän Thomas Hitzlsperger stimmte ein: „Wir haben gut begonnen, aber konnten nicht nachlegen.“ Nicht mal nach dem Anschluss, obwohl der HSV nach Gegentoren oft von der Spur abkommt, zuletzt sogar gegen den Tabellenletzten Köln.
Zwar verteidigte die Stuttgarter Abwehr hervorragend, denn alle drei Gegentore entsprangen strammen Distanzschüssen. Aber das Mittelfeld war den Hamburgern deutlich unterlegen. Trotz renommierter Besetzung. Doch Hitzlsperger, Sami Khedira, Roberto Hilbert und Cacau konnten nicht mal andeuten, warum sie sich Nationalspieler nennen dürfen.
Der größte Problemfall ist derzeit Aliaksandr Hleb. Mit enormen Hoffnungen aus Barcelona und London zurückgekehrt, fehlt ihm die Fitness, weil er Teile der Saisonvorbereitung verpasste. „Wie sollen wir dieses Versäumnis nachholen?“, fragte Sportdirektor Horst Heldt klagend, ohne eine Idee preiszugeben, wie der Trainer damit umzugehen gedenke. Und beschwerte sich über Weißrusslands Nationaltrainer, der sich nicht an die Absprache gehalten habe, Hleb nach sechzig Minuten auszuwechseln – als wäre er zur Abstimmung mit dem VfB verpflichtet.
Der VfB steckt nach fünf Runden im Mittelfeld der Liga fest. Und die schweren Tage beginnen erst jetzt. Denn diese Woche beginnt die Champions League. Und mit ihr die zusätzlichen Belastungen. Vor zwei Jahren zeigte sich der damalige Meister VfB dieser Anforderung nicht gewachsen. Noch einmal will man sich und Fußballdeutschland in Europa nicht so blamieren. Die Sorgen und Bedenken waren den Stuttgartern in der Mixed Zone anzumerken.
Auch Bruno Labbadias Laune war durch die Verletzungen Guerreros und Benjamins getrübt. „Diese Ausfälle werden uns die gesamte Saison begleiten.“ Mit Überbelastungen durch internationale Wettbewerbe hat man auch in Hamburg Erfahrung gemacht, ebenso, vor allem Labbadia, mit der Flüchtigkeit von Erfolg und Tabellenführungen. So endete ein spannender Fußballabend mit leisen Molltönen.
In letzter Zeit schlugen hier gelegentlich Kommentare ein, die monierten, dass der HSV in diesem Blog zu oft Thema sei. Bislang hab ich mir eine Reaktion darauf verkniffen, weil ich dachte, die HSV-Lastigkeit erklärt sich von selbst.
Moped city schrieb am 13. September 2009:
Stimmt, der VfB war gar nicht so schlecht, wie das ERgebnis vermuten lässt.
moz schrieb am 14. September 2009:
@träsch: gute rückkehr nach verletzung, keine frage! aber der beste spieler des spiels? ähh… da seien dann aber noch andere davor, wie zum beispiel bis auf ein zwei abspiele ze roberto.
Hamburg - Blog schrieb am 14. September 2009:
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Peter schrieb am 15. September 2009:
Der Angstgegner kommt am 17ten Spieltag, dann ist die Party vorbei 🙂