Amerell und DFB sehen sich vor Gericht
von Oliver FritschEs ist damit zu rechnen, dass uns der Fall Amerell noch lange beschäftigen wird. Sein Anwalt Jürgen Langer habe juristische Schritte gegen den DFB eingeleitet, das Münchner Landgericht werde sich bald in einer Anhörung damit befassen, meldet die SZ heute. Langer hat in einem Telefonat mit mir am Montag die Entschlossenheit seines Mandanten betont, alle Mittel auszuschöpfen. Was bislang verbandsintern behandelt und gedeckelt worden ist, dürfte damit an die Öffentlichkeit geraten, inklusive Zeugenaussagen.
Derweil ist Theo Zwanziger mit zwei Interviews offensiv geworden. Im Hamburger Abendblatt bekräftigt er die verbandsrechtliche (nicht strafrechtliche) Beschuldigung gegen Amerell: „Es gab ein Abhängigkeitsverhältnis, genau wie zwischen Lehrer und Schüler. Und die jungen Schiedsrichter stehen in einem Wettbewerb, nur die Allerbesten kommen nach oben. Wie weit sie es nach oben schaffen, hängt sehr stark von den Beurteilungen ab, die die Beobachter schreiben. Entsprechend strikt muss die Grenze gezogen werden. Im Kern geht es um den Missbrauch eines Amtes.“ Der Welt sagt er: „Die kolportierte Zahl von vier Betroffenen ist falsch. Es sind mehr.“
Über Schiedsrichter Michael Kempter sagt Zwanziger: „Der Schritt, uns zu informieren, hat viel mehr Mut gefordert als die Rückkehr ins Stadion. Zudem wissen viele Fans auch, was er geleistet hat.“ Es sei zu hoffen, dass die Fans auf Beleidigungen gegen den homosexuellen Kempter verzichten. Dabei wird allerdings übersehen, dass Kempter nicht nur ein Opfer, sondern auch ein Begünstigter sein könnte. Immerhin ist er der jüngste Fifa-Schiedsrichter Deutschlands. Seine Karriere ist durchaus eine Angriffsfläche, da hilft auch kein Pochen auf Antidiskriminierung und Toleranz.
Ob er mit Amerell, der Selbstmordgedanken offenbart hat, Mitleid habe? „Ja, darüber mache ich mir Sorgen. Aber es kann nicht jeder, der Suizidgedanken äußert, plötzlich als Opfer gelten, und wir stellen dann unsere Ermittlungen ein. Für ihn wären jetzt gute Freunde wichtig, die ihn richtig beraten und ihn zur Einsicht und zur Bereitschaft bringen, die Wahrheit einzuräumen.“ Eine kleine Krokodilsträne vergießt Zwanziger: „Ich würde mir wünschen, Amerell wäre wirklich unschuldig. Aber dann hätten viele junge Leute uns gegenüber Dinge erfunden, die man nicht erfinden kann. Daran kann ich nicht glauben.“
Mit Blick auf den morgigen Doppelpass, zu dem auch Wolfgang Niersbach und Jan Christian Müller von der FR eingeladen sind, schreibt dogfood: „(Am besten) fragt man Niersbach, was T20 eigentlich für Sabbelwasser getrunken hat, dass er in den letzten Tagen eine Erklärung nach der anderen zur Amerell-Geschichte gibt, sich als größter Aufklärer aller Zeiten positioniert, man aber das dumpfe Gefühl hat, dass man nur die halbe Wahrheit serviert bekommt und insbesondere die Position von Amerell komplett unter dem Deckel gehalten wird.“
Eine Quizfrage zum Schluss: In dem Interview mit der Welt zieht Zwanziger einen Zettel hervor, auf dem er alle Krisen notiert hat, die er in gut fünf Jahren Amtszeit zu moderieren hatte (vo Ballack über Bierhoff bis Hoyzer). Alle? Nein, eine nicht ganz unwesentliche ist ihm wohl entfallen (und auch die Kollegen von Springer springen auf diese Lücke nicht an). Wer sie als erstes errät, bekommt als Gewinn einen Duden in der schwarz-rot-goldenen DFB-Ausgabe.
Huge schrieb am 20. Februar 2010:
Ich glaub, ich weiß es 😉 Jens W. bestimmt auch …
Erstaunlich, wie viel da auf seinem Zettel zusammenkommt und wie viel davon man eigentlich schon vergessen hatte.
Gunnar Jans schrieb am 20. Februar 2010:
Weinreich – das war jetzt echt zu einfach. Warum stellt eigentlich in dieser ganzen Debatte niemand die Frage, wie der Herr Doktor der Juristerei es mit dem Prinzipien unseres Rechtsstaats hält, z.B. was den Verzicht aufVorverurteilungen angeht oder das Recht des Angeklagten, angemessen gehört zu werden? Ich hab das hier mal getan – in einem Kommentar über den falschen Zwanziger
http://www.abendzeitung.de/sport/mehr_fussball/166842
Und wenn aus seiner Sicht die Beweise wirklich so erdrückend sind – müsste er dann nicht die Staatsanwaltschaft einschalten
Lasse schrieb am 22. Februar 2010:
Gut, dass man von einem Boulevard-„Journalisten“ gar nicht erst erwartet, dass er den Satz „Es gibt kein strafrechtliches Verfahren“ versteht.
Beschäftige er sich doch besser mit „Sexy Cora und ihre[r] ganz eigenen Bademode“. Muharhar!
Gunnar Jans schrieb am 22. Februar 2010:
Starke Conclusio, Lasse. Dann erklären Sie mir doch mal bitte, warum der DFB oder Zwanziger nicht Anzeige erstatten, wenn die Beweislast aus ihrer Sicht so erdrückend ist. Dann müsste die Staatsanwaltschaft doch zumindest ermitteln, könnte aber zum Ergebnis kommen, dass die Vorwürfe Zwanzigers nicht zu verifizieren sind. Das wiederum ließe Zwanziger schlecht aussehen. Oder hab ich da schon wieder etwas nicht verstanden, Lasse?
Oliver Fritsch schrieb am 23. Februar 2010:
Gibt es denn den Vorwurf einer Straftat? Gibt es denn eine Akte, Herr Jans? Der DFB ist ja keine Behörde.
Gunnar Jans schrieb am 23. Februar 2010:
Im heutigen Bild-Interview, über dessen Zustandekommen man mal recherchieren sollte (auf wessen Antrieb, vielleicht sogar Geheiß es gegeben wurde), stehen klare Vorwürfe von Strafbestandtaten drin. Konkret: sexuelle Nötigung. Es ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft nun von sich aus Ermittlungen einleiten wird/muss. Wessen Intention könnte dies gewesen sein? Wie kommt es eigentlich dazu, dass der Redaktionen in ein Frankfurter Hotel bestellt wurden, damit Kempter ihnen sein Herz ausschütten konnte? Und hat der mann sich damit einen Gefallen getan? Oder jemand anderem? Man wird ja wohl mal Fragen dürfen.
Gunnar Jans schrieb am 23. Februar 2010:
drei Redaktionen, sorry
Oliver Fritsch schrieb am 23. Februar 2010:
Das sind durchaus berechtigte Fragen, Herr Jans. Aber ein strafrechtliches Delikt ist vermutlich nicht zu erkennen. Knie anfassen wird wohl nicht genügen.
Gunnar Jans schrieb am 23. Februar 2010:
In die Hose fassen vielleicht schon, Herr Fritsch. Aber darum geht es mir nicht. Ich frage mich noch immer, warum der DFB/Zwanziger die Sache so öffentlich ausdiskutieren und erst Amerell und nun in gewisser Weise auch Kempter öffentlich vorführen, statt die Sache vor Gericht klären zu lassen. Insofern ist Amerells Unterlassungsklage vor dem Münchner Landgericht höchst spannend.
Zwanzigers Glaubensbekenntnisse – ein Art religiöse Krisenkommunikation | sportticker schrieb am 7. März 2010:
[…] er der Ãœberzeugung ist, dass überhaupt nichts passiert ist, was man ihm anlasten kann”. Und er glaubt deshalb, dass der ehemalige Schiedsrichter-Beobachter schuldig ist, denn ansonsten hätten viele junge […]