Bernd Hoffmann macht gute Arbeit
von Oliver FritschInterview mit Ralf Bednarek (34), seit Oktober Abteilungsleiter der Fördernden Mitglieder / Supporters Club (kurz: Supporters) beim Hamburger SV
direkter freistoss: Wollen Sie den Vorstand des Hamburger SV putschen, wie es in einigen Zeitungen stand?
Ralf Bednarek: Die Berichte habe ich auch gelesen und mich sehr gewundert. Wir haben nichts gegen Bernd Hoffmann. Wir wollen und pflegen ein gutes Miteinander. Der Vorstand macht gute Arbeit, der Klub steht sportlich und wirtschaftlich sehr gut da. Es wäre vermessen, wenn wir ihn absetzen wollten. Ich kenne keinen, der den Vorstand stürzen will. Am 25. Januar geht es um die Wahl des Aufsichtsrates, der Vorstand selber steht gar nicht zur Disposition.
df: Der Aufsichtsrat wird über die Vertragsverlängerung mit dem Vorstand entscheiden.
Bednarek: Die Supporters sind mit Teilen des Aufsichtsrates unzufrieden, deswegen haben wir vier Kandidaten nominiert. Das haben wir bereits vor vier Jahren getan. Politische Ambitionen daraus abzulesen, ist überzogen. Übrigens, der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Udo Bandow schickt ebenso vier Kandidaten ins Rennen. Da spricht keiner von einem Putschversuch, noch nicht mal von Kritik am Aufsichtsrat. Interessant, dass das mit zweierlei Maß bewertet wird.
df: Es gibt Skeptiker, die nicht mal aus den Reihen des Vorstands stammen, die den Supporters-Kandidaten vorwerfen, Kreide zu fressen: jahrelang kritisieren und jetzt, wo die Wahl ansteht, leise auftreten. Lassen die Supporters nach der Wahl die Katze aus dem Sack?
Bednarek: Da entsteht ein völlig falscher Eindruck. Unsere Kandidaten haben nie den Rücktritt Hoffmanns gefordert. Manfred Ertel, Ingo Thiel, Anja Stäcker und Johannes Liebnau betreiben seit Jahren ehrenamtliche Arbeit und handeln immer im Sinne des Vereins. Selbst in schwierigsten Zeiten sind wir nie so weit gegangen wie andere: Als der HSV vor zwei Jahren Tabellenletzter war, gab es keine Sitzblockaden, sondern wir haben eine Jetzt-erst-recht-Kampagne losgetreten. Es waren die Medien, die dem Vorstand die Entlassungspapiere in die Hand drücken wollten.
df: Die vier Kandidaten wirken sehr handzahm. Bei der Vorstellungsrunde im Elysée vor einer Woche waren alle voll des Lobs für Hoffmann, Dietmar Beiersdorfer und Katja Kraus. Das war nicht immer so. Gibt es denn auf einmal gar nichts Kritikwürdiges?
Bednarek: Nicht viel. Der Erfolg gibt dem Vorstand Recht: Wir sind seit sechs Jahren in internationalen Wettbewerben vertreten, UI-Cup eingerechnet. Das Stadion ist so gut wie immer voll. Die Bilanzen stimmen. Es geht um Kleinigkeiten, Liebnau wünscht sich zum Beispiel mehr Wir-Gefühl, andere eine bessere Kommunikation. Kritik, so scheint es, darf nicht jederzeit und nicht von allen öffentlich geäußert werden. Das sollte sich ändern. Ich sage es noch einmal: Es geht ausschließlich um den Aufsichtsrat.
df: Dass Liebnau nun in den Aufsichtsrat will und seinen Job als Vorsänger in der Kurve nicht aufgeben möchte, finden einige Kritiker unmöglich. Darf jemand, der „dem SV Werder Tod und Hass“ wünscht, den Verein repräsentieren?
Bednarek: Die Kritik daran teile ich nicht, ich akzeptiere sie aber. Was Liebnau singt, ist zum Teil wahrhaft nicht druckreif. Allerdings sind wir beim Fußball – und nicht in der Oper. Hier gehören Emotionen dazu. Und solange sie sich in Grenzen halten, finde ich das in Ordnung.
df: Welche Aufgaben üben die Supporters im Verein aus?
Bednarek: Wir machen die Stimmung, wir organisieren die Auswärtsfahrten, wir verteilen die Karten – und zwar auch nach dem Faktor, wer wie lange und wie oft dabei ist. Um die Hamburger Vereinsstruktur, die uns Mitgliedern Mitbestimmung einräumt, beneiden uns die Konkurrenten. Nicht nur die aus dem Inland, auf uns schaut Europa. Neulich war die BBC hier, um eine Dokumentation zu drehen, danach eine schwedische Reportergruppe. In Hannover und München gibt es keine Fans, sondern Kunden. Wir in Hamburg haben das Spiel behalten.
df: Und das stört den Vorstand?
Bednarek: Hoffmann wollte die Ausgliederung der Profiabteilung, die Mitglieder haben sie vor vier Jahren deutlich abgelehnt. Sie haben sich ihre Rechte am Fußball erhalten. Wenn Sie mich fragen – ich bin nicht für die 50+1-Regel, ich bin für die 100-Regel. So lassen sich unsere Ideale besser durchsetzen.
df: Was sind denn Ihre Ideale?
Bednarek: Erstens gehört der Verein seinen Mitgliedern. Zweitens: Erfolg ja, aber nicht um jeden Preis. Wir sind nicht so naiv und glauben, ohne Kommerz auskommen zu können. Wir sind keine Romantiker. Wir wollen Geld verdienen, um Fußball zu spielen. Der Trend geht aber in die andere Richtung: Fußball spielen, um Geld zu verdienen.
df: Sprechen Sie jetzt vom HSV?
Bednarek: Nein, vom Allgemeinen. Beim HSV müssen wir aufpassen, dass wir den Bogen nicht überspannen. Wohin das führt, sehen wir in England: den Niedergang der Fan-Kultur. Heute blicken Engländer und andere neidisch auf Deutschland, das Paradies für Fußballfans: Stehplätze, billige Tickets, gute Stimmung, volle Stadien.
df: Zum Beispiel die HSH Nordbank Arena.
Bednarek: Früher haben wir immer über die Betonschüssel Volksparkstadion gemeckert. Heute sind wir stolz auf unsere Arena. Wie auch immer sie heißt. Dass der Name verkauft wurde, hat den Bau des Stadions erst ermöglicht.
df: Spricht die (inzwischen gescheiterte) Ochsenzoll-Kandidatur Guido Zerbes nicht dafür, dass die Supporters große Macht anstreben? Wird der Vorstand nicht zurecht skeptisch?
Bednarek: Guido Zerbe ist ein Mitglied unserer Abteilung. Er war aber kein Kandidat unserer Abteilung in Ochsenzoll. Er hat aus eigenem Antrieb und ohne unsere Unterstützung kandidiert. Unsere Abteilung stellt ca. 85 Prozent der Mitglieder des Vereins. Da wird es schon aus statistischen Gründen immer wieder zu Kandidaturen von unseren Mitgliedern kommen – ohne dass die Abteilung diese Kandidaten dann ins Rennen geschickt hat.
Manfred Ertel, einer der vier Supporters-Kandidaten, auf einer Pressekonferenz der Supporters am 15. Januar im Grand Elysée in Hamburg. Links neben ihm Jörg Liebnau, der Hamburger Capo, rechts Ralf Bednarek
Deutsche Fußball-Ideologie
von René MartensAm Ende des Buchs „Fußball-Volksgemeinschaft“. Ideologie, Politik und Fanatismus im deutschen Fußball 1919-1964 stehen die Sätze: „Der Propagandaminister 1936 auf der Ehrentribüne des Berliner Olympiastadions – das war die Tragödie. Am gleichen Ort 70 Jahre später die Bundeskanzlerin – das ist die Farce.“ Ein Interview mit Autor Rudolf Oswald zu einem der wichtigsten Fußballbücher der letzten Jahre findet sich in der WOZ.
Warmlaufen für das Interview mit Bernd Hoffmann (HSV)
von Oliver FritschMorgen Treffen mit Bernd Hoffmann, Vorstand des Hamburger SV – Interview. Es geht um die Wahl des neuen Aufsichtsrates am Sonntag, für den vier Supporter kandidieren, unter anderem der Vorsänger aus dem Fan-Block, Johannes Liebnau. Angeblich planen die Supporters, die Macht im Aufsichtsrat des HSV anzustreben, um Hoffmann abzusetzen. Diesen Teufel malt(e) zumindest die Hamburger Boulevardpresse an die Wand. Die Supporters bestreiten das und loben Hoffmann nun für gute Arbeit, tolle sportliche und wirtschaftliche Bilanzen. Das wiederum lässt einige vermuten: Haben die Kreide gefressen? Die Welt hat sich damit befasst (und zwar ohne Klickstrecke), im aktuellen Spiegel liest man eine ausführliche Story. Es geht um Mitbestimmung, wirtschaftliche Kompetenz und natürlich Macht.
Da Sie, liebe Leser, oft gute Ideen haben und sowieso mehr wissen als ich, bitte ich Sie wie immer: Haben Sie Argumente, Beispiele, Fragen? HSV-Fans hier anwesend? Entweder in den Blog-Kommentaren oder per E-Mail, Deadline ist Freitag, 9 Uhr. Ich kann natürlich nicht garantieren, dass ich jedes Thema aufgreife.
Für immer
von René MartensDer Bildband „HSV-Tattoos. Fürs Leben gezeichnet“ zeigt auf mehr als 200 Seiten Fotos von Tätowierungen, die auf unterschiedlich phantasievolle Weise die Leidenschaft für den ewigen Bundesligisten ausdrücken. Hinzu kommen 34 Porträts und Interviews – über und mit Fans, die hier teilweise durchaus intime Teile ihres Körpers präsentieren. Eine Besprechung des Buchs findet sich in der taz. Bei zeit.de gibt es die opulente Bildergalerie dazu.
Hallo Berlin!
von René MartensAm 26. Januar findet im Stadteilladen Zielona Gora, Friedrichshain, Grünbergerstraße 73 (U-Bahn Samariterstraße), ein bunter Abend rund um das Buch „Niemand siegt am Millerntor. Die Geschichte des legendären St.-Pauli-Stadions“ statt (mit Vortrags- und Lesungselementen). Beginn: 19.30 Uhr (pünktlich).
Palästina-Demonstration gegen die Spielordnung
von Günter ClobesIn der Berichterstattung über Israels Feldzug im Gazastreifen ging es bislang hauptsächlich um die kriegerischen Aktionen dort, um Tote und Verletzte und um die weltweite Empörung gegen diese Aggression. Dass die aber nicht nur hunderttausendfach auf der Straße geäußert wurde, sondern auch auf Europas Fußballfeldern, blieb ein wenig unbeachtet.
Spektakulärster Fall mit Folgen war in Spanien der von Kanouté, malischer Nationalspieler bei FC Sevilla. Er wurde mit einer Strafe von 3.000 Euro belegt, weil er bei seinem Torjubel im Pokalspiel gegen La Coruña ein T-Shirt unter dem Trikot zeigte, das in mehreren Sprachen das Wort „Palästina“ zeigte. Der spanische Fußballverband sah darin einen Verstoß gegen den Artikel 120 seiner Spielordnung, der jegliche Werbung (also auch politische Äußerungen) in Wort oder Bild bei Strafe verbietet. Das Vergehen wird im übrigen mit einem „schweren Foul“ auf eine Stufe gestellt. Ähnlich sieht das übrigens auch die Fifa, die solche Aktionen auch sanktioniert.
Gut, dann hat Kanouté wohl gegen diese Regel verstoßen – so weit, so schlecht. Dass er aber die gleiche Summe an Strafgeld zu bezahlen hat wie etwa, um in Spanien zu bleiben, Espanyol Barcelona dafür, dass seine Fans bengalische Feuer aufs Spielfeld geworfen haben, oder Betis Sevilla für „Fans“, die sogar Nazi-Symbole zeigten, hinterlässt schon einen sehr, sehr merkwürdigen Geschmack (von Atletico Madrids Anhängern und ihren Schneebällen gegen Bilbaos Torhüter einmal abgesehen, was mit lediglich 600 Euro geahndet wurde).
Apropos, wo wir gerade dabei sind: Hat jemand schon mal gehört, dass etwa Kaka und seine anderen missionswütigen Kollegen für ihre Jesus-Werbung auf den Unterziehleibchen ebenfalls belangt worden sind?
Ein Gewinner, ein Verlierer
von Oliver FritschEiner der Gewinner des Sportjahres 2008: Wer seinen Namen noch nicht kennt, sollte ihn sich schnell merken: Jan Schindelmeiser, Manager des Herbstmeisters TSG Hoffenheim. In Fachkreisen gilt er als der neue, vielleicht sogar der bessere Uli Hoeneß. Er scheint der klügste Kopf aller Hoffenheimer klugen Köpfe zu sein. Er zieht die Fäden im Hintergrund, erzielt hervorragende Ergebnisse im Scouting und Management. Vor allem, und das hat er seinen Kollegen voraus, trifft er den richtigen Ton (Weiterlesen …)
WFV ./. Hartplatzhelden: Gericht unterbreitet Vergleichsvorschlag
von Oliver FritschDas Oberlandesgericht Stuttgart hat gestern über die Klage des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) gegen die Hartplatzhelden verhandelt, deren Gründer ich bin. Wir haben zwar noch keinen klaren Sieg errungen, aber wir sind zurück im Spiel. Das Gericht hat das Urteil aus erster Instanz gegen uns nicht bestätigt. Es regt vielmehr einen Vergleich an. Der sieht vor, dass wir die Plattform mit einigen inhaltlichen Einschränkungen weiter betreiben dürfen. Der WFV hat sich vor Gericht Bedenkzeit für den Vergleichsvorschlag der Richter erbeten. Das Hartplatzhelden-Team wird den Vorschlag ebenfalls genau prüfen und (Weiterlesen …)
Hartplatzhelden haben nichts zu tun mit dem Amateurfußball
von Oliver FritschHeute heißt’s Daumendrücken – wer mag. Hier nochmal ein älterer Hinweis.
Wer erkennt eigentlich mein T-Shirt-Motiv?
Konzeptlose Stuttgarter, defensive Bayern
von Oliver FritschJens Lehmann zieht heute in der SZ ein Resümee nach einer Vorrunde Bundesliga und gibt zu bedenken, dass in Arsenal und England viel offensiver gedacht und trainiert werde. Außerdem vermisse er einstudierte Spielzüge:
„Ich bin schon überrascht, wie viele Bundesliga-Mannschaften kein verlässliches Spiel haben. In England wusste ich: So, jetzt greifen wir an, jetzt habe ich mal ein paar Momente Ruhe. Das Schema war klarer: Wenn der Fabregas an dieser oder jener Stelle den Ball bekommt, dann spielt er ihn da oder dort hin. Die Spielzüge waren automatisiert. In der Bundesliga dagegen passieren manchmal Dinge, mit denen man nicht rechnet. Ich stehe hinten drin und denke: So, jetzt spielt er einen Pass da rüber – aber der spielt den Pass dann gar nicht da rüber. Auf einmal verliert der Spieler den Ball, und zack, geht das Spiel in die andere Richtung. Das Passspiel in Deutschland ist weniger verlässlich, das Spiel generell weniger automatisiert.“
Jetzt, wo ich 90 Minuten VfB gegen Bayern (2:2) am Fernsehen hinter mir habe, kann ich Lehmann noch besser verstehen. Die Stuttgarter waren aggressiver, stärker in den Zweikämpfen, motivierter, fanden aber keinen Weg, die Bayern-Abwehr auszuspielen. Auf lange Bälle war die Viererkette um Demichelis sehr gut eingestellt, und das Stuttgarter Kombinationsspiel sah sehr zufällig aus. Was auch daran gelegen haben mag, dass die eingewechselten Gomez und Bastürk lange verletzt waren und Trainer Babbel ohnehin erst ein paar Wochen am Ruder sitzt. Dennoch, nach Konzept sah das nicht aus. Kein Wunder, dass die zwei Stuttgarter Tore nach Ecken fielen. Gegen diese arg defensiven Bayern hätte man gewinnen können. Andererseits hätten coolere Bayern das 3:1 gemacht.
Aus meinem Live-Twitter: Khedira Mann des Spiels. Borowski mit Tor und Assist, dennoch ausgewechselt. Bayern-Abwehr stark. Hitzlsperger mannhaft. Rensing, das Fäustchen, wollte beim 2:2 einen Freistoß, vielleicht gar nicht so abwegig. Schiri Kinhöfer insgesamt kleinlich, also „deutsch“. Rot für Oddo kann man geben, 1:1 war knapp Abseits (Klose). Hartes, bissiges, spannendes Spiel. Wie war das, Hoeneß, mit der Schauspielertruppe aus Hoffenheim? Klinsmann wirkt nach dem Spiel mitgenommen, will beim Platzverweis für Oddo was raushaben. Schade, dass man ihn nicht mit dem Abseitstor konfrontiert.
Lehmann übrigens deutet in dem Interview tatsächlich auch an, nochmals den Verein zu wechseln (was vielleicht ja bloß Koketterie ist):
„Ich weiß, dass ich 39 bin, aber ich spüre diese Zahl nicht. Ich stehe morgens auf und fühle mich topfit. Falls ich weiterspiele, will ich nochmal auf höchstem Niveau spielen. Ich mache das ein bisschen von der sportlichen Entwicklung in Stuttgart abhängig. Mir gefällt es in Stuttgart sehr gut, die Atmosphäre ist angenehm, die Leute sind sehr nett zu mir. Aber man kann nie wissen, was kommt.“
Was die Stuttgarter an den Bayern so mögen? Lies die Liste (Felix Magath, Piotr Trochowski, Mario Gomez) der Stuttgarter Zeitung: „Das Verhältnis ist angespannt und von gegenseitigen Nadelstichen geprägt.“
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