DFB in Sack und Asche: Reue aus Opportunismus?
von Oliver FritschNimmt sich der Laden gerade selbst auseinander? Man kann ja gar nicht mehr Schritt halten mit den Nachrichten aus der Otto-Fleck-Schneise. Es fällt auf, dass viel Reue demonstriert wird: Theo Zwanziger gibt sich zerknirscht, Oliver Bierhoff kleinlaut, Wolfgang Niersbach geißelt sich selbst. Flagellantismus beim DFB?
Auch Rainer Koch verhält sich konsequent. Er ist von seiner Funktion als Schiedsrichterbeauftragter im Präsidium zurückgetreten, weil er erst mit sechswöchiger Verspätung von Volker Roth, dem Vorsitzenden des Schiedsrichterausschusses, über den Fall Amerell informiert worden sei. Schiedsrichterfunktionär Manfred Amerell sieht sich dem schweren Vorwurf ausgesetzt, sich einem jungen Schiedsrichter „genähert“ zu haben (wobei nicht öffentlich wurde, wie alt dieser gewesen sein soll). Amerell dementiert, sein Anwalt spricht von Rufmord. Mehr in der FR.
Demut kehrt ein beim DFB … wollte ich gerade loben, doch dann lese ich in der SZ, dass diese ungewöhnliche Reihung von Selbstbezichtigungen der CDU-DFB-Funktionäre auf ein Hinwirken ihrer Parteivorsitzenden Angela Merkels zurückzuführen sein könnte. Das macht die Entschuldigungen nicht wertlos. Doch sie könnten nicht nur Einsicht und Größe entspringen, sondern auch einem Stückchen Opportunismus.
Eine Frage an Bierhoff und Löw ist noch offen: Wieso lässt Löw Bierhoff für beide gemeinsam verhandeln, wenn Bierhoff gleichzeitig ein Veto-Recht für einen neuen Bundestrainer fordert? Da ist eine Unwucht in der Argumentation der Verteidigung.
Ein netter, aber noch viel unwichtigerer Nebenschauplatz ist der Brüller Oliver Kahns, der Bierhoff vorhält, Mitglied im DFB-Präsidium sein zu müssen, um solche Forderungen zu stellen, wie Bierhoff es getan haben soll. Dabei ist Bierhoff Mitglied im DFB-Präsidium. Wäre Bierhoffs Wunsch nach Gehaltserhöhung nicht sogar glaubhafter, wenn er gerade nicht im Präsidium wäre? So verlangt er mehr Geld von einem Gremium, dessen Teil er ist.
Die Antworten scheinen nicht mehr wichtig – erst recht nicht, wenn man folgender Nachricht glaubt: Die Mopo verkündet, dass Urs Siegenthaler nach der WM Sportchef beim HSV werde. Was das für Löws Zukunft als Nationaltrainer (und Bierhoffs als DFB-Manager) aussagen würde, kann man sich an einer Hand abzählen.
Ein bislang wenig beachteter Text von Focus Online, der die Protagonisten des DFB-Streits vorstellt. Vieles kennt man, neu ist die Andeutung, Ralf Köttker, neuer Mann der DFB-Medienabteilung, könnte der Maulwurf sein. Ein bemerkenswertes Zitat stammt vom Vorsitzenden eines Amateurclubs, der sich über die Fußballspezialdemokratie äußert: „Theoretisch könnte man die Wahl eines DFB-Präsidenten als demokratisch bezeichnen. Praktisch gleicht sie dem Hinterzimmergeklüngel einer Bananenrepublik.“
Addendum
Eine archäologische Probe aus der ZDF-Mediathek belegt, dass Sportjournalisten im Jahr 1983 zum Widerspruch noch fähig waren: Michael Palme, der gestern 66-jährig verstorben ist, diskutiert mit dem jungen Bayern-Manager Uli Hoeneß und entkräftet dessen Medienkritik. Dieter Kürten neigte zwar zum Tätscheln, hatte aber auch Mut zum Einwand.
Für Zeit Online habe ich exklusiv herausgefunden, dass Philipp Lahm mal Cowboy war.
Thor schrieb am 12. Februar 2010:
„Eine Frage an Bierhoff und Löw ist noch offen: Wieso lässt Löw Bierhoff für beide gemeinsam verhandeln, wenn Bierhoff gleichzeitig ein Veto-Recht für einen neuen Bundestrainer fordert?“
Vielleicht damit eben kein neuer BT kommt, sondern der alte bleibt: Angenommen die N11 scheidet unglücklich im Achtelfinale oder peinlich im Viertelfinale aus, dann wird DFBild doch ziemlich sicher Sammer als BT fordern. Hat Bierhoff ein Vetorecht, wird das aber nichts bringen, weil man gegen Bierhoff keinen neuen BT installieren kann.
So dachten wahrscheinlich Bierhoff und Löw. Der Fehler dabei: Scheinbar kann man ja auch problemlos Bierhoff rausschmeißen. Woraus sich wiederum aber ergibt, dass man das Vetorecht auch gefahrlos einräumen könnte als Vorstand.
Harry schrieb am 12. Februar 2010:
Ich frage mich nur, welchen Narren Sie an „BILD-Bubi“ Lahm und seinen stromlinienförmigen, nichtssagenden Aussagen gefressen haben.
Oliver Fritsch schrieb am 12. Februar 2010:
Darauf verlinke ich doch nur, damit jeder lesen kann, dass mir nicht entgangen ist, wie gut die Bayern spielen, Harry.
Harry schrieb am 12. Februar 2010:
Sie verlinken wohl eher darauf, weil die „BILD“-Werbeikone gleichzeitig und unverständlicherweise ZEIT-„Kolumnist“ ist und Sie so ein wenig Reklame für Ihren derzeitigen Arbeitgeber machen wollen. Oder halten Sie die Tatsache, dass er früher mal Cowboy war, für so interessant. Gute Nacht, Sportjournalismus!
Oliver Fritsch schrieb am 15. Februar 2010:
@Thor: Verzeihung, hatte Antwort vergessen. Aus Bierhoffs Sicht mag das logisch sein. Löw hingegen steht es, wie ich finde, nicht gut zu Gesicht.