HSV nach Bremen-Sieg: Auf einen großen Frühling lauernd
von Oliver FritschAus dem Volkspark Der Gast des letzten Hinrundenspiels ließ die Hamburger unweigerlich in die jüngere Vergangenheit blicken. Im April und Mai diesen Jahres war es der Rivale aus dem Nachbarort Bremen gewesen, der dem HSV kühl eine historische Schmach bescherte, wie es Vorstand Bernd Hoffmann damals empfand: Innerhalb von nicht einmal drei Wochen wurde man von Werder aus DFB-Pokal, Uefa-Cup und Meisterrennen befördert.
Welch Schrecken der HSV seitdem in sich trägt, konnte man beim 2:1-Sieg am letzten Hinrundenspieltag am Sonntag ahnen, als David Jarolim direkt nach dem Bremer Anschlusstor Torwart Frank Rost mit einem nervösen Rückpass unnötig in Bedrängnis brachte. Ein Bremer Stürmer hätte ihn fast erlaufen, die Zuschauer hielten den Atem an, denn ein zweites Gegentor in der Nachspielzeit hätte das Bremen-Trauma auf Ewigkeiten gefestigt. Kurz darauf war jedoch Schluss. Die hypothetische Frage, wie lange die Bremer noch gebraucht hätten, um das 2:2 zu erzielen, stellen nur Ketzer.
Der Sieg gegen Bremen beschließt eine Hinrunde, in der der HSV zwar durch sieben sieglose Spiele von Platz 1 auf zwischenzeitlich 5 gestürzt war, auf die Coach Bruno Labbadia jedoch zurecht stolz sein kann. Eine Verletzungsplage im Herbst, der man beinahe die Zufälligkeit absprechen möchte, zwang ihn, teilweise ohne Profistürmer zu spielen. Auch in der Abwehr gingen ihm die Experten aus. Daher sei man mit der Lauerposition 4 mit nur vier Punkten Rückstand auf Herbstmeister Leverkusen sehr zufrieden, wie Labbadia und Hoffmann im Einklang betonen. Auch in der Europa League hat sich der HSV durchgesetzt.
Dieser guten Bilanz und einigen Höhepunkten zum Trotz, etwa den Siegen gegen Bayern, Dortmund und Bremen, muss das Team seine Reife noch beweisen. Das gilt auch für den Trainer. Labbadia lässt aggressiver und offensiver spielen als seine Vorgänger, doch ob er erstklassige strategische Fähigkeiten besitzt, ist offen. Aus Leverkusen, wo er in der Vorsaison tätig war, hört man skeptisches Gemurmel.
Sein Hamburger Halbjahreszeugnis hat ein paar Schwachstellen: Nationalspieler Piotr Trochowski ist unter ihm zu einem Mitläufer geschrumpft. Gegen Mönchengladbach und Bochum war Labbadia für Niederlagen mitverantwortlich, weil verletzte Spieler zu lange auf dem Feld ließ. Auch Werder ermöglichte er in der Schlussviertelstunde eine Ballbesitzquote unwesentlich unter 100 Prozent samt Torchancen und zwei Lattentreffern, indem er seine einzige Spitze Mladen Petric zu defensiv durch Mittelfeldspieler Robert Tesche ersetzte (der, zugegeben, beinahe das 3:0 gemacht hätte).
Der Hamburg Frühling 2009 war eine Eiszeit, sein Nachfolger könnte dafür mehr als entschädigen. Am 12. Mai wird das Endspiel der Europa League in Hamburg stattfinden, und Bernd Hoffmann hätte nichts dagegen, „wenn die Sieger-Fans mit dem öffentlichen Nahverkehr heimfahren würden“. Auch schön: Zum letzten Saisonspiel der Bundesliga kurz darauf wird der HSV an die Weser reisen. Gibt es aus Hamburger Sicht einen angemesseneren Ort, nach siebenundzwanzig Jahren Abstinenz die Meisterschale hochzuhalten?
Ulfert schrieb am 21. Dezember 2009:
Danke, dass Sie die Worte „Rache“ und „Revanche“ aus ihrem Artikel raus gelassen haben (anders als zB die: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,668201,00.html). So etwas aufzurechnen geht ja schlecht, denn keine Finale bleibt kein Finale 😛
Auch schön: Zum letzten Saisonspiel der Bundesliga kurz darauf wird der HSV an die Weser reisen. Gibt es aus Bremer Sicht einen angemesseneren Ort, die Position der Nr. 1 des Nordens zurück zu erobern? 😉
Holzauge sei wachsam schrieb am 22. Dezember 2009:
„eine beispiellose Verletzungsserie“? Oh Oliver, Du recherchierst doch sonst auch sorgfältiger…. In meine Augen ist es kein Zufall, dass Labaddia auch diese Mannschaft kaputttrainiert, ähnlich wie in Lev. letzte Saison. Insider haben mir berichtet, dass Labaddia sich als völlig beratungsresistent gegenüber Empfehlungen der Pysiotherapeuten gab. Kein Wunder, dass ihm in Leverkusen kein Auge auch nur ein Träne nachweinte….
Mein Tipp, HSV wird nach einer weitern beispiellosen Verletzungsserie maxinmal siebter….
Oliver Fritsch schrieb am 22. Dezember 2009:
Da steht doch: „eine Verletzungsplage, der man beinahe die Zufälligkeit absprechen möchte“. Muss man immer dick, dicker, am dicksten auftragen?
Holzauge sei wachsam schrieb am 22. Dezember 2009:
Nein, muß man selbstverständlich nicht! Allerdings kommt gerade dieser Aspekt in der Berichterstattung über HSV/ Bayer 08/09 immer zu kurz. Da vermisse ich schon klare Worte. Zumal die Entwicklung beider Vereine unter Labaddia erstanuliche Parallelen auf…..
Prinzessin Horst schrieb am 22. Dezember 2009:
Zur Verletzungsserie:
Silva: Kreuzbandriss in der Vorbereitung
Guerrero: Kreuzbandriss bei der Nationalmannschaft
Benjamin: siehe Guerrero
Petric: Sehnenverletung nach einem Hertha-Foul
Elia: Knöchelverletzung nach einem dunkelroten Mainzer-Foul
Jansen: seit jeher verletzungsanfällig
Ze Roberto: Bänderriss im Hannoverspiel
Hatte ich jemanden vergessen? aber selbst wenn, da sind keine Muskelfaserrisse, oder ähnliches dabei, die auf ein falsches Training hindeuten.
Hättet ihr zum beispiel Ze Roberto gegen Hannover geschont, nachdem man in der vorwoche gegen gladbach die erste niederlage kassiert hat?
klar sucht man jetzt nach Parallelen zu Leverkusen – aber Labbadia für diese Verletzungsserie die schuld zu geben, halte ich für falsch.
Prinzessin Horst schrieb am 22. Dezember 2009:
P.S: Auch dieses Jahr ohne labbadia hat Leverkusen eine nicht zu verachtende Verletztenliste. Und dabei spielen die, anders als der HSV, seit zwei Jahren nicht international.
Oliver Fritsch schrieb am 23. Dezember 2009:
Eins vorweg: Ich kann nicht beurteilen, inwiefern Labbadias Training Verletzungen verursacht.
Aber nicht nur Muskelverletzungen können falsches Training als Ursache haben, sondern auch Bänder- und Sehnenrisse. Auch kann Training Langzeitfolgen haben.
tafelrunde schrieb am 23. Dezember 2009:
Das Schöne am Fußballfandasein ist, dass man – quasi so ganz nebenbei – auch noch das kleine Ärzte-Diplom bekommt 😉
Friede, Freude und Gesundheit @alle.
Heinz Gründel lebt schrieb am 7. Januar 2010:
Unumstritten ist, dass Labbadia sehr hart und extrem besessen trainiert, z.b. letztes Jahr mit Leverkusen im Trainingslager Donnerstagsvormittag 6 x 3 min Intervallläufe, nachmittags Testspiel gegen den FSV Frankfurt, Freitags zwei ballorientierte Trainingseinheit und samstag morgens vor der Abfahrt schon wieder 6 x 3 min Intervallläufe. Der gesamte Trainerstab in Leverkusen (fitnesstrainer etc.) hat den Kopf geschüttelt, aber er lässt sich da nicht reinreden.
Selber Schuld, würde ich sagen.