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Bekanntlich bleibt in einem Rosenkrieg zuerst die Wahrheit auf der Strecke. Offenbar vergaß das der DFB in seiner „Aufklärungsarbeit“, dieser Eindruck scheint sich im Amerell-Fall zu verfestigen. Andererseits gibt es noch immer sehr viele offene Fragen, Flanken, Einwände: Etwa sollte man aus den veröffentlichten Mails nichts Voreiliges und Eindeutiges schließen. Nur weil sie zu der Zeit, an dem sie Michael Kempter verfasste, Einvernehmen zu belegen scheinen, schließt das den ursprünglichen Vorwurf (sexuelle Nötigung) nicht aus. Einvernehmen im Oktober 2008 heißt nicht Einvernehmen zu jeder Zeit. Auch in Ehen wird vergewaltigt.

Auch lägen der SZ, wie man liest, zwei SMS vor, die so zu deuten sind, dass Kempter Anfang Februar, als wir alle noch nichts ahnten, eine Deeskalation gesucht haben muss. „Wenn Kempter den DFB wirklich informiert hat und an einer Beilegung der Affäre interessiert war, wie kam es zur Eskalation?“, fragt die SZ.

Die Kritik an Zwanziger bleibt scharf. Ein Journalist der SZ legt ihm den Rücktritt nahe – und seinen Weggefährten auch: „Statt als Moderator aufzutreten, gab der Präsident den Inquisitor. Zwanziger, der sich gerne als moralische Instanz im Kampf gegen Rassismus, Chauvinismus, Diskriminierung und auch Homophobie feiern lässt, hat aus Borniertheit und Realitätsverlust eine Art Selbstjustiz verfolgt und, wie es aussieht, dabei gleich mehrere Existenzen so gut wie vernichtet. Zwanziger und seine beiden in die Vorgänge eingeweihten Verbandshelfer, Generalsekretär Wolfgang Niersbach und dessen Stellvertreter Stefan Hans, haben dem Ansehen des DFB und, wenn man so will, dem des deutschen Fußballs insgesamt geschadet. Die Stimmen mehren sich, dass sie Konsequenzen daraus ziehen sollten.“

Ein wenig auf die Bremse tritt Roland Zorn (FAZ), zumindest was die Chance Zwanzigers betrifft, im Amt zu bleiben. Über Zorns kritischen Kommentar vom Mittwoch soll sich, wie man aus der Redaktion hört, Zwanziger sehr aufgeregt haben. Was Zwanziger ein Stück entlasten könnte: Nach Informationen der BamS hätten die drei Schiedsrichter bei der Abgabe ihrer Eidesstattlichen Versicherung gewusst und zugestimmt, dass ihre Namen für den Fall eines Prozesses öffentlich werden. Damit würde der Vorwurf ins Leere laufen, dass der DFB sie verraten habe.

Martin Henkel (Berliner Zeitung) ergänzt und erweitert den Fokus: „Der Präsident karikiert sein Amt, in dem er es an eine offensichtliche Herz-Schmerz-Affäre zweier Herren mit homosexuellen Neigungen kettet, während die Krise eine neuformierter Medienabteilung managt, deren Geschäftsführer, ein ehemaliger Sportjournalist, nach Bekanntwerden der Kempter-Mails behauptet: beim DFB gebe es keinen Fall Kempter. Ah!“

Die Rolle der Pressestelle hat auch die SZ im Blick: „Den geachteten DFB-Mediendirektor Harald Stenger entmachtete Zwanziger zu Jahresanfang nach Gutsherrenart – seitdem arbeitet die Kommunikationsabteilung des Verbandes mal konfus, mal selektiv.“ Hören wir bald die Frage: Wäre das Debakel mit einem vollmächtigen Stenger auch passiert?

Peter Körte (faz.net) stellt einigen Beteiligten, darunter auch Nebendarstellern, ein miserables Zwischenzeugnis ausgestellt. Rainer Koch etwa wirft Körte Opportunismus vor, Volker Roth müsse sofort zurücktreten. Da haben wir Journalisten jetzt wohl einiges zu tun.

Einen schönen Vorwand, von Kempter abzurücken und vom Thema abzulenken, erkennt der DFB in der Bayern-Mail Kempters, die Amerell gemeinerweise im Fernsehen zeigte. Es war dem DFB sogar eine Pressemitteilung wert, die nichts anderes als die Erwägung (nicht den Entschluss) kundgetan hat, gegen Kempter ein Verfahren wegen unsportlichen Verhaltens einzuleiten.

Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge pochen auf Aufklärung, Meistertrainer Felix Magath rät zu einem Lächeln: „Es ist störend, dass wir in Deutschland immer alles auf die Goldwaage legen. Wenn man im Fußball engagiert ist, dann hat man auch Meinungen. Und der FC Bayern polarisiert halt – das will er ja auch. Dass dann in einer Unterhaltung mal eine solche Aussage kommt, ist doch ganz normal. Das geht doch jedem von uns so, davor ist doch keiner gefeit. Man sollte da die Dinge nicht überstrapazieren und solche Aussagen auch mal gelassener nehmen.

Hab mal nachgeschaut: Kempter hat in seiner Karriere fünf Bayern-Spiele gepfiffen: vier Siege und ein Unentschieden. Bevor jetzt jemand wieder auf Ideen kommt – damit will ich nicht sagen, dass Kempters Neutralität bewiesen ist. Gabs da nicht ein verdächtiges Abseitstor von Luca Toni? Vielleicht sagt Kempters Bayern-Mail aber mehr über Amerell aus, den alten 60er, als über Kempter.

Zum Thema Humor Marke Bayern entnehmen wir dem Tagesspiegel eine nette Anekdote: „Schon einmal wurde einem jungen Schiedsrichter eine unbedachte Aktion gegen den FC Bayern zum Verhängnis. Ein Nachwuchsschiedsrichter aus Thüringen tat so, als pinkelte er gegen den Bus des FC Bayern, das wurde auf einem Foto festgehalten. Dieses Foto tauchte auf, als der Schiedsrichter ein Spiel der Münchner in der A-Junioren-Bundesliga pfeifen sollte. Er wurde abgesetzt.“

Was noch? Jürgen Klinsmann hat der WamS ein Interview gegeben, in dem er sich revidiert: Eine Rückkehr in die Bundesliga sei nicht auszuschließen.

6 Kommentare

  1. Nicole schrieb am 7. März 2010:

    Die DFB-Medienabteilung genauer zu betrachten, finde ich auch wichtig. Allerdings: DFB vs Weinreich ist ja auch mit Stenger prima unsouverän gehandhabt worden. Und zu den aktuellen medienfronten ein Artikel der Welt http://www.welt.de/die-welt/sport/article6673490/So-leidet-Michael-Kempter.html die ihr Schicksal anscheinend zwanzigergleich an die Heterosexualität Michael Kempters knüpft. Brrr.

  2. Bastian (Chemieblogger) schrieb am 7. März 2010:

    Ausgesprochen salomonisch, dieser Magath – weit vorangeschrittener Emanzipierungsprozess vom „Mia san mia“. Trotz Nicoles berechtigtem Einwand ist die interessanteste und bedeutendste Frage:

    Wäre das Debakel mit einem vollmächtigen Stenger auch passiert?

  3. Oliver Fritsch schrieb am 7. März 2010:

    „Schiris sind Menschen“ – der SZ-Kommentar vom Montag, der Kempter und den verweigerten Chip im Ball in Verbindung bringt:

    http://www.sueddeutsche.de/sport/60/505262/text/

  4. franzferdl schrieb am 8. März 2010:

    schon interessant, wie sich mcklinsi derzeit mit seinem angeblichen todfeind, aka springer-presse, abkämpft.

    ansonsten ist wohl magath, aka westerwelles kaffeeklatschkamerad, zuzustimmen: in bezug auf kempters bayern-sympathien ganz locker bleiben. herr fritsch interpretiert es wohl ganz richtig, dass sich hier gerade eine grandiose ablenkungsgelegenheit für den dfb anbietet.

    dass schiris allerdings menschen sein sollen, hmm, ich weiß nicht…

  5. Dr. Sommer schrieb am 8. März 2010:

    @franzferdl: Psychologische Betreuung könnte dabei helfen, das Klinsmann-Trauma zu überwinden. Das sollten Sie mal versuchen.

  6. Lena schrieb am 8. März 2010:

    Den Anruf 20ers bei der FAZ und seinem Hr. Zorn kann man sich schon vorstellen. 20er zu Zorn: „καὶ σὺ τέκνον?“
    Darauf Zorn: „FRANKFURTER RUNDSCHAU, DIE FRANKFURTER RUNDSCHAU!!!“

    Naja, vielleicht wars auch anders.

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