Live-Protokoll Schalke gegen Werder 1:0
von Oliver FritschAus meinem Live Blog für Zeit Online (per copy & paste):
Fazit Schlechtes Spiel. Miese erste Halbzeit, leichte Erhöhung der Aktivität und der Dramatik in der zweiten. Eine Schande, dass die Schalker für eine solche Leistung drei Heimpunkte bekommen. Man hätte sie wegen Passivität disqualifizieren müssen. Von den schön stürmenden Bremern der vergangenen Jahre ist auch nicht mehr viel zu sehen. Diego und Pizarro fehlen zudem. Seltsam oder auch bezeichnend, dass sich die Bremer nach dem Spiel selbst loben. Es gab so gut wie keine Strafraumszenen, Flanken erreichten allenfalls Kniehöhe. Technische Fehler, ungenaue Schüsse ausgehend von Spielfeldkoordinaten, von denen man nicht schießt, wenn kein Engländer im Tor steht. Und das gilt für beide Seiten. Von den ehemaligen, aktuellen und künftigen deutschen Nationalspielern (Westermann, Asamoah, Kuranyi, Mertesacker, Özil und vor allen Frings) wollen wir besser nicht reden. Zugegeben, sie waren wie alle bemüht, und es wurde gegrätscht und verteidigt. Aber heute sahen wir in der Tat den 9. gegen den 10. der Tabelle. Mittelmaß. Kampf. Unzulänglichkeit. Wovor hatten die Spieler Angst? Es geht ja nicht gegen den Abstieg.
Ganz schwach auch wieder der Schiedsrichter (Drees). Mindestens zehn Pfiffe, also Freistöße, zuviel. Mindestens. Die Bundesliga – ein Paradies für Faller wie Asamoah. Eigentlich müssten die Schiedsrichter pro Spiel fünf Elfmeter ahnden, wenn sie im Strafraum die selben Maßstäben anlegen würden wie außerhalb des Strafraums. Aber dafür fehlt ihnen das Rückgrat. Und sie bestreiten es auch vehement, dass sie zwei „Foul-Zonen“ kennen. Klar, müssen sie ja auch, wäre ja nicht regelkonform. Außerdem, warum gibt es so gut wie immer drei Minuten Nachspielzeit in der zweiten Halbzeit (übrigens so gut wie nie in der ersten) – unabhängig von dem, was passiert?
Ich hör jetzt auf, aber Sie können gerne kommentieren, wenn Sie sich registrieren. Ich freue mich über jede Wortmeldung. Haben Sie anderes gesehen als ich?
Endstand Schalke-Bremen 1:0 Nach drei Minuten Nachspielzeit, keiner weiß, warum so viel. Fazit folgt sogleich.
87′ Die Schlussphase ist wieder elendig. Schalke gelingen keine Konter, Bremen schafft es nicht in den Strafraum. Almeida schießt aus fünfunddreißig Metern. Ist das Optimismus oder Verzweiflung?
82′ Werders Tormann Wiese klärt zwanzig Meter vor dem Tor. Wäre fast unter dem Ball durchgesprungen. Stürmerwechsel Bremen: Harnik,der Österreicher, für Rosenberg, der heute gespielt hat wie ein Österreicher. Bei Schalke Sanchez für Farfan.
80′ Wenn die Schalker zu kontern versuchen, sieht das aus, als würden sie nicht wissen, dass es einen zweiten Gang gibt.
74′ Schaaf wechsel Bremens Abwehrchef Naldo aus (Niemeyer ersetzt ihn). Mit Marcel Reif weiß ich nicht, warum. Verletzt? Taktischer Wechsel? Ich würde ja Frings rausholen. Gelb für Jones wegen einer fiesen Bodenaktion.
72′ Frings vergisst beim Dribbling den Ball. Engelaars Laufstil eine Mischung aus Elefant, Pferd und Storch (SZ).
69′ Gute Gelegenheit zum Ausgleich: Özil-Freistoß fällt auf Naldos Schienbein, das den Ball leicht Richtung Tor beschleunigt. Aber wozu hat Neuer Hände?
65′ Bremens Linksverteidiger Boenisch, bereits mit Gelb verwarnt, mit dem x-ten Foul „muss“ ausgewechselt werden, und Pasanen nimmt seine Position ein. Oft waren Boenischs Fouls aber nicht so hart wie der Schiedsrichter und Marcel Reif es werteten. Asamoah fällt nun mal gern dramatisch.
61′ Rakitic geht, und Engelaar, der Mann mit dem wunderbaren Vornamen Orlando, kommt.
54′ Es kommt Musik ins Spiel. Zum ersten Mal muss Schalkes Keeper Neuer eingreifen und Rosenbergs Schuss entschärfen. Özil walzerte sich zuvor durch die Abwehr.
48′ Tor für Schalke 1:0 Nach einem sanften Freistoß von Farfan köpft Höwedes ins lange Eck. Es konnte nur nach einem Standard ein Tor fallen.
47′ Boenisch mit zwei groben Szenen: einmal gegen den Ball einmal gegen Rafinha.
16:28 Entnehme Twitter, dass Peter Lövenkrands heute für Newcastle United ein Tor geschossen hat. Kennt Ihr den Namen, liebe Schalker? Kuranyi, heute mit besonders feinem Bartstrich, kommt für Altintop. Wird mit leichten Pfiffen empfangen, aber ich hab auch mindestens ein halbes Dutzend Leute applaudieren hören.
Halbzeit 0:0 Erster Akt des Trauerspiels vorüber. Beide Mannschaften hängt die Angst sichtbar hinten aus den Hosen raus. Jeweils nur eine halbe Chance. Enorm viele Fehlpässe in den Mittelfeldern, schwacher Spielaufbau. Kaum mal ein Dribbling, nicht mal ein gefährlicher Schuss. Und was will Frings? Der kann doch in dieser Verfassung nicht für die deutsche Nationalmannschaft auflaufen. Gut, er kämpft, aber er kriegt ja nicht einen Ball zum Mitspieler.
Ich glaub, ich schalte um. Vor allem brauch ich nen Kaffee und ein bisschen Bewegung, bevor mir die Augen zufallen.
16:12 Wieso hat Schalke eigentlich Fabian Ernst verkauft? So kurz vor Ende der Transferperiode. Er war doch Stammspieler.
Jubel, als das Gegentor für Hoffenheim durchgesagt wird.
38′ Es ist ein schlimmes Spiel. Soeben hat Kobiashvili einen Freistoß vors Bremer Tor flanken wollen, und der Ball hat den Boden kaum verlassen. Danach hat Mertesacker wieder einen langen Pass auf die Schalker Verteidigung geknorzt.
32′ Ein Lichtblick in diesem Spiel der Mutlosen: Ivan Rakitic geht durch zwei Gegner durch und versucht es aus spitzem Winkel. Tim Wiese darf endlich fliiiegen. Wollt schon sagen: Rakitic, der mit Kroatien eine starke EM spielte, kanns doch nicht verlernt haben.
29′ Erste Pfiffe gegen Schalke – Rückpass von der Mittellinie.
26′ Ach, Du grüne Neune! Asamoah schießt mit seinem starken Fuß von der Strafraumecke. Der Ball trifft die Eckfahne. Sowas nennt sich Stürmer, sowas nennt sich (Ex-)Nationalspieler.
19′ Özil schlägt gute Ecken. Vielleicht ein Grund mehr dafür, dass man sich auf den deutschen Nationalspieler Özil freuen sollten. Löw hat ihn am Donnerstag für das Norwegen-Spiel nächsten Mittwoch nominiert. Er war ja auch bei der Türkei im Gespräch. Lies FAZ.
15′ Bremen ist bislang die „Heimmannschaft“: mehr Ballbesitz, mehr Drang nach vorne, eine Kopfballchance durch Naldo nach einem Eckball. Allerdings sehen wir viele leichte Ballverluste von Frings, Baumann, Metzelder, der vorhin den Ball unbedrängt ins Nichts gepasst hat. Viele Unterbrechungen durch den Schiedsrichter – erstens weil ordentlich gegrätscht wird (schieben wir es mal auf den Regen), zweitens weil ein deutscher Schiedsrichter pfeift. Stöhn.
Die Aufstellungen schnell nachgereicht:
Schalke: Neuer – Westermann, Bordon, Höwedes, Rafinha – Jones, Kobiashvili, Rakitic – Farfan, Altintop, Asamoah (Kevin Kuranyi sitzt auf der Bank)
Bremen: Wiese – Boenisch, Naldo, Mertesacker, Fritz – Baumann, Frings, Tzilois, Özil – Almeida, Rosenberg
Schiedsrichter: Jochen Drees
Zuschauer: 61.673 (ausverkauft)
15:22 Ich sitze auf dem Sofa und freue mich mit Ihnen, liebe Leser, auf das Spiel. Natürlich auf Ihre Kommentare. Wir haben uns für Schalke gegen Werder entschieden, weil in diesem Match die meiste Brisanz liegt; lesen Sie auch den Vorbericht der SZ. Beide Klubs spüren, dass sie an einer Epochenschwelle stehen könnten. Sehen wir gleich zwei Fußballruinen? Was besonders bei Werder zu fürchten ist, denn es ist die Mannschaft, die bis vor kurzem Liebling der Ästheten war (bis Hoffenheim kam und sie ablöste). Ohne dass mein Herz für Bremen schlägt – man musste seine Spielweise, von der noch immer Spuren zu erkennen sind, einfach mögen. Ãœber Schalke will ich nicht viel sagen, denn ich möchte keine religiösen Gefühle verletzen.
Interessant ist natürlich auch die Partie Gladbach gegen Hoffenheim, Letzter gegen Erster, Geschichte gegen Gegenwart, Tradition gegen Emporkömmling.
15:13 Haben sich Bremen und Schalke in den vergangenen daran verhoben, Bayern München Konkurrenz zu machen? Ist es nur eine schwache Saison oder werden die beiden Klubs Hoffenheim, Wolfsburg, Hertha und Hamburg dauerhaft den Vortritt lassen? Oder können beide die Saison noch retten? Bremen hat man ja schon häufiger zu früh abgeschrieben. Und die Verantwortlichen reden ja noch immer von den „internationalen Plätzen“.
15:10 Moin moin
Hooligan auf pädagogisch
von Günter ClobesDer Wintermarkt ist geschlossen, und nach all den „Ahs“ über unerwartete Transfers (Kroos, Donovan , Boateng, Sanogo, Zdebel) und „Ohs“ über den Rückrundenstart (Bayern, Schalke, Bremen) bleibt ein bisschen Zeit, auf den Rest des Fußballbiz zu schauen.
Und da gibt es Erscheinungen, die den Blick verdienen. Allerdings ist es kein wohlwollender Blick, denn im Netz gibt es Sachen, das glaubt man nicht. Etwa das englische Online Game Little Hooliganz, das die ganze bigotte Maschinerie des Geldmachens mit Aspekten des Fußballs auf den Punkt bringt. Motto und Claim des Spiels ist „Werde der berüchtigtste, respektierteste und fieseste Hooligan, den die Welt je gesehen hat!“ Die Spieler müssen dazu prototypische Verhaltensweisen von Hools entwickeln, mit denen man Punkte sammelt. Grafik und Aufmachung generell zielt auf ein Publikum zwischen 7 und 16, das mittlerweile über 50000 Mitspieler umfasst.
In England hat das eine ungeheure Debatte und harte Kritik ausgelöst, die der Erfinder des Spiels, Chris Evans, auf sehr eigenwillige Weise zu entkräften versucht. „Dass User bei uns virtuell Baseball-Schläger kaufen und sich zu virtuellen Massenschlägereien treffen können, heißt nicht, dass sie dies auch in ihrem realen Leben tun werden“, erklärte Evans. Das Spiel sei lediglich eine Parodie auf Gewalt im Fußball. „Ich glaube, unsere User können zwischen Spiel und Wirklichkeit unterscheiden.“
Okay, dann sollte man dem Mann eigentlich noch dankbar sein. Das Spiel ist ja geradezu pädagogisch wertvoll. Und hey, was das für Perspektiven bietet: Heißt das nächste Spiel dann „Mein eigenes Guantanamo“ oder „Hitler für einen Tag“ – alles nur um zu verstehen, was pfui und bäh ist? Alles klar, ist nur eine Frage der Perspektive.
Ein Live-Spiel gegen die Sportschau – widerwärtig!
von Oliver FritschIm deutschen Profifußball ist die Meinung Konsens, dass einem die Politik das Leben schwer macht. Ãœberall Standortnachteile, die es zu bekämpfen gilt (die Vorteile fallen ihnen selten ein). Auf dem Sportbusiness-Kongress (Spobis) in München Anfang dieser Woche bekräftigte der DFL-Chef Christian Seifert auf dem Podium, dass die DFL an zwei politischen Fronten aktiv werden wolle: Die Länder wolle man dazu drängen, den umstrittenen Glückspielstaatsvertrag noch in diesem Jahr zu reformieren, der dem Staat das Monopol einräumt und die Sponsoring-Einnahmen der Liga verringert. Und die 20-Uhr-Grenze werde die Liga „juristisch klären“ lassen (Weiterlesen …)
Ein einiger Verein – HSV besiegt Bayern 1:0
von Oliver FritschMladen Petric steht noch lange nach dem Abpfiff in der Mixed-Zone: „Das war mein bester Tag in Hamburg, so eine Stimmung wie heute gab es nicht einmal in Dortmund.“ Dieser Vergleich heißt etwas, das erfüllt auch heimischen Journalisten mit Stolz, die Petric zuhören. Hinter ihm liegt der Rückrundenbeginn, hinter ihm liegt der Sprung an die Tabellenspitze. Hinter ihm liegt ein hinreißend spannendes und gutes Spiel zwischen dem Hamburger SV und Bayern München, in dem er vor ausverkauftem Haus (57.000) zum Hauptdarsteller geworden ist: Er schoss das einzige Tor.
In der 44. Minute konnte Münchens Torwart Michael Rensing einen Weitschuss David Jarolims nur in die Strafraummitte, aber immerhin nach oben abwehren. Petric hob den steigenden Ball geistesgegenwärtig per Kopf über Rensing hinweg. Ein anspruchsvoller Treffer, denn er konnte den Ball nur durch einen sehr hohen Seitwärtssprung erreichen und nur durch extreme Bogenspannung im Oberkörper so viel Fahrt mitgeben, um ihn ins gut zehn Meter entfernte Ziel zu schicken. Dass Petric ein perfektes Kopfball-Timing hat, bewies er oft im Hamburger Strafraum, den er bei Freistößen und Eckbällen des Gegners bewachen muss. Einige Male konnte er die Hereingaben Bastian Schweinsteigers entschärfen. Das macht Stürmer besonders wertvoll.
Doch wer konnte damit rechnen, dass kein Tor mehr fallen würde? Und wer kann es im Nachhinein erklären? Schließlich ließen beide Teams nach sechs Wochen Winterpause keinen Zweifel an ihrem Tatendrang. Die Hamburger begannen mutig und stark, sie wollten beweisen, dass Hamburg nicht Stuttgart ist, das die Bayern vor drei Tagen zerfleddert hatten (5:1). Und wonach Fußballdeutschland wie üblich fragte: Wer kann diese Bayern bremsen?
Bereits zu Beginn näherten sich beide Mannschaften den Toren des Gegners gefährlich. Bastian Schweinsteiger löffelte eine Flanke Christian Lells über das Tor (3.), wofür er sich nachher von Trainer Jürgen Klinsmann rüffeln lassen musste. In der 6. Minute endete ein Versuch Piotr Trochowskis am Pfosten. Der HSV setzte die Bayern-Abwehr unter großen Druck.
Strafraumszenen gab es für drei Spiele. Dem Feld durfte man keinen Augenblick den Rücken zudrehen – abgesehen von einer Phase Mitte der ersten Halbzeit, als die Bayern das Hamburger Tempo aus dem Spiel nahmen und Schiedsrichter Knut Kircher viel zu oft ein Foul erkannte. Am folgenschwersten, als er vor Luca Tonis Tor (29.) einen Regelverstoß gesehen haben wollte. Als einziger im Stadion neben seinem Assistenten. Selbst in der kurzen Phase zwischen Tor und Halbzeitpfiff, als Fans und Stadionsprecher noch skandierten, schossen die Bayern zwei Mal aufs Tor.
In der zweiten Halbzeit flogen die Hamburger Schutzengel Überstunden. So viele gute Chancen für die Bayern! Miroslav Kloses Kopfball (55.) sahen einige hinter der Torlinie; sein abgefälschter Stoß fiel aufs statt ins Netz (66.); Toni nickte einen leichten Ball, eigentlich ein sicheres Tor, aus kurzer Distanz daneben (69.); einen Kullerer des eingewechselten Tim Borowski schaute Tormann Frank Rost um Zentimeter am Pfosten vorbei (80.); und als Klose zwar Rost überwand, aber Jérome Boateng auf der Linie im Weg stand (83.), war klar: Das HSV-Tor ist an diesem Abend versiegelt. Auch die Nachspielzeit, in der man gegen Bayern in Hamburg seit 2001 die Luft anhält, verstrich. Fast hätte sich noch Rensing bei einem Eckball die Gelegenheit geboten, den Ausgleich zu erzielen. Aber irgendetwas und irgendwer verhinderten es irgendwie im letzten Moment.
Auch Hamburg stürmte ständig, auch bei Führung: Petric‘ Kopie des Morlock-Tors von Bern 54 unterschied sich vom Original durch den Pfosten (46.) als Ende, Trochowski und Paolo Guerrero fürchteten durch Rensing wenig Widerstand – so oft und aus so ungünstigen Positionen schossen sie aufs Bayern-Tor. Und das alles ohne den gesperrten Ivica Olic. Allerdings sollten die Hamburger Überzahlkonter üben, wie auch Trainer Martin Jol gesteht: „Damit bin ich unzufrieden.“
Nach dem Spiel bewahren die Bayern Größe und machen die unerwartete Niederlage nicht am Schiedsrichter fest. Vorstand Karl-Heinz Rummenigge kann nicht ausschließen, dass das Erlebnis Stuttgart manchem Spieler den Kopf verdreht hat. Jürgen Klinsmann, der sich dieser These anschließt, ärgert sich über Unkonzentriertheiten in den ersten 30 Minuten. Manager Uli Hoeneß soll zwar Schiedsrichter Kircher in der Kabine aufgesucht haben, doch es sei „nicht emotional zugegangen“ (Kircher). Ihre Besten waren Philipp Lahm und, der 69. Minute zum Trotz, Luca Toni. Für Hamburg (neben Petric) Trochowski und Jarolim, der sich Fleißkärtchen verdiente.
Der HSV kann auf eine aufregende Woche zurückschauen: Erst die Mitgliederversammlung am Sonntag, deren Wahlergebnis dem Klub Ruhe gibt. Dann der Einzug ins Pokalviertelfinale gegen 1860 München am Dienstag. Nun der Sieg gegen die Bayern, vorübergehend Platz 1 und das Verdienst, allen gezeigt zu haben, wie spannend die Bundesliga werden kann.
Eine weitere wichtige Erkenntnis: Der Support der Fans hat nicht darunter gelitten, dass ihr Vorsänger die Aufsichtsratswahl verloren hat. Petric hatte mit nichts anderem gerechnet: „Die Fans stehen hinter uns, sie machen uns stark, das wussten wir.“ Der HSV, zurzeit ein einiger Verein.
Zwanziger verkalkuliert sich mit Rücktrittsdrohung
von Oliver FritschBevor es zum HSV geht, der heute gegen eine andere Fußballmannschaft spielt, eine hoffentlich abschließende Notiz zum Fall Zwanziger ./. Weinreich: Das Internet ist also schuld, wie bei so vielem. Als FAZ-Abonnent kenne ich die Leier. Theo Zwanziger, der gegen den Journalisten Jens Weinreich wegen eines Allerweltbegriffs vor Gericht zog, hat der FAZ gesagt, dass er nicht, wie im Dezember angekündigt, als DFB-Präsident zurücktreten werde, sollte er als juristischer Verlierer hervorgehen: „Das Gefühl der Ohnmacht, mit solchen neuen kommunikativen Mitteln nicht fertig zu werden, hat sich mittlerweile gelegt.“
Man kann das ganze auch als Einsicht verstehen, als Einsicht in die Chancenlosigkeit. Vermutlich wird Zwanziger die Klage gegen Weinreich zum zweiten Mal und endgültig fallen lassen. Rücktritt hatte übrigens keiner gefordert. Zwanziger hat sich mit der Drohung verkalkuliert, die den Druck in der Öffentlichkeit erhöhen sollte. Es ist ihm allerdings niemand, wie erhofft, zur Seite gesprungen. Für Neueinsteiger: Der Fall lässt sich in diesem Blog, der als Medium beteiligt ist, gut verfolgen. Etwa hier, hier oder im Interview mit dem Chef.
Was bislang unterging: Der DFB hatte vorige Woche eine weitere Schlappe erlitten, denn den Widerspruch gegen Weinreichs Einstweilige Verfügung hat das Landgericht Berlin abgelehnt. Es steht also 0:5. Das sollte man vielleicht erwähnen, wenn man „das Internet“ verantwortlich macht. Es waren nicht nur Virtuelle, Anonyme, Nullen und Einsen oder beteiligt, sondern Richter. Und derjenige, der diesen Monat mit dem Goldenen Prometheus als bester Online-Journalist des Jahres 2008 ausgezeichnet worden ist.
In der FAZ ist auch die Rede von besseren Voraussetzungen des DFB zum Schutz gegen das Internet. Wie sollen die aussehen? Sind die digital, emotional, sind die aus Beton und Stahl? Wie auch immer – was wünschenswert wäre: Weniger Prozesse, das Dritte Reich aus dem Spiel lassen, wenn es nicht unbedingt sein muss, und nicht mit solchen hohen und oft hohlen Begriffen wie „Ehre“ hantieren.
Die aktuelle Ausgabe von causa sport dokumentiert den Fall. Stefan Niggemeier hat sich der Sache angenommen, und Jens Weinreich notiert es ebenso.
Wer muss schon um acht ins Bett? Benny Lauth!
von Oliver FritschKurzer Bericht vom Pokalachtelfinale HSV-1860 3:1
Manche Fernsehreporter brauchen fünf Zeitlupen und zwei digitale Hilfslinien, um Abseits zu erkennen. Den Schreibenden geht es offensichtlich ähnlich. In der Pause fragte ein Kollege einen anderen: „Manche sagen, dass es Abseits gewesen sein soll. Was meinst denn Du?“ Ivica „Scheitel“ Olic stand beim 1:0 für den Hamburger SV derart deutlich im Abseits, dass man es ihm eigentlich als Frechheit auslegen muss, weiterzuspielen. Doch es war natürlich die richtige Entscheidung des Stürmers, denn Abseits ist, wenn (Weiterlesen …)
Aufstand in Hamburg ausgefallen, freies Geleit für Hoffmann
von Oliver FritschDer Aufstand ist ausgefallen. Der Aufstand, von dem die Aufständischen behaupteten, dass es gar keiner werden sollte. Was ihnen aber viele nicht abnahmen, auf deren Unterstützung sie angewiesen waren. Von den vier Suppoters, die für den Aufsichtsrat des Hamburger SV kandidierten, hat kein einziger die notwendigen Stimmen erhalten. Nicht der beliebte Vorsänger aus der Kurve Johannes Liebnau, nicht der argumentativ und rhetorisch starke Journalist Manfred Ertel. Ingo Thiel und Anja Stäck waren ohnehin nur Außenseiter.
Hamburg hat konservativ gewählt. Korrigiere: Hamburg hat extrem konservativ gewählt. Kontinuität statt „Change“, wie es anmaßend obamaesk auf einem Flugblatt hieß. Die neuen und zum Teil alten Aufsichtsratsmitglieder sind fast ausnahmslos Unternehmer, seriöse, aber auch meist blasse Männer.
Der große Sieger ist Bernd Hoffmann, obwohl er gar nicht zur Wahl stand. Zumindest nicht offiziell. Die Erleichterung in seinem Gesicht und die Gratulationen, die er entgegennahm, sagen jedoch: Mit dem neuen Aufsichtsrat wird seine Arbeit als Vorstandsvorsitzender nicht schwerer werden – wie das der Fall gewesen wäre, wenn er künftig seinen Kurs von Ertel und Liebnau hätte kontrollieren lassen müssen. Hinzu kommt: Hoffmann-Vorgänger und -Gegner Jürgen Hunke wurde nicht wiedergewählt. Hoffmann fiel es nach der Wahl schwer, seine Genugtuung hinter versöhnlichen Worten, adressiert an die Verlierer, zu verbergen: „Lasst uns den Verein einen!“
Gewinner ist auch der HSV. Der Verein, der es schafft, nahezu 5.000 Mitglieder zu einem fruchtbaren Sitzungsmarathon zu versammeln und sie in eine solch wichtige Entscheidung einzubinden, ist ein Unikat. Nirgendwo anders im Profifußball hat das Volk so viel Mitspracherecht. Der Souverän hat eine souveräne Entscheidung gefällt: Freie Hand für Hoffmann, unter dessen Führung der HSV zu seiner Rolle als Bundesliga-Macht zurückgefunden hat.
Verlierer sind die Supporters. Ihr Fehler war erstens, das Maß verloren zu haben. Viele Fans, die deren Engagement prinzipiell schätzen, sind der Meinung, dass die Supporters zu weit gehen wollten. Der Auftrag aus den eigenen Reihen heißt nun klar: Für die Belange der Mitglieder sollt Ihr da sein, in wirtschaftlichen, politischen und sportlichen Fragen habt Ihr nicht mitzureden!
Zweitens hat die Basis den Hoffmann-Kritikern Ertel und Liebnau ihren sanften Kurs des Wahlkampfs nicht geglaubt. Eine „Ypsilanti des HSV“, vor der ein Redner zu Beginn warnte, wollten die Mitglieder nicht erleben. Der Favorit der Fans ist Ex-Profi Sergej Barbarez. Er mag einer der coolsten Fußballer gewesen sein; zur Frage, welche Ziele er mit seiner Kandidatur verfolge, kann er jedoch nicht viel sagen. Dass er sich durchgesetzt hat und nicht der versiertere Liebnau, macht die Niederlage für die Supporters besonders bitter.
Doch vergebens war das Engagement der Supporters nicht. Sie dürfen sich gutschreiben, Hoffmann ein Versprechen abverlangt zu haben: In seiner Rede gestand er, es sei ein Fehler gewesen, 97 Euro für ein Ticket zu verlangen. „Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“ Hoffmann wurden Grenzen gesetzt, und er muss weiter damit leben, dass die HSVer die Frage im Hinterkopf tragen: Wie weit würde der Einzelspieler Hoffmann gehen, wenn er tun und lassen könnte, was er will?
Die offenste Kritik an Hoffmann aller Redner formulierte Christian Reichert, das im Herbst zurückgetretene ehemalige Vorstandsmitglied. Der verdiente und angesehene Supporter begründe seinen Schritt mit fehlendem Vertrauen durch Hoffmann, Reichert fühlte sich in vielen Entscheidungen übergangen und nicht als vollwertig erachtet. Doch seine Kritik verebbte, weil er sie zu einer denkbar ungünstigen Zeit vortragen musste: nach den Höhepunkten des Tages, am Ende der langen Veranstaltung.
Ob der Aufsichtsrat anders besetzt worden wäre, wenn Reichert seine Kritik vor der Wahl und damit einem aufmerksamen Publikum dargelegt hätte? Doch die Tagesordnung bestimmt nun mal mit über das Wahlergebnis – noch eine demokratische Lehre, die der HSV an diesem Tag demonstriert hat. Die Tagesordnung entsprach übrigens dem Wunsch Hoffmanns.
Stimmen, Stimmungen von der HSV-Aufsichtsratswahl
von Oliver FritschAus meinem Live-Twitter-Ticker von gestern, ein Kommentar folgt gegen heute abend
Zu Fuß im CCH angekommen, war nicht schwer zu finden, ab Planten un Blomen immer der Masse nach.
Mladen Petric mit Krawatte, umlagert von Fans, die Autogramme wollen – wie lange noch Hamburger? Lies FAZ von heute
Auftritt Hoffmann, gibt sich cool lächelnd, Remis in der Blitzlichtwertung mit Barbarez
Geht los: Durchatmen, Presse darf diesmal bleiben, vor zwei Jahren gabs Auf-Wiedersehen-Gesänge für die Kollegen
Totengedenken, Ehrung verdienter Amateursportler und Ehrenamtler – HSV, ein deutscher Verein. Von Brisanz bislang keine Spur
Von 4-5000 anwesenden Mitgliedern ist die Rede
Erster Schusswechsel mit Reaktionen aus dem Plenum: Streit um Tagesordnung, Hoffmanns erste Wortmeldung aggressiv
Geht los mit TOP Aufsichtsratswahl, Vorstellungsrunde mit zwanzig Kandidaten plus Fragerunde, ein Marathon steht bevor
Redner Pogalla, auf den sanften Supporters-Wahlkampf anspielend: „Ich hoffe, wir erleben nach der Wahl nicht die Ypsilanti des HSV!“
Mächtig Gegenwind für die Supporters durch die Redner und das Plenum / sind noch in der Phase vor der Vorstellungsrunde
Buhrufe für Supporters-Fürsprecher lassen Hoffmann 10cm wachsen, kann sich gerade noch ein Lächeln verkneifen
Hätt ich mir für heute die St.-Pauli-Cap meines Kumpels leihen sollen?
Hoffmann-Vorgänger und -Kritiker Hunke ist dran mit vorstellen, Drückerkolonnen-Charme, Hoffmann beißt sich auf die Lippen, kuckt an die Decke
Unternehmer Karan mit heiterem und ernstem Auftritt, gibt auf Nachfrage zu, Ronald Schills Wahlkampf unterstützt zu haben, dann aber von ihm enttäuscht wurde und sich abgewandt hat
Klinik-Chef Debatin, Bandow-Kandidat, stark in der Bütt, auch bei Nachfragen, sicherer Kandidat
Willi Schulz, 66 Länderspiele für den HSV, liest vom Blatt ab, bekommt Nachfragen – schwache Repliken / nun der erste Supporter: Ingo Thiel
Thiel: inhaltlich gut, aber ohne Charisma – Tendenz keine Chance
Meine Schlagzeile vom Freitag wurde vorhin ablehnend zitiert: „Machtkampf zwischen Basis und Vorstand“
Dass Katrin Sattelmairs Vater für Bild Kolumnen schreibt, wie sie auf Nachfrage einräumt, kostet ihr die letzte Wahlchance, raunendes Publikum
Barbarez, ein Favorit: „Bilanzen kann ich keine lesen, weiß aber, wie das Geschäft läuft“ / viele Sympathien für ihn, aber auch kritische Fragen zu seinem Wechsel nach Leverkusen
Barbarez hätte sich auf diese Nachfrage fast verplappert („Was will man machen, wenn man nicht mehr geliebt …?“) / Anmerkung: der aktuelle Vorstand war es ja, der ihm vor drei Jahren keine 2 Millionen mehr anbot
Will auf seinem neuen Posten die Titel nachholen, die er als Spieler für den HSV versäumt hat
Gleich Supporter Ertel vom Spiegel, neben Liebnau der brisanteste fall – Hoffmann-Gegner und Journalist, was ein Konflikt ist
Supporter Ertel (58): neben Debatin beste Rede, bester Redner, wird aber vom Plenum bearbeitet, von Hoffmann vom Hallenrand aus beäugt, der ihn ernst nimmt
Den Rollenkonflikt in der Doppelrolle Journalist/Aufsichtsrat will Ertel nicht erkennen
Ex-Stadionsprecher und Schauspieler Marek Erhardt heute nicht ganz so penetrant auf Sendung und Wirkung aus wie sonst
Jetzt Jojo Liebnau – ob er ein Hasslied auf Werder oder Hoffenheim oder gar den Aufsichtsrat anstimmt?
Guter Auftritt von Liebnau: „Aufsichtsrat braucht jugendliche Auffrischung“, kühler Applaus von
Hoffmann, Plenum scheint auf seiner Seite
Bernd Enge, aktueller Aufsichtsrat und letzter Redner: „Die Ersatzspieler haben wir für 5 millionen an Werder Bremen verkauft.“
Wahl, Pause für mich, Tipps: Liebnau, Barbarez, Hunke, Enge, Horst Becker, Otto, Debatin, Wulff
2 Euro für nen Schluck Cola auf der Mitgliederversammlung – wie weit wollen sie an dieser Schraube drehen, Herr Hoffmann?
Kurzer Plausch mit Ertel, rechnet sich und Supporters wenig Chancen aus, ist enttäuscht über Angriffe und Unterstellungen des Plenums gegen ihn
HSV wählt konservativ, korrigiere: extrem konservativ: Horst Becker, Otto, Debatin, Karan, Wulff, Enge stehen fest – kein Supporter gewählt! Hunke als 12. raus
Wahlgang 2: Barbarez und Peter Becker, der letzte Bandow-Kandidat drin, Liebnau raus – Überraschung, Hoffmann großer Sieger
Starker Wirtschaftsflügel im neuen Aufsichtsrat / viele blasse Typen
Hoffmann versucht, seine Genugtuung zu verbergen: „Supporters machen tolle Arbeit, lasst uns wieder eine Einheit werden!“
Hoffmann: „Ich bin stolz, dieser Gemeinschaft vorzustehen, es ist eine tolle Vereinsdemokratie“ – gönnerhafte Siegerrhetorik
Versöhnliche Adresse an die Supporters: „Es gab Beulen im Wahlkampf. Lasst uns wieder eine Einheit werden!“
Supporters-Chef Bednarek: „Wenigstens ein Teilziel erreicht: der Aufsichtsrat ist neu besetzt“ – Verliererrhetorik
Zur Erinnerung, Herr Bednarek: Horst Becker, aktueller Aufsichtsratsvorsitzende, bekam die meisten Stimmen, etwa 75 Prozent
Liebnau: „Enttäuschung ja, aber eine demokratische Wahl ist zu akzeptieren. Immerhin haben wir erreicht, den Dialog zu entfachen.“
Dass Hoffmann auf offener Bühne ankündigt, keine 97 Euro mehr für ein Ticket zu verlangen, schreibt Liebnau den Supporters gut – und schiebt süffisant nach: „Wenn Hoffmann sich dran hält“
Hoffmann: „97 Euro gegen Werder war ein Fehler, tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“
Ex-Vorstand Reichert begründet seinen Rücktritt im September 08 mit „fehlendem Vertrauen“ durch Hoffmann
Reichert: „Lieber Bernd, ohne ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen wird es nicht funktionieren, den Verein zu einen.“
Reicherts Kritik kommt zu spät, die Messen sind gesungen, die Leute, wenn sie nicht schon weg sind, müde
Diskussion über Tagesordnung: Hinter den Kulissen ist von einem „Skandal“ die Rede, dass vor dem Bericht des Vorstands gewählt wurde
Die größte Mitgliederversammlung aller Zeiten ist zu Ende, der Saal fast leer, die Revolte ausgefallen
Schlechte Zeiten für eine Wende: Platz 4, gute Bilanzen, Stadion ist immer voll.
Zeit für den Heimweg nach St. Pauli
Ertel in den Tagesthemen: „Ein stromlinienförmiger Aufsichtsrat. Alles ehrenwerte Menschen, aber zu viele von der gleichen Sorte.“
Bernd Hoffmann zwischen Selbstbewusstsein und Skepsis
von Oliver FritschIch hab mich vorgestern mit Bernd Hoffmann in einem Café in Hamburg getroffen. Wie groß ist seine Furcht, den Job zu verlieren, wenn morgen tatsächlich die vier Supporters-Kandidaten (oder drei der vier) in den Aufsichtsrat gewählt werden sollten? Wie wertschätzt er, der Geschäftsmann und Macher, die Vereinsstruktur des HSV, und ihre basisdemokratischen Elemente? Ist Hoffmann tatsächlich das Gegenstück zu einem Fußballfan? Der Spiegel hat in seiner langen Story den Eindruck erweckt, als würde Hoffmann bei Toren mit dem HSV das Champagner-Glas erheben, und die Leute, die neben ihm im Stadion sitzen, mit den Juwelen klimpern. Wie weit will er die „Kommerzialisierung“ des Fußballs noch vorantreiben?
Eine Stunde Zeit hat er, mehr als ursprünglich vereinbart. Doch kein Interview heißt es. „Wir haben bislang kein Interview zu dem Thema gegeben und wollen nun keine Ausnahme machen.“ Am besten gar kein Wortlaut. Also meinetwegen. Offen und gesprächig ist er. Ich hatte ja an dieser Stelle ein Interview angekündigt. Ein Missverständnis. Oder: mein Fehler.
Hoffmann will keinen Zweifel an sich und seiner Arbeit aufkommen lassen, weiß aber natürlich um seine Situation und was morgen für ihn auf dem Spiel stehen könnte. Vielleicht nicht unbedingt sein Job, aber das Tagesgeschäft könnte ihm erschwert werden. Eine Bewertung der Supporters-Kandidaten scheut er, über sie lässt er kein schlechtes Wort fallen. Dass es Leute im Verein gibt, die eine andere Führung wollen, sei ihm klar. Und schiebt nach, dass er diese nicht mit den Supporters gleichgesetzt wissen will. Manfred Ertels Aussage in der SZ („Hoffmanns Job wird schwerer“) hat er gelesen. Ihm gegenüber hegt er Skepsis. Sergej Barbarez sei übrigens nicht Hoffmanns Kandidat.
Stolz ist er auf seine Bilanzen: sportlich, bis auf eine kurze Talfahrt vor zwei Jahren, konstant gut; wirtschaftlich gesund, gerade erst wurde Nigel de Jong weit über Marktwert verkauft; das Stadion ist voll; die Reputation in der Stadt sei gestiegen. Dieses Selbstbewusstsein spricht aus ihm in jedem Satz, in jedem Blick. Klar ist ihm, dass er wenig Bonus hat. Als der HSV im Winter 2006/2007 auf dem letzten Tabellenplatz stand, hat die Lokalpresse seinen Kopf gefordert.
97 € für ein Bundesliga-Ticket hat der HSV beim Heimspiel gegen Werder Bremen im November verlangt, zumindest für ein Kontingent von etwa tausend Plätzen. Wie weit kann man an dieser Spirale noch drehen? Dass das in der Öffentlichkeit das Bild vom Business-Hoffmann bestätigt, dürfte er gelernt haben. Hätte man natürlich vorher wissen können. Die Kritiker weist er darauf hin, dass der Klub die Preise für Spiele in der Woche reduziere, etwa in nationalen oder internationalen Pokalwettbewerben.
Ein eingetragener Verein macht neunstellige Umsätze im Jahr – das wertet Bernd Hoffmann als Anachronismus. Strukturen würde er gerne modernisieren, weiß aber, dass er in Hamburg keine Chance hätte, das umzusetzen. Vermutlich ist er einer der größten Gegner der 50+1-Regel, aber er könnte derjenige sein, der am wenigsten von ihrer Abschaffung profitierte. Rahmenbedingungen macht er nicht für alles verantwortlich: Dass sein HSV vor drei Jahren gegen Rapid Bukarest aus dem Uefa-Pokal ausgeschieden ist, habe nichts mit fehlenden Investoren zu tun.
In der Kritik steht Hoffmann, weil er dem Sportchef der Hamburger Bild-Zeitung zum 60. Geburtstag eine Uhr im Wert von über 1.000 € geschenkt hat. Hat er sich das Wohlwollen der Redaktion gekauft? Die Bild-Zeitung teilte oft kräftig gegen ihn aus, inzwischen bekommen es die Hoffmann-Gegner aus dem Supporters-Lager ab. Hoffmann bestreitet einen Zusammenhang, und er bestreitet einen Hintergedanken. Es sei üblich, sich bei langjährigen Partnern wie Sponsoren und Journalisten mit einer Nettigkeit zu bedanken. Wie konkret üblich, sagt er auch auf Nachfrage nicht. Dass er Journalisten als Partner und in einem Atemzug mit Sponsoren nennt, enthüllt ein fragliches Bild von Journalisten. Aber es ist ein Zustand, den Hoffmann nicht zu verantworten hat, sondern die Wir-sitzen-alle-in-einem-Boot-Anhänger. Als Journalist hat man Geschenke nicht anzunehmen.
Kann man Hoffmann, den Mann, der die Raute angeblich nicht im Herzen trägt, auf dem falschen Fuß erwischen? „Können Sie mir die Elf von Athen 83 nennen?“ HSV-Fan ist er ja nicht seit seiner Kindheit. Hat er aber auch nie behauptet. Immerhin acht kriegt er aber zusammen. Und ich muss ehrlich sein: Mir hat auch einer gefehlt: Bastrup. Ich hatte von Heesen auf der Rechnung, der wurde aber eingewechselt.
Ich bin den Antworten ein Stück nähergekommen. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Eine Frage bleibt: Wie weit würde Hoffmann gehen, wenn er unkontrolliert tun und lassen könnte, wie er wollte? Und natürlich auch: Wie weit werden seine neuen Kontrolleure gehen?
Nachzulesen auch auf Zeit Online, für deren Redaktion ich arbeite. Ich versuche heute ab etwa 10 Uhr, die Eindrücke von der Aufsichtsratswahl live für Zeit Online Sport zu twittern.
Das Anti-Hoffenheim
von Oliver FritschAm Sonntag wählen die Mitglieder des Hamburger SV acht von zwölf Mitgliedern ihres Aufsichtsrates neu, der unter anderem darüber entscheidet, ob der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann verlängert wird. Muss er um seinen Job fürchten? Angeblich planen die Supporters, die rund 45.000 Mann starke Mitgliedergruppe, sich die Macht zu erschleichen, um ihn abzusetzen. Diesen Teufel malt zumindest die Hamburger Boulevardpresse an die Wand, seitdem bekannt ist, dass die Supporters vier Kandidaten ins Rennen schicken. Die lokale Prominenz hat sich den Warnungen angeschlossen, etwa Uwe Seeler, Ole von Beust und einige ehemalige Funktionäre.
Was wird Hoffmann vorgeworfen, der seit 2003 den Verein führt und der eine saubere wirtschaftliche und eine gute sportliche Bilanz präsentieren kann? Hoffmann hatte zu Beginn seiner Amtszeit versucht, die Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern. Um unabhängiger und professioneller handeln zu können, sagt er. Um das Tafelsilber des Klubs für den schnellen Erfolg zu verkaufen und den Fußball den Mitgliedern zu entziehen, entgegnen die Kritiker. Die Mitglieder lehnten seinen Plan 2005 eindeutig ab. Der Argwohn mancher ist geblieben. Einerseits.
Andererseits treten die sonst gerne, wenn auch oft romantisierend, kritischen Supporters derzeit sehr brav auf. Auf der Wahlkampfveranstaltung in der vorigen Woche im Hotel Grand Elysée gab es nur lobende Worte für den Vorstand. Auch Ralf Bednarek, Chef der Supporters, sagt: „Der Vorstand macht gute Arbeit. Es geht um den Aufsichtsrat, nicht um den Vorstand.“
Doch viele, auch aus den eigenen Reihen, halten diesen neuen Kurs für unglaubwürdig. „Habt Ihr Kreide gefressen – jetzt, kurz vor der Wahl?“, fragt ein Zuhörer. In den Fan-Foren gibt es seit Monaten Kritik an den Supporters, auch im Stadion waren Differenzen nicht zu überhören. Hoffmann gibt vor, keine Angst um seinen Job zu haben. Allenfalls hege er Bedenken, das Alltagsgeschäft könne unter einem widerspenstigen Aufsichtsrat leiden.
Es geht um Macht, auch wenn die Kandidaten das so nicht aussprechen. „Ich verfolge keine persönliche Interessen, mir geht es um den Verein“, sagt Johannes Liebnau, einer der vier. Liebnau wäre ein ungewöhnlicher Aufsichtsrat. Nicht nur, weil er erst 26 Jahre zählt, sondern weil er der „Capo“ ist, der Vorsänger der HSV-Ultras. Auch wenn er es von sich weist – natürlich ist auch das ein statusreicher Posten. Einer, der einem das Gefühl von Bedeutung schenkt. Die Tausende in der Kurve lassen sich nicht von jedem dirigieren, das darf nur einer, der in der Hierarchie oben steht. Darf jemand, der Schmähgesänge auf Werder Bremen anstimmt, einen hanseatischen, renommierten Sportverein repräsentieren?, fragen viele nun pikiert.
Doch Liebnau ist ein eloquenter Typ mit Studienabschluss Betriebswirtschaft. Auch die anderen Supporters-Kandidaten sind keine Halbstarken oder Hooligans. Anja Stäcker ist Bankkauffrau, Ingo Thiel ist Unternehmer, und Manfred Ertel ist Journalist beim Spiegel. Ertel, der als Hoffmann-Gegner gilt, verkaufte sich während der Wahlveranstaltung sehr überzeugend. Es gehe ihm zeit seines Lebens um die „Kontrolle von Mächtigen“, sagte er zu seiner Motivation, sich für das Ehrenamt Aufsichtsrat zu bewerben. Er verbitte es sich, als „Idiot öffentlich herabgesetzt zu werden“, wie das einige Altvordere des Vereins in den Medien taten. Schwer vorzustellen, dass Ertel entgegen seinen Beteuerungen einen Putsch plant, zumal er wissen dürfte, dass er, um den Zorn der Anhänger zu entfliehen, anschließend die Stadt verlassen müsste. Doch es ist Ertel, der die Skepsis Hoffmanns auf sich zieht. Liebnau anscheinend weniger.
Manfred Ertel: „Wir wollen Fußball bezahlbar machen.“
Prinzipiell sind die Hamburger auf ihre Klubstruktur stolz: Ein fester Aufsichtsratsposten ist ihnen per Satzung garantiert, einer der vier Vorstandsposten ist mit einem Delegierten besetzt, der nur für die Belange der Mitglieder zuständig ist; derzeit ist das Oliver Scheel. In Zeiten, in denen der deutsche Fußball die Abschaffung der 50+1-Regel erwägt, in Zeiten, in denen in England Scheichs und Rohstoffmilliardäre Klubs feindlich übernehmen, gilt der HSV als Bastion der Demokratie. Fans anderer Klubs beneiden ihre Konkurrenten aus Hamburg. Bloß, wie weit sind Mitbestimmung und Demokratie im Milliarden-Business Profifußball hilfreich?
Ob es Zufall ist, dass die Hamburger Basis gerade jetzt verschärft um ihre Macht kämpft? Die TSG Hoffenheim scheint zu beweisen, dass Einfluss von Außen dem sportlichen Erfolg eines Klubs schadet. Trainer Ralf Rangnick und sein kleins Team haben keine Schlagzeilen des Boulevards zu fürchten, kein Vereinsveteran redet ihnen rein, Mäzen Dietmar Hopp gibt ihnen freie Hand – und Fans, die die Entlassung von irgendwem fordern oder Spieler auspfeifen, gibt es (noch) nicht. Hoffenheim ist nicht nur deswegen so erfolgreich, weil sie fähige Leute beschäftigen. Hoffenheim ist deswegen so erfolgreich, weil die fähigen Leute in Ruhe arbeiten können. Hoffenheim ist Tabellenführer ohne gewachsene Fan-Kultur.
Echte Fans wollen keine Kunden oder Trikotkäufer sein. Fan-Sein heißt, an seine Wirkung glauben. Dem Vorstand die Meinung geigen, die Gegner-Fans übertrumpfen, die Mannschaft zum Sieg brüllen. Liebnau glaubt, dass sein Chor dazu beigetragen hat, dass der HSV seit Jahren so gut spielt, dass er sich immer für den Europapokal qualifiziert. Liebnau glaubt, dass er dazu beigetragen hat. Und das sagt er auch.
Im vergangenen Oktober verlor der HSV gegen Hoffenheim chancenlos 0:3, die Stimmung machten die HSV-Fans. In einem Auswärtsspiel! Und wenn nicht alles täuscht, schreien die HSV-Fans nicht mehr dann am lautesten, wenn ein Gegentor der Bayern oder von Werder aus einem fremden Stadion vermeldet wird, sondern eins von Hoffenheim. Wenn man schon die Bundesliga-Tabelle nicht anführt, dann wenigstens die Support-Rangliste. Und dort ist dem HSV Platz 1 nicht zu nehmen. Erst recht nicht, wenn am Sonntag der Aufsichtsrat mit Liebnau und seinen Mitstreitern bestückt wird.
Ingo Thiel: „Der Vorstand hat gelernt. Es gibt keinen Grund, jemanden abzusägen.“