Kontroll-Prince Boateng
von René MartensDass Pressesprecher von Profivereinen und Berater von Stars zur Kontrollmanie neigen und dabei oft ein recht befremdliches Verständnis von Pressefreiheit offenbaren, ist für viele Journalisten nichts Neues. Einen aktuellen Fall dokumentiert jetzt der Spiegel. Für ein Doppelporträt der Boateng-Halbbrüder (Seite 102) wollte das Magazin beide Spieler interviewen, doch nur mit Jérome kam ein Gespräch zustande. Das mit Kevin-Prince Boateng fiel aus, weil dessen Manager verlangte, „der komplette Text müsse von ihm gelesen und freigegeben werden, bevor er veröffentlicht wird“, wie der Spiegel schreibt. Redakteur Maik Großekathöfer sollte eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen – worauf sich der natürlich nicht einließ. Bekanntlich steht derzeit zur Debatte, dass Kevin-Prince Boateng aufgrund der Insolvenz seines FC Portsmouth bald den Verein wechselt. Wichtiger scheint es allerdings zu sein, dass er sich einen neuen Manager sucht.
„In der Not hilft Fladenbrot“
von René MartensNach Saufen für St. Pauli und Bluten für Union erleben wir nun in Zwickau ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Vereinsrettungsmaßnahmen. Wer dem insolventen Oberligisten (und Ex-Zweitligisten) FSV wieder auf die Beine helfen will, muss Döner futtern. In der Not hilft Fladenbrot heißt die Aktion. Das klingt ein bisschen nach Werbesprüchen der 1970er Jahre – und im übrigen nicht nach einem leidenschaftlichen Bekenntnis zur türkischen Küche.
Das Tor zur inneren Freiheit
von René Martens„Blättert man am Montag die Zeitungen in anglophonen Ländern wie Kenia, Nigeria, Ghana oder Simbabwe durch, findet man nur selten gute und ausführliche Berichte über die Spiele am Wochenende. Wenn man Glück hat, wird die Tabelle abgedruckt, aber sie strotzt vor so vielen Fehlern, dass ihre Aussagekraft begrenzt ist. Dafür sind die Seiten mit großen Geschichten über den britischen Fußball gefüllt.“ Unter anderem darum geht es in meinem Artikel über Bartholomäus Grills Buch Laduuuuuma! Wie der Fußball Afrika verzaubert für die WoZ. Außerdem um die enge Verzahnung von Fußball und Politik in Afrika und die Architekten der Armut im WM-Ausrichterland. Mehr hier.
Sport und Medien – Eine deutsch-deutsche Geschichte
von René MartensUnter diesem Titel findet am 5. und 6. März im Deutschen Sport- und Olympiamuseum Köln eine Tagung statt, die einige Leser dieses Blogs interessieren dürfte (Anmeldung bis zum 19. Februar). Zwei Vorträge seien hier zur Einstimmung hervorgehoben: „Vom preiswerten Lückenfüller zum überteuerten Luxusprojekt – Eine kleine Geschichte der Fußball-Bundesliga im Fernsehen“ von Dietrich Leder und „Die Vervielfachung der Bilder – Zur Produktion von Live-Ãœbertragungen der Fußball-Weltmeisterschaften“ von Leder und Volker Weicker. Außerdem auf dem Programm: Doping unter deutsch-deutschen Aspekten. Ich selbst bin mit einem Vortrag rund um diese beiden Themen dabei. Das komplette Programm hier.
Old-Trafford-Regime verbietet Twitter und Facebook
von René Martens Facebook und Twitter haben die Rahmenbedingungen für den Sportjournalismus nicht nur insofern verändert, als jetzt plötzlich auch gewöhnliche Stadionbesucher live von einem Spiel berichten können. Ebenfalls gewandelt hat sich die Rolle der Athleten, ihnen bieten die sozialen Netzwerke die Möglichkeit, die traditionellen Medien, die ihnen oft genug auf die Nerven gehen, zu umgehen und sich direkt an die eigenen Fans zu wenden.
Unabhängig davon, ob Sportstars nun Gehaltvolles posten: Die Klubs sollten eigentlich in der Lage sein einzusehen, dass sie von deren Eigenmarketing und von der Verbesserung der Kommunikation zwischen Star und Fan mittelbar ebenfalls profitieren, doch bisher scheinen die meisten Vereine und Verbände soziale Netzwerke eher als Problem zu sehen, weil Sportler jetzt die Möglichkeit haben, eigene Ansichten zu verbreiten, ohne dass die Presseabteilung Interview-O-Töne autorisieren kann.
Ganz besonders restriktiv agiert in diesen Tagen Manchester United. Offensichtlich hat der Club seine Stars Wayne Rooney, Ryan Giggs und Rio Ferdinand dazu angehalten, ihre Facebook- und Twitter-Profile zu löschen bzw. dort sämtliche Inhalte zu entfernen. Dies berichten Pitch Invasion und EPL News. Als ob der Klub nicht ohnehin schon unter wenig angenehmer Berichterstattung zu leiden hätte.
Die Einschätzung, Manchester United lebe „in der Steinzeit“, wie EPL News schreibt, klingt fast noch niedlich, mich erinnert das Vorgehen eher an diktatorische Regime der Gegenwart. When Saturday Comes schrieb in seiner Dezember-Ausgabe noch, es werde für die Profis zusehends leichter, aus den „Ketten auszubrechen, die ihnen die Klubs in vergangenen Jahren angelegt haben“. Bei United, das zeigt das aktuelle Beispiel, funktionieren die Ketten noch. Schon seltsam, dass, beispielsweise, ein 36-jähriger Mann wie Ryan Giggs offenbar nicht selbst entscheiden darf, ob er in einem sozialen Netzwerk aktiv sein möchte.
„Sauftouren gibt es auch in der Bundesliga“
von René MartensMichél Mazingu-Dinzey, in der Ersten Liga einst unter anderem für den FC St. Pauli, Hertha BSC und 1860 München aktiv, hat sich vor rund einem Jahr als Alkoholiker geoutet. Im Interview spricht der 37-jährige über die psychologischen Probleme, die ihn während seiner Profizeit plagten, und den Druck, mit dem Leistungsfußballer generell konfrontiert sind. Der Mittelfeldspieler trug 33-mal das Trikot der Nationalmannschaft des Kongo, vormals Zaire. In der Bundesliga wurde es als Michél Dinzey bekannt; Manzingu ist der Nachname seines Vaters, den er nach dessen Tod annahm. Der Wahl-Hamburger, seit kurzem A-Lizenzinhaber, gehörte bis Ende 2009 zum Trainerstab des FC Saint Eloi Lupopo in der kongolesischen Metropole Lubumbashi und will auch künftig als Trainer arbeiten. Darüber hinaus widmet er sich verschiedenen sozialen Projekten.
df: Sie haben vor knapp einem Jahr, Ende November 2008, Ihre Alkoholkrankheit offenbart. Was hat den Ausschlag dafür gegeben, damit an die Öffentlichkeit zu gehen?
Michél Mazingu-Dinzey: Ich bin seit November 2001 trocken, aber mir war immer klar, dass ich das zu meiner aktiven Zeit das auf gar keinem Fall machen werde, weil ich wusste, dass der Druck von außen dann noch viel größer geworden wäre. Dann fallen den Leuten beim Namen Dinzey nur noch die Stichworte Probleme und Alkohol ein. In der Saison 07/08 habe ich noch für Holstein Kiel gespielt, in der 4. Liga. Danach hat es noch einige Zeit gebraucht, bis ich mich zu dem Entschluss durchgerungen habe.
df: Haben sich nach dem Outing andere Spieler gemeldet, die in einer ähnlichen Situation sind oder waren?
Mazingu-Dinzey: Hinter vorgehaltener Hand gibt es genügend Leute, die mir Recht geben, andere halten es nicht für richtig, mit so einer Sache an die Öffentlichkeit zu gehen. Klar ist: Aktive werden es nie machen, der Druck ist zu groß, es geht um Werbeverträge, um das heile Image eines Vereins. Natürlich sind die Leute erst einmal geschockt und fragen sich: Was ist denn mit dem denn los? Auf längere Sicht ist es eine lohnende Sache. Wichtig ist zum Beispiel, dass mich Rainer Thomasius, der Leiter der Jugend-Sucht-Station des Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, kontaktiert hat. Mit dem habe ich mich danach getroffen (Weiterlesen …)
Wem gehört der Sport?
von René MartensFür die Funkkorrespondenz habe ich einen Grundsatzartikel zur Entwicklung der audiovisuellen Sportberichterstattung unter den Rahmenbedingungen der fortschreitenden Digitalisierung geschrieben:
Man darf ihn durchaus als wegweisend bezeichnen, den Vortrag, den David Schlesinger, Chefredakteur von Reuters News, im Juni dieses Jahres vor der Pressekommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hielt. „Rethinking rights, accreditation, and journalism itself in the age of twitter“, lautete der Titel. Ãœbertragungsrechte, Akkreditierungsregelungen und der Journalismus selbst müssten also im Zeitalter von Twitter komplett überdacht werden. Bemerkenswert ist die Forderung nicht zuletzt deshalb, weil sie ein renommierter Vertreter der alten Medienwelt formuliert hat … Mehr hier
Wer emotional reagiert, ist nicht manisch aggressiv
von René Martens„Der kranke Sport“ lautet heute die Überschrift eines Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, in dem sich Thomas Kistner mit der Frage beschäftigt, was der Tod Robert Enkes über den Sportbetrieb im allgemeinen aussagt. Die Krankheits-Metapher halte ich im Zusammenhang mit Sport ohnehin für sehr fragwürdig, bedenklich finde ich an diesem Text aber vor allem eine Passage, in der es um Symptome geht, die Kistner zu erkennen glaubt:
Speziell im Fußball lassen sich zunehmend Verhaltensweisen beobachten, die daneben sind. Sichtbar wird in der Regel nur eine Variante von Psychoproblemen, die manisch-aggressive …
Als Beispiel für solche „Psychoprobleme“ erwähnt der Kollege das „Kopfabschneider-Zeichen“ eines „Zweitligatorschützen“. Gemeint ist die Torjubelaktion des St. Paulianers Deniz Naki beim Spiel in Rostock. Wenn ein 20-jähriger Kicker, dessen Eltern Türken sind, auf rassistische Beschimpfungen und eine allgemein hasserfüllte Atmosphäre im Stadion mit einer emotionalen, spontanen Geste reagiert, hat er keineswegs ein „Psychoproblem“. Dass es – noch – Spieler gibt, die in solchen Situationen auf menschlich verständliche Weise reagieren, ist erfreulich (ich hätte mir auch eine subtilere Geste gewünscht, aber das ist nebensächlich). Dass der Fußballbetrieb – aufgehetzt von den Jagd- und Schäferhunden des Sportjournalismus – so etwas mit absurden Sanktionen bestraft, ist das Problem. Im übrigen sind es ja genau diese Jagd- und Schäferhunde, die den „Konformitätsdruck“ (Rob Alef) miterzeugen, der Robert Enke dazu veranlasst hat, seine Krankheit geheim zu halten. Letztlich läuft es wohl darauf hinaus, dass ich mir einen anderen Sport wünsche als Thomas Kistner.
100 Jahre Hakoah Wien
von René MartensDer 1. Mai 1926 war ein großer Tag für den US-amerikanischen Fußball: Hakoah Wien, im Jahr zuvor erstmals österreichischer Meister, verlor mit 0:3 gegen eine Kombination aus Spielern der US-Klubs New York Giants und Indiana Flooring. 46 000 ZuschauerInnen füllten die Ränge des New Yorker Polo Ground – so viel wie nie zuvor bei einem Fußballspiel in den USA. Der österreichische Fußball galt damals als einer der besten der Welt, und der jüdische Klub aus der Hauptstadt dürfte einen ähnlichen Ruf gehabt haben wie heute ein dominierendes Team aus der Champions League. Der Zuschauerrekord ist allemal bemerkenswert, denn es sollte 51 Jahre dauern, ehe in den USA mehr ZuschauerInnen einem Fußballspiel beiwohnten …
In der WoZ stelle ich dieses Buch vor, das anlässlich des hundertjährigen Jubliäums des bedeutenden jüdischen Sportklubs Hakoah Wien erschienen ist. Mehr hier.
Was ist eigentlich der Helmut Sandrock für einer?
von René MartensEs gibt bestimmt noch Menschen, die den DFB für lernfähig halten: Fans, die zum Beispiel glauben, dass der Leistungsfußball im Amateurbereich eine Zukunft hat. Die darauf hoffen, dass irgendwann wieder Zeiten kommen, in denen eine Mannschaft von der Oberliga in die Regionalliga aufsteigt, die sich sportlich dafür qualifiziert hat. Fußball-Enthusiasten, die es für wichtig halten, dass das Ligensystem durchlässig ist und ein Teilbereich eben nicht zu einem Closed Shop wird. Die glauben, es werde noch einmal eine Zeit anbrechen, in der sich der DFB wieder als Interessenvertreter der Amateurvereine versteht und nicht als deren Totengräber (Weiterlesen …)
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