DFB ./. Amerell: Zwanzigers Verteidigung und die Eitelkeit des Präsidenten
von Oliver FritschTheo Zwanziger hat sich heute im DSF gegen die Kritik gewehrt, dass er im Fall Amerell gegen sein Prinzip handle, Homophobie zu bekämpfen: „Dieser Vorgang befasst sich ausschließlich mit der Frage, ob Manfred Amerell, der viele Entscheidungen über junge Schiedsrichter getroffen hat, Fehler gemacht hat. Das ist der Punkt, den wir zu entscheiden hatten. Das hat nichts damit zu tun, welche sexuelle Orientierung er oder andere Schiedsrichter haben.“ Ich glaube, der Vorwurf trifft in der Tat nicht zu, ich habe ihn nie recht verstanden. (hier das Video, die Zitate sind aus dem DSF-Newsletter)
Am spannendsten ist Zwanzigers Antwort auf die Frage, wie er Michael Kempters Aussagen bewerte – also ob sie stimmen: „Ich kann mir gut vorstellen, dass in den nächsten Tagen das ein oder andere medial aufgezeigt wird, dass dies oder jenes möglicherweise in seiner Aussage nicht stimmt. Für uns intern unerheblich, aber der Schutz für diese jungen Schiedsrichter hat absoluten Vorrang.“ Baut da jemand vor?
Eine spannende Frage bleibt übrigens nach wie vor offen: Wie es heißt, wurden Amerell und Kempter noch in der Rückrunde, also Mitte Januar, gemeinsam eingesetzt. Wieso?
Zwischenstand: Am 4. März geht es vor Gericht, beide Seiten geben sich siegessicher: der DFB, in dessen Mission Kempter gestern offensiv geworden war, und Amerell. Dessen Anwalt Jürgen Langer gibt sich „irritiert“ über Kempters drei Interviews in der FR, der Bild und Sport1. Darin erhebt Kempter schwere und konkrete Vorwürfe gegen Amerell, etwa: „Herr Amerell hat mich auf den Mund geküsst.“ Haben die beiden sich nicht geduzt?
Das Landgericht München wird beide Parteien dazu mündlich anhören; eine Einstweilige Verfügung konnte Langer bislang nicht erwirken. „Dass das Gericht dem Antrag nicht sofort stattgab“, schreibt die FR heute, „sondern zur mündlichen Aussage lud, wertet man beim DFB als Teilerfolg.“
Was in Kempters Interviews aufstößtfällt, ist die vorweg geschobene Hudelei auf Zwanziger. Der FR sagt Kempter: „Ich hatte volle Rückendeckung. Herr Zwanziger hat die Angelegenheit sehr zügig vorangetrieben und schnell und lückenlos in die richtige Bahn gelenkt.“ In der Bild lesen wir: „Theo Zwanziger hat mich sehr unterstützt und die Sachen so schnell und lückenlos wie möglich aufgedeckt.“ Den akademischen Grad, auf den Bild in DFB-Angelegenheit selten verzichtet, hab ich großzügig wegredigiert.
Diese Technik erinnert an das und an das. Presseerklärung, „in der die Eitelkeit des Präsidenten in den Mittelpunkt rückte“, schreibt Michael Horeni in dem kürzlich zitierten Artikel. „Erst wurde darin festgestellt, dass DFB-Vizepräsident Koch, der wegen unzureichender Einbindung von seiner Zuständigkeit zurückgetreten war, das ‚Vorgehen des Präsidenten nicht beanstande‘. Erst ganz am Ende, als sich Zwanziger entsprechend positioniert fühlte, konnte es dann wieder um die Sache gehen.“ Kempters Karriere wird dieser Gruß sicher nicht schaden.
Vielleicht sollte ich das auch mal versuchen: bevor es hier mit dem nächsten Text losgeht, das Grußwort eines Laudators vorschieben. Findet sich jemand, der Herrn Fritsch öffentlich Seriosität nachsagt? Ein Experte zu sein, ein Meister, ein Artist der Anschaulichkeit und Argumentation. Oder ein Muster an Glaubwürdigkeit, Neutralität und Ausgewogenheit. Bayern-Fans, vielleicht, vorgeprescht! Bin für Preisungen, Lobzollungen, Respekterwesiungen und andere Übertreibungen offen.
sportinsider schrieb am 25. Februar 2010:
Meine Damen und Herren,
bevor Sie sich wieder einen der Qualitätstexte vom Fußball-Internetpionier und Journalisten der Extraklasse,Oliver Fritsch,zu Gemüte ziehen, bitte ich um eine entsprechende innerliche Haltung und Würdigung des Hartplatzhelden, Begründer des indirekten freistosses und Macher, Organisator und Spiritus Rector des direkten Freistoss. Soviel Aufmerksamkeit, Respekt und Ehrerbietung muss sein.
Oliver Fritsch schrieb am 25. Februar 2010:
Das ist ein guter Anfang, sportinsider.
Lena schrieb am 25. Februar 2010:
Ok. Ernst jetzt: Schiedsrichter, die denken, sich für ihre Karriere prostituieren zu müssen, die denken, sie müssten so was wie Mundküsse und was weiß ich noch alles über sich ergehen lassen, haben ein in meinen Augen ein schlechtes Urteilsvermögen. Da gehört auch beim Vorgesetzten aber sofort die gelbe Karte gezückt. Mann sind das Memmen. Und die entscheiden über wohl und wehe von Klubs mit Millionen Umsätzen. Na denn. Vielleicht sollte das auch ins Regelbuch rein, damit’s gepfiffen wird.
Ich frage mich ja schon, wieso Ihr Euch den Vergleich von DFB und kath.Kirche so lange verkneift. 20er und die Unfehlbarkeit. Der dunkle Schiedsrichterorden. Devote Journaille. Ok, beim letzten, da passt der Vergleich schon nicht mehr…
Nicole schrieb am 25. Februar 2010:
Gestern auch bei ZAPP http://www3.ndr.de/flash/zapp/interactivePlayer.html?xml=zappsendung182-interactiveBroadcasts.xml&sr=zapp übrigens, mit Einschätzungen von Kistner und Horeni. Von der Pressekonferenz des DFB zum Rücktritt von Amerell hatte ich noch nichts gesehen. Das ist ja ganz schlimm „Glauben Sie, der (sic!) würde zurücktreten, wenn da nichts wäre? Glauben Sie das?“.
Oliver Fritsch schrieb am 25. Februar 2010:
Richtig, Lena. Ãœberhaupt stellt sich die Frage: Wenn der Vorwurf an Amerell stimmz, wie Zwanziger behauptet – was besagt das dann über Kempters Karriere und seine Qualität als Schiedsrichter? Ein Günstling als Bundesliga- und Fifa-Schiedsrichter?
Nicole schrieb am 25. Februar 2010:
@Lena/Oliver: Danach wird Kempter ja auch im FR-Interview gefragt. „Qualität setzt sich durch“ und „Bevorzugung ist nicht möglich, weil es ein team gibt“ waren die antworten. Aber daran darf man natürlich zweifeln. wozu muss dann jetzt reformiert werden?
Thor schrieb am 25. Februar 2010:
Um Ihre Frage Herr Fritsch zu beantworten: Das sagt gar nichts über Kempters berufliche Qualifikation aus! Er hat den Vorgang schließlich korrekterweise gemeldet. Ob es der richtige Zeitpunkt war – wer will das beurteilen. Opfer von sexuellen Belästigungen sollten wir nun nicht mit Opfern von Handtaschendiebstahl gleichsetzen, das Schamgefühl spielt dabei schon eine gewaltige Rolle.
Wenn Amarell wen auch immer gegen dessen Willen auf den Mund küsst oder sonst was tut, bedeutet das ganz sicher noch nicht, dass das Opfer ein schlechter Schiedsrichter ist, der nur aus Gefälligkeit pfeifen darf. Bitte hier die Bezugsebenen nicht verwischen – da klingt nämlich sehr schnell der Vorwurf mit, der hat sich halt „hochgeknutscht“. Man sollte da schon genau unterscheiden:
– Geht die Aktivität vom „Ranghöheren“ aus, ist es sexuelles oder sonstiges Ausnutzen von Weisungsgebundenen / Beurteilungsabhängigen.
– Anders ist es, wenn sich der „Rangniedrigere“ Vorteile verschaffen will und dafür sexuelle Avancen macht. Nur liegen dafür im Fall Amarell keinerlei Indizien dafür vor und auch Amarell hat das in seiner Medienoffensive nicht behauptet. Er hat immer nur davon gesprochen, dass alles „freiwillig“ war.
Tobi schrieb am 25. Februar 2010:
Kempter verzettelt sich aber auch etwas. Auf der einen Seite sagt er es setze sich Qualität durch und verweist auf ein Team welches Entscheidungen trifft, auf der anderen Seite sagt er er habe Angst um seine Karriere gehabt. Warum, wenn Einzelmeinungen durch das Team gefiltert werden und sich qualität durchsetzt? Fördern können Personen in den Positionen wie Amerell nicht aber Karrieren behindern schon? Das ist mir unverständlich.
Oder hatte er Angst um die Schlagzeilen, ein negatives Image und eine Berichterstattung die allein weil sie existiert negativ für seine Karriere ist? Ist denn sein jetziges Verhalten förderlich um Schlagzeilen zu minimieren?
Fairer Weise muss man sagen, es ist finde ich schlicht nicht möglich, SR rein objektiv zu bewerten, dass ist immer einer subjektive Angelegenheit. In welcher Sportart in der Offizielle die Leistung eines Sportlers mit bewerten müssen gibt es keine Probleme? Mir fällt keine ein, warum soll das bei der Schiedsrichterei anders sein. Welche Mannschaft spielt den schönsten Fußball? Das kann man nicht messen. Soll man Fehler bei Schiedsrichtern zählen und der mit den wenigsten ist der beste? Und wenn der eine das Spiel erster gegen zweiter mit nem 5:5 und der andere neunter gegen zehnter mit nem 0:0 pfiff?
Letztlich liegt es immer an der subjektiven Bewertung der Leistung durch eine oder mehrere Personen von denen man hofft, sie tuen schon das richtige, einfach weil man keine Alternative hat.
Insgesamt gibt die Schiedsrichtergilde ein absolut katastrophales Bild ab finde ich. Da werden offenabr Diskussionen nur noch durch die Presse geführt, das ganze kommt mir vor wie eine schlechte Daily Soap, wie soll man jetzt diesen Personen auf und neben dem Platz noch mit Respekt begegnen?
Wenn man bedenkt wieviel Geld von einer SR-Entscheidung abhängt da wird mir schon mulmig…
pema schrieb am 25. Februar 2010:
Bei der ersten groben Fehlentscheidung von Kempter gegen die Heimmannschaft wird das gesamte Blabla sich als gegenstandlos erweisen. Aus der Fanecke werden die Schwuchtelrufe nicht zu überhören sein, so ist halt der Fussball bzw. als Großteil seiner Fans.
Hinz und Kunz über den Sportmonat Februar « sportinsider schrieb am 1. März 2010:
[…] und Qualitätsjournalist Oliver Fritsch hat dazu auf dem Blog direkter Freistoß mit DFB ./.Amerell: Zwanzigers Verteidigung und die Eitelkeiten des Präsidenten einen lesenswerten Artikel […]
Blog für den kritischen Fußballfreund | direkter-freistoss.de » DFB ./. Amerell: Wie glaubwürdig ist der Zeuge Kempter? schrieb am 1. März 2010:
[…] Rector des direkten Freistoss. Soviel Aufmerksamkeit, Respekt und Ehrerbietung muss sein.“ (Den Gag wollte ich jetzt mal bis zum Ende […]