Effe, Uwe, Paul und ich
von René MartensÃœber „Der Ball ist eine Kugel. Das große Bücher der Fußballbücher“ (Bombus-Verlag), das Ben Redelings zusammengestellt hat, kann ich grundsätzlich nichts Negatives sagen. Schließlich sind fast zwei der zirka dreihundert Seiten für eines meiner Bücher reserviert („‘Scheiß-Fußball!‘ – Was echte Fans so richtig ärgert“, www.eichborn.de). Ich bin bei Redelings – aus chronologischen Gründen – zwischen Stefan Effenberg und Uwe Seeler gelandet, und damit lässt sich doch prima leben, ha!
Bei „Der Ball ist eine Kugel“ handelt es sich um eine kommentierte Auswahlbibliographie zur hiesigen Fußballbuchproduktion seit 1942. Redelings stellt mehr als 150 Werke vor, indem er kurz den Inhalt zusammenfasst und einige exemplarische Passagen zitiert. Für mich am ergiebigsten ist der erste Teil des Buchs, der sich auf die Zeit vor 1992 bezieht. In eben jenem Jahr erschien im Werkstatt-Verlag der Sammelband „Der gezähmte Fußball. Zur Geschichte eines subversiven Sports“, ein Schlüsselwerk das Genres. Mein Interesse für Fußballbücher war geweckt. Okay, ich habe natürlich auch vorher welche gelesen, zumindest in der Zeit zwischen dem zirka achten und zwölften Lebensjahr, aber daran kann ich mich nur vage erinnern. Für die These, dass vor 1992 fast nur Mist erschienen ist, der oft aber wenigstens unfreiwillig komisch war, liefert Redelings zahlreiche Belege – wenn auch auf längst nicht so amüsante Weise wie 2001 Jürgen Roth in „Die Tränen der Trainer. Wichtige Fußballbegebenheiten“ (Oktober-Verlag), für das er sich damals unter anderem durch zahlreiche Ãœbungsleiter-Memoiren gequält hat.
Der Unterschied: Roth bearbeitet und montiert den Schrott, den er vorgefunden hat, kunstvoll, wohingegen Redelings eher referiert. Andererseits: Wichtig sind in „Der Ball ist eine Kugel“ auch einige Fundstücke, die nur am Rande komisch sind. Nehmen wir zwei rund drei Jahrzehnte alte Textpassagen. Zum Beispiel von dem Windmacher Paul Breitner, der seinerzeit die Zukunft des hiesigen Profifußballs in einer „Operettenliga“ nach dem damals gültigen US-amerikanischen Vorbild sah (wahrscheinlich ist fast alles so gekommen, wie er sich das vorgestellt hat). Helmut Schön wünschte sich, wie er unter dem Titel „Fußball. Erinnerungen“ notierte, das Gegenteil, also noch viel Schlimmeres: „Meine große Sorge ist, dass mehr und mehr sportfremde Einflüsse auf den Fußball einwirken … Je mehr der Fußball durch Attraktionen aufgepäppelt wird, die mit dem Sport nichts mehr zu tun haben, umso bedenklicher wird es. Der Weg ins totale Show-Business könnte uns Zustände wie bei den Harlem Globetrotters bringen. Ich hoffe, dass die Jugend nicht in dieser Richtung erzogen wird.“
Übers gesamte Buch verstreut hat Redelings auch noch Fußballbuch-Listen von dreizehn Experten, die selbst Verfasser solcher Werke oder sonstwie prominent oder Pressesprecher des VfL Bochum sind. Sie haben jeweils ihre Top Five zusammengestellt, in der die üblichen Klassiker genannt werden. Ist nicht als Vorwurf gemeint. Trotzdem kann ich mir an dieser Stelle natürlich nicht verkneifen, fünf All-Time-Greats hinzuzufügen, die keiner der Kollegen unter seinen ersten fünf hat:
Simon Kuper: Ajax. The Dutch, The War: Football in Europe During the Second World War, Orion 2003
Arthur Heinrich: Der Deutsche Fußballbund. Eine politische Geschichte, Papyrossa, Köln 2000
Andrei S. Markovits/Steven S. Hellerman: Im Abseits. Fußball in der amerikanischen Sportkultur, Hamburger Edition, Hamburg 2002
Tom Bower: Broken Dreams. Vanity, Greed and the Souring of British Football, Simon & Schuster, London 2003
Francis Hodgson: Only the goalkeeper to beat, Macmillan, London 1998
Worum es in den drei erst genannten Büchern geht, ergibt sich aus den Untertiteln. Bei Bower finden Sie, was Sie schon immer über Spielervermittler (und andere finstere Gesellen) wissen wollten. Und Hodgson hat eine Kulturgeschichte des Torhütens geschrieben.
madcynic schrieb am 10. Mai 2007:
Hmmm, hat der Kollege auch Produkte des Fußballschreibschaffens aus der DDR mit einbezogen?
rmartens schrieb am 15. Mai 2007:
Also, ein Buch hat er mit drin (von 1977).