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René Martens „Das sieht aus wie 74“

von René Martens

Wer in Büchern, in denen Fußball nur am Rande vorkommt, gern nach entsprechenden „Stellen“ stöbert, dem erleichtert Wilhelm Genazino mit seinem aktuellem Roman „Mittelmäßiges Heimweh“ die Forschungsarbeit: Der Fußball spielt hier nur auf den ersten vier Seiten eine Rolle. Aus den geschilderten Umständen geht hervor, dass der Roman zu der Zeit spielt, als die EM 2004 stattfindet. Der Ich-Erzähler gerät in eine ihm vage bekannte Kneipe namens Sportlereck, gleich wird hier das für die deutsche Mannschaft entscheidende Gruppenspiel gegen Tschechien gezeigt (Weiterlesen …)

Oliver Fritsch Ãœberdosierter Meyer

von Oliver Fritsch

Hans Meyer lese ich lieber, als dass ich ihn sehe und höre. Keine Frage, der Mann hat was zu sagen und ist wohl einer der besten deutschen Trainer. Es ist eine Schande, dass das erst jetzt, kurz vor (oder sogar nach) seine Rente, den Experten auffällt. Was er der SZ über sein Training und seinen Führungsstil gestern anvertraut hat, ist wieder mal lesenswert. Deutlich zu vernehmen ist aber auch in der Druckversion seiner Worte der Zungenschlag, der uns aus TV-Interviews bekannt ist. So sehr ich es schätze, dass mal jemand die meist dummen Fragen der Fernsehreporter ins Leere laufen lässt, manchmal überdosiert Meyer seine Gehen-Sie-davon-aus-Ironie zur Eitelkeit.


Hans Meyer – MyVideo
Meyer nach dem Finaleinzug im DFB-Pokal mit Waldemar Hartmann im ARD-Studio

Oliver Fritsch Schwämmchen und Kämmchen

von Oliver Fritsch

Von Tina Turner soll die Aussage stammen, dass sie vor Männern keinen Respekt habe, in deren Badezimmer sie mehr Kosmetikartikel findet als in ihrem. So mancher Fußballer würde durch ihr Raster fallen. Denn es gibt wohl keine Kreisklassenmannschaft, die nicht mindestens einen solchen Adonis in ihrer Mitte hat. Was der an Ölen und Fetten, Cremes und Sprays, Schwämmchen und Kämmchen aus seinem Beauty Case packt, würde Frau Turner glatt in die Arme ihres Ex-Mannes Ike treiben.

Besonders ihrem Haar widmen viele Fußballer ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Die Peinlichkeiten der Verbindung Fußballer und Frisur, besonders was die 80er Jahre betrifft, sind ausgelotet, alle Witze über das Rudivöllerhafte, das Oberligaeske erzählt. Damals soll es in Hessen einen Frisör gegeben haben, der den Schnitt „Modell TuSpo Ziegenhain“ im Programm führte: eine Kickermatte mit Nackenspoiler. Heute übrigens in Mode: Strähnchen Marke Dorfdisco.

Daher kommen wir an dieser Stelle um ein jüngeres Phänomen nicht herum: die Intimrasur. Ja, richtig gelesen, wir packen die heißen Eisen an. Wer tut sowas? Eine Generationenfrage. Und eine Sache des Milieus. Also, eher junge Städter. Im Trend: Iros, Pfeile, und Rauten. Wie bitte, liebe Leser, Sie erfahren hier Dinge, nach denen Sie nie gefragt haben? Aber wir reden doch über eine uralte Kulturtechnik des Menschen. Schon die alten Ägypter trimmten sich, und zwar mit Hilfe von Eselsfett und Fledermausblut. Ist doch schön, wenn sich die jungen Leute auf antike Traditionen berufen.

Zurück zum Kopf: Früher, als die Trikots noch enger, die Hosen noch kürzer und die Haare noch länger waren, war in der Minderheit, wer ohne Föhn zum Training erschien. Manche Vereine sahen sich veranlasst, mehr Steckdosen in ihre Umkleiden (und in Spiegelnähe) zu verlegen, damit sich der Kampf um die Plätze in Grenzen hielt. Es gab Spieler, die sich in der Halbzeit gefönt haben. Ein anderer hat sich beim elektrischen Haartrocknen immer auf die Sitzbank gelegt, damit, in der Waagerechten, die Tolle besser fiel. Die wenigen, die heute noch einen Föhn besitzen, brauchen ihn meist nicht mehr. Auch der Schnauzbart ist, wir alle kennen die Abgesänge, fast ausgestorben; man findet ihn, wie den Föhn, gelegentlich noch bei den Alten Herren. Allerdings sieht man denjenigen, die ihren gesellschaftlich arg diskreditierten Schnäuzer abrasiert haben, irgendwie den Phantomschmerz an. Ihnen fehlt was im Gesicht.

Fußballer und Haare, wie gesagt, eine alte Geschichte. Doch ich hätte nie gedacht, dass ich folgenden Satz mal in einer Kabine hören würde: „Mike, kannst Du mir nächste Woche mal die Haare schneiden? Sind auch nur die Spitzen.“ Ich hoffe, ich werde niemals die SMS erhalten: „Trainer, kann am Sonntag nicht spielen! Bin verletzt: Spliss.“


#7 meiner Kolumne auf rund-magazin.de

Wollte gerade darüber schreiben, wie unwahrscheinlich es klingt, dass Jürgen Klinsmann Trainer in Chelsea werden könnte; auch der England-Experte Raphael Honigstein hat mir in einer Mail auf Anfrage geschrieben: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Klinsmann das macht. Ohne seinen Stab, ohne klare Machtstrukturen im Verein und weit weg von Kalifornien.“ Und dann kommt auch schon die Meldung über die Agenturen, dass Klinsmann abgesagt habe. Die Sun hat es heute morgen berichtet. Da hat sich Franz Beckenbauer mal wieder als echter Kenner der Szene erwiesen: „Jürgen und Chelsea – ja, das passt!“, hat er heute bei Springer gemutmaßt. Wie schon erwähnt, meist trifft das Gegenteil dessen ein, was er voraussagt.

Wird José Moruinho also doch Trainer von Chelsea bleiben? Könnte natürlich davon abhängen, wie die Partien gegen Manchester United im nächsten Monat ausgehen werden. In der Premier League spielen sie am 9. Mai um Platz 1 (Chelsea only three behind), im FA-Cup-Finale (19. Mai) kreuzen die beiden Teams ebenfalls die Klingen. Das Champions-League-Finale (22. Mai) in Athen könnte eine mögliche Klimax dieses Duells sein, in dem die beiden Groß-Egos Mourinho und Alex Ferguson ihre Auftritte haben werden, sicher auch verbal. Auf Youtube kann man einige famose Mourinho-Parodien sehen und – vielmehr – hören, die unser Bild vom Ich-Ich-Ich-Menschen Mourinho bestätigen, aber auch das schwierige Arbeiten unter Roman Abramowitsch. Hier die zwei schönsten:


Shaddup your face


José and his amazing technicolour overcoat (so lässt sich Andrew Loyd Webber endlich mal aushalten)

Von Ferguson gibts immerhin einen Werbespot, der den berüchtigten „Ferguson-Föhn“ aufs Korn nimmt, der darauf zurückgeht, dass er seine Spieler derart aus der Nähe anschreien soll, dass ihre Haare vom Luftzug trocknen:

Was für ein Abend! Der Ball lief gut, der Gegner auch. Es bedurfte nicht einmal besonderer Bremer Wetterkapriolen wie undurchdringlichen Nebel oder sturmgepeitschten Dauerregens, um ein neues europäisches „Wunder an der Weser“ möglich zu machen. Um aber nicht gleich des Fußballromantizismus verdächtigt zu werden: Der 4:1-Sieg über Alkmaar muss wie ein Wunder erscheinen, wenn man die Pressekommentare zum Hinspiel vor Augen hat („als Kombinationsfußballer getarnte Biedermänner“). Haben Kritiker dieser Art, die zweifellos Ahnung vom Fußball haben, nur nicht richtig hingeschaut, oder unterliegen sie einfach nur einer deformation professionelle, an die an dieser Stelle einmal kurz erinnert werden sollte?

Die zwei Tore von Miroslav Klose ließen die Unsitte der Minutenzählerei kurz in aller Lächerlichkeit erscheinen. Die Einfallslosigkeit der Berichterstattung wird dem Leser als „Objektivität“ untergejubelt. Statt selbst nach einer Begründung zu suchen, wird dann der Spieler Spieltag für Spieltag aggressiv befragt, um das Unerklärliche zu erklären. Er steht dann entweder als realitätsleugnender Volltrottel da oder als einer, der die Verantwortung von sich schiebt. Interviews dieser Art tragen nicht zur Aufklärung bei. Klose hat nach dem Spiel darauf verzichtet, sich nun glücklich lächelnd vor die Kamera zu stellen, um der Jungfrau Maria für die Hilfe zu danken, dass er doch noch mit Fuß und Kopf das Tor treffen kann; denn der Positivismus der torlosen Minuten wird durch den Glauben an die irrationalen Mächte im Fußball komplettiert. Der „Torjäger“ selbst ist ein Tribut an die Wahrnehmungsverzerrung des Fußballspiels durch die Medien, die aber realitätsbestimmend werden kann. Wird das Spiel auf den Goalgetter ausgerichtet, brauchen Zuschauer und Medien nur noch auf ihn zu achten – allerdings auch die gegnerische Abwehr. Der Torjäger wird in den Himmel gehoben; der Torjäger, der nicht trifft, in die Hölle verdammt. Der spielende Mittelstürmer vor allem in Deutschland wird von den Medien unterschätzt; die meisten konnten es nie verstehen, warum Bayern-Star Roy Makaay in der holländischen Auswahl nie als Nummer eins gehandelt wurde. Die Scorer-Liste, die kaum in einer deutschen Tageszeitung veröffentlicht wird, sagt viel mehr aus als die Torjägerliste; denn sie klärt mit Zahlen über das Sturmspiel auf. Findet der assist mehr Anerkennung, würde auch mannschaftsdienlicher gespielt. Das unsinnige Draufknallen aus aussichtsloser Position („Den muss er selber machen“) lässt sich Spieltag für Spieltag beobachten, aber diesem Typ des Chancentods wird viel weniger Beachtung geschenkt als den „torlosen Minuten“. Klose liefert ein sehr gutes Beispiel für einen spielenden Angreifer; er sammelte weiter Scorer-Punkte, als er längere Zeit nicht selber traf – auch schon in der torreichen Zeit Werders im Goldenen Oktober 2006. Die Minutenzählerei ist nicht nur einfallslos, sondern hat schädliche Wirkung für die Spielkultur.

Der Donnerstag brachte nicht nur die Kloses Wiederauferstehung, sondern auch die des Bremer Kombinationsfußballs. Als Erklärung seien einige Hinweise angeboten: Die k.o.-Runde eines europäischen Pokals prämiert nach einem 0:0 im Hinspiel das Erzielen eines Tores. Beide Mannschaften gaben ihr bestes, um jeweils ein weiteres Tor zu erzielen. Selbst nach dem 3:1 konnte Bremen sich nicht sicher sein, die nächste Runde schon erreicht zu haben, während Alkmaar immer mehr riskieren musste, um noch im Rennen zu bleiben. Beide Mannschaften suchten ihr Heil im Kombinationsfußball; deswegen kam auch die Erinnerung an das 1:1 gegen Barcelona in der Gruppenphase der Champions League auf, die Werders Goldenen Oktober eingeleitet hatte. Ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg in dem Kräftevergleich mit Alkmaar auf Augenhöhe ist in Tim Borowskis Rückkehr zu sehen. Im Herbst 2006 hatte er noch nicht wieder seine WM-Form erreicht; jetzt gab er Werder ein Übergewicht an Aggressivität nach vorne, die eben die Spitzen besser zum Einsatz brachte als je zuvor. Durch seine eigne Gefährlichkeit schuf er Diego endlich wieder die Freiräume, die ihm durch gnadelose Defensivkicker wie Cottbus geraubt wurden. Statt mit den üblichen vieren hatte Diego es diesmal meist nur mit zweien zu tun – ein Abend voller Herrlichkeit. Klose bekam nun die Bälle, die er braucht, in einer anderen Anzahl und Qualität. Ende der torlosen Minuten. Nicht Klose hat sich verändert, sondern ein verändertes Spiel ermöglichte auch Klose einen entscheidenden Schub. Genauso wichtig: Tor Nummer 4. Diego schloss eine One-touch-Staffette ab, die im Bundesligaalltag enger Defensivtaktik nicht naheliegt. Hans Meyer weiß eben, was er tun muss, um nicht haushoch in Bremen zu verlieren; sondern die Bremer wie „Biedermänner“ aussehen zu lassen.

Neben der Torjägerfixierung ist eine der Hauptquellen verzerrter Wahrnehmung der Fußballpatriotismus. Im rückwirkenden Vergleich der internationalen Ergebnisse der letzten Woche wird dies deutlich: drei englische Vereine im CL-Halbfinale, drei spanische im Uefa-Cup-Halbfinale, dazu Milan und Werder. Fehlerquelle Nummer eins: Die Vereine repräsentieren nicht die Nationen, sondern die jeweiligen Fußballgesellschaften mit ihren spezifischen Fußballkulturen: Premier League, Serie A, Primera Division, Bundesliga. Die Ligen sind sicher durch ihre finanziellen Möglichkeiten mitbestimmt, aber keineswegs ist der Vulgärökonomismus vom Geld, das Tore schießt, gerechtfertigt. Hier wird Empirie missbraucht, um das Vorurteil zu legitimieren. Über die längste Zeit gesehen, sind trotz aller ökonomischen ups and downs die englischen Clubmannschaften die erfolgreichsten in den europäischen Wettbewerben. Die englische Fußballgesellschaft hat sich als die flexibelste, multikulturellste und internationalste erwiesen trotz einer erschreckend chauvinistischen medialen Fußballöffentlichkeit erwiesen. In der Premier League wird nicht nur ein vielfältiger Fußball gespielt, mehrere Topvereine haben sich für eine internationale Spielkultur geöffnet: Trainernamen wie Benitez, Wenger, Houllier sprechen für den Premier-League-Fußball, von dem die Kontinentaleuropäer nur die europäische Spitze sehen. Kommt es zum Nationalmannschaftsfußball, erschreckt die Gnadenlosigkeit, mit der die einheimischen Stars niedergemacht werden, von denen die Medien die gleichen Erfolge erwarten wie im Vereinsfußball. Die Differenz zwischen Clubs und Nationen wird von den englischen Fußballpatrioten strukturell übersehen.

In Deutschland gilt diese fußballpatriotische Identifikation vor allem mit dem FC Bayern. Der enttäuschte Patriotismus kippt nach jedem Ausscheiden in der Champions League um, wird dann mit dem Kleinreden der nationalen Konkurrenz beantwortet. International wird der Erfolg der anderen mit dem größeren Geld begründet, für eignen nationalen Misserfolg gibt es dann gar keine Gründe mehr. Das macht die gegenwärtige Ratlosigkeit aus. Die Abwertung des Uefa-Cups aus Bayernsicht gehört zum strukturellen Größenwahn, mit dem man auch keine Champions League gewinnen kann. Viele große Mannschaften haben sich im Uefa-Cup ihre ersten internationalen Sporen verdient, bevor sie in der Champions League reüssierten. Selbst den Bayern hat der von Otto Rehhagel (aus Beckenbauers Sicht kein Erfolg) vorbereitete Triumph 1996 gut getan, bevor sie zum letzten Mal die Champions League gewannen. Der Uefa-Cup ist nämlich keineswegs ein „Cup der Verlierer“ (Beckenbauer), sondern eine europäische Hochschule des Fußballs, die nur sehr schwer erfolgreich zu absolvieren ist. Der ganze Wettbewerb ist viel weniger vorausberechenbar als die Champions League. Durch die vielen Spiele ist er sehr anstrengend geworden, stellt hohe Ansprüche an die Ausgeglichenheit der Kader, die auch für die Präsenz vieler spanischer Mannschaften in der Endphase spricht, die mit großen Kadern arbeiten. Die Substanz dieser spanischen Mannschaften besteht zu einem sehr soliden Teil aus der Massenbasis des lateinamerikanischen Fußballs, der aus den fragwürdigen Extraprofiten der spanischen Bauindustrie bezahlt wird. Weder zu den englischen noch den spanischen Finanzierungstechniken sollte man jemals in Konkurrenz treten wollen. Die Serie A taumelt schon am Rande des Abgrunds; die Herrlichkeit kann ganz schnell zu Ende sein. Die Extraökonomie des Fußballs garantiert keine nachhaltigen Erfolge. Leeds und Dortmund lassen grüßen. Über den Uefa-Cup aber lernt man auch Mannschaften und Spieler kennen, die der Humus des Champions-League-Fußballs sind. Wenn Bayern wirklich eine neue Mannschaft aufbauen wollte, dann wäre die Teilnahme am Uefa-Cup 2007 keine Katastrophe, sondern ein Lernprogramm; aber das Wortgerassel aus München deutet in eine ganze falsche Richtung: das Festgeldkonto plündern, um ein paar Stars zu holen. Das macht keine Mannschaft aus.

Auch im Spitzenfußball geht es nicht nur um Clubs, sondern auch um Mannschaften, die vergängliche Gebilde sind. Der Zyklus, der an die Spitze führt, an der sich keiner mehr lange halten kann, ist langwierig; der Aufbau einer Topmannschaft dauert wenigstens drei Jahre und in starken Ligen wird sie vielleicht nicht einmal Meister. Wenn man sich nicht schon den mühsamen Weg von Chelsea anschauen will, dann sehe man auf Alex Ferguson und sein ManU, die dieses Jahr zum Favoriten der Champions League avanciert sind. Wie viel Geld, Mühe und Know How steckt dahinter? und die Bayernführer wollen nur mal kurz in die Kasse greifen … Für diejenigen, die hinter den Top Ten der Ökonomie (zu denen Bayern ja gehört) kommen, ist die Sache ungleich komplizierter. Bauen sie ein gute Mannschaft auf, der sogar eine nationale Meisterschaft gelingt, drohen ihnen die Stars weggekauft zu werden, bevor der ganz große internationale Erfolg kommt. Porto hat es bis zum Champions-League-Sieg geschafft, bevor sie ausgeraubt wurden, Lyon trotz großartiger Kontinuität noch nicht einmal bis dahin. Als Konsequenz der diesjährigen europäischen Erfahrung von Werder und seinem wunderbaren Abend gegen Alkmaar lässt sich sagen: Erfreuen wir uns an Diego, Klose und Frings, solange sie in dieser Mannschaft spielen; aber erwartet nicht mehr von Werder Bremen als ihr von Porto, Benfica und Sevilla erwartet. Mit diesen Teams seit drei Jahren auf einem Level zusammen zu spielen, ist doch das wirkliche Wunder von der Weser.

Oliver Fritsch Mehr ausländische Trainer

von Oliver Fritsch

Auch wenn sie nun gegen den AC Mailand ausgeschieden sind und die Presse kein gutes Haar an ihnen lässt – Bayern München ist der einzige Verein, dem es dauerhaft gelingt, die deutschen Fahne in der Champions League hochzuhalten. Einzig Bayer Leverkusen, der letzte deutsche Finalteilnehmer (2002), hat Europas Fußball-Liebhaber mit erfolg- und torreichem Spiel begeistert. Nur von Dauer war es nicht, im Jahr drauf verloren sie alle sechs Spiele der Zwischenrunde und stiegen in der Bundesliga fast ab.

Auch für den Hamburger SV scheint die Champions League ein Fluch zu sein – oder das, was die NZZ eine Gummiwand nennt: Wer zu schnell nach oben kommt, prallt ab. 2000/01 und 2006/07 zahlten die Hamburger die Teilnahme an der Champions League mit Stürzen in der Bundesliga und mit zwei beliebten Trainern, Frank Pagelsdorf und Thomas Doll. Doch vor sechs Jahren gab es wenigstens noch erinnernswerte Erfolge, etwa das 4:4 gegen und das 3:1 in Turin. HSV-Fans, die sich hingegen letzte Saison auf das Messen mit Arsenal und Co gefreut hatten, mussten in diesem Jahr froh sein, dass es endlich vorbei war, damit sich die Mannschaft auf die Kämpfe gegen Bochum und Wolfsburg konzentrieren kann. Nach vier von sechs Gruppenspielen, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt, war der HSV bereits ausgeschieden. (Den Minusrekord für das schwächste Abschneiden einer deutschen Mannschaft in der Vorrunde behielt allerdings ausgerechnet der FC Bayern; wär ja auch noch schöner, wenn sich der große FCB vom HSV einen Rekord wegschnappen lassen würde.)

Und ob Bremen, Lieblingsschüler und Hoffnungsträger aller deutschen Romantiker, sich die – sehr vorsichtige – Kritik an der Taktik nach der Niederlage in Barcelona nicht besser zu Herzen genommen hätte, statt sie empört und dünnhäutig zurückzuweisen? In dieser Saison haben einige Teams gezeigt, wie man beim Champions-League-Sieger von 2006 gewinnt, der übrigens eine Station nach Bremen aussteigen musste.

So gern man den reichen, großspurigen Bayern mal eine champions-league-freie Saison gönnen würde – sie kann man über die Grenze schicken. Die Vorrunde bestehen sie so gut wie immer, auch in der Endrunde muss man sie auf der Rechnung haben; im Rückspiel gegen Real Madrid im Februar zeigten sie eine sehr starke Leistung. Ihnen gelingt es zudem immer wieder, aus wenig viel zu machen. So wie im Hinspiel des Viertelfinals, als das Mailänder Mittelfeld in jeweils mehr als der Hälfte beider Halbzeiten taktisch und technisch derart überlegen war, dass man aus bayerischer Sicht zwischenzeitlich ein 1:4, wie vor einem Jahr, hätte unterschreiben müssen. Das Rückspiel verlief ähnlich einseitig; doch völlig chancenlos, wie viele meinen, waren die Bayern auch dieses mal nicht. Allerdings hatte Mailand (nicht nur, aber in erster Linie) die besseren Innenverteidiger: Alessandro Nesta und Paolo Maldini haben gezeigt, wie man modern verteidigt, also die Räume nach vorne engmacht, und dennoch nach hinten sichert. Nesta kann man gar nicht hoch genug loben. So oft die Bayern langen Bälle gespielt haben, so oft sie geflankt haben – Nesta wusste immer vorher, wo er den Ball erwarten kann. Liebe Bayern, kauft keine italienischen Stürmer! Kauft italienische Abwehrspieler!

Deutsche Vereine brauchen nicht auf das Geld zu verweisen; man kann auch mit kleinerer Kasse für Aufsehen sorgen. Vielleicht sollten sie es mal mit ausländischen Trainern versuchen, sie scheinen besser geschult zu sein. Liverpool hat mit dem Franzosen Gerard Houllier und dem Spanier Rafael Benitez gegen anfänglichen Widerstand blendende Erfahrung gemacht, Barcelona mit dem Holländer Frank Rijkaard, Arsenal mit dem Franzosen Arsene Wenger, Chelsea setzt auf den Portugiesen Jose Mourinho.

#13 meiner Kolumne auf rund-magazin.de

gclobes Motiviationslegenden

von Günter Clobes

Nur mal angenommen, du bist Fan eines kleinen Vereins der Bundesliga, im Moment damit wahrscheinlich von einem der 12, die um den Abstieg kämpfen. Mal ehrlich: Wie viele Faktoren gibt es da, die dir vor dem nächsten Spieltag Sorgen bereiten, dich kaum schlafen lassen und beim Gedanken daran zu Schweißausbrüchen führen? Drei? Vier? Oder nur ein einziger (Weiterlesen …)

Oliver Fritsch Schiedsrichter und Hierarchien

von Oliver Fritsch

Ich hab neulich ein A-Jugend-Spiel des Schemas David gegen Goliath gesehen. Bei Goliath, einem Oberliga-Verein mit einigen lokalen Bekanntheiten am Spielfeldrand, spielte der Torjäger der Liga, ein 17-Jähriger, für den der Klub, wie nicht nur Eingeweihte wissen, einige Euro lockergemacht hat und der die ganze Palette an Starattitüden im Repertoire hat: Reklamieren, Schwalben, Gockeltum. Der, wie ich weiß, sehr erfahrene Schiedsrichter hatte nicht den Mumm, den Jung-Star zu maßregeln. Jeden Freistoß, den er wollte, bekam er. Auch in der Jugend gibt es Klein und Groß – das ist mir nicht neu. Doch das Maß, wie hier ein routinierter Schiedsrichter sich in seinen Entscheidungen von einem Minderjährigen und seiner Entourage an der Barriere lenken ließ und seinen auch pädagogischen Auftrag unterlief, indem er sich der Hierarchie fügte, hat mich doch geärgert.

Da sind wir natürlich bei der Wiedervorlage Oliver Kahn, für den in deutschen Strafräumen ja auch eigene Gesetze gelten. Seinen jüngsten Ringerhebel gegen den Schalker Larsen und die Gelbe (und eben nicht Rote) Karte durch „Papa Gnädig Herbert Fandel“ (FAZ) hat die Presse einheitlich als Kahn-Bonus verurteilt – wobei es Jahre gebraucht hat, bis bei ihr der Groschen gefallen ist. Denn deutschen Schiedsrichtern fehlte schon immer das Rückgrat, um dem großen und uneinsichtigen Kahn die Grenzen zu ziehen. Wie soll man die Gunst, die ihm die deutsche Schiedsrichterzunft seit fast einem Jahrzehnt gewährt, anders nennen als Versagen?

Andererseits ist Schiedsrichter ein stressiger Job, die Bayern (aber nicht nur sie) verstehen ihr Handwerk der Einflussnahme sehr gut. Mit einer Fehlentscheidung gegen sie kann man schon mal in der Tagesschau landen oder drei Tage lang auf der Anklagebank der Bild-Zeitung. Vielleicht haben einige noch den Fall Hartmut Strampe im Kopf oder im Unterbewusstsein. Strampe verhängte in einem, beschönigend gesagt, Adrenalin-Spiel in Dortmund vor sechs Jahren zehn Gelbe und eine Gelb-Rote Karte gegen die Bayern; als Höhepunkt verwies er mit einem geschätzten Puls von 195 und pochender Halsschlagader das Alpha-Männchen Stefan Effenberg des Feldes. In den Tagen, aber auch in den Monaten danach geriet er durch die schwere, laute und dauerhafte Kritik von Hoeneß und Co derart in den Fokus der Öffentlichkeit, dass er einen Karriereknick erlitt. Wie so oft war der Schiedsrichter der Sündenbock, doch die Sünder waren andere.

Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn sich die Schiedsrichter und deren Vertreter dieses Problems stellen würden. Warum gibt’s nicht mal ein ehrliches Interview über den Druck, den ein Referee empfindet, wenn die Mächtigen ihn über alle Kanäle einschüchtern und kritisieren? Doch das Offensichtliche wird geleugnet – und das oft so verkrampft wie ein Augenzwinkern Markus Merks. Ex-Schiedsrichter Lutz-Michael Fröhlich spannte den Karren vor den Ochsen, um seinen Kollegen Fandel zu verteidigen: „Weil in dieser Szene Oliver Kahn verwickelt ist, der in der Vergangenheit auf dem Platz oft aggressiv aufgetreten ist, fordern viele Medien die Rote Karte. Doch Herr Fandel hat einen Vorgang in einem Spiel zu bewerten. Und nicht die Vergangenheit von Oliver Kahn.“ Stimmt ja nicht, die Leute fordern die Rote Karte, weil es eine Tätlichkeit gewesen ist, eine Respektlosigkeit, eine Demütigung. Sie wollen gleiche Regeln für alle.

Doch vermutlich war das das letzte Mal, das Kahn Milde erfahren hat. Denn Franz Beckenbauer hat grünes Licht für Rot gegeben: „Man müsste mal von Seiten der Vereinsführung erfahren, ob er Probleme hat“, kritisiert der Ober-Bayer seinen Torwart. „So, wie er sich in der letzten Zeit benommen hat, das hat mit Fußball nichts zu tun.“ Die Schiedsrichter haben also nichts mehr zu fürchten.

Übrigens fügt sich auch Kahn der Hackordnung, auch er vergeht sich nie an den Starken, sondern tritt nach unten. Seine Gegner, die er sich zum Kampf aussucht, sind immer Spieler, die einen schweren Stand in ihrem Team oder in der Öffentlichkeit haben: Larsen, Brdaric, Möller, Klose und Diego (die jeweils Startschwierigkeiten in Bremen hatten) sowie aus dem eigenen Verein Herzog und van Buyten. Kahn würde sich nie trauen, Torsten Frings an die Gurgel zu gehen.

#12 meiner Kolumne auf rund-magazin.de

Auch wenn es nach Vaterlandsverrat klingt – dem 2:2 von Bern durch Helmut Rahn ging, zumindest nach heutigem Standard, ein klares Foul von Nummer 20 Hans Schäfer (?) an Torwart Grosics voraus. Von Kahn hätte Schäfer was an den Hals bekommen …

Anmerkungen zur Fußballgeschichte I

Ein Gastbeitrag des Lesers Peter Trompeter aus Schweinfurt

Oliver Kahn sieht öfter rot, doch die Rote Karte sieht er nie. Die vielen Ausfälle von Kahn begleiten schon seine ganze Karriere. An kaum einem Spieler lässt sich die oft zitierte „Bayern-Lobby“ besser verdeutlichen. Vor einigen Wochen gab es für den Bayern-Konkurrenten Schalke wegen einer ähnlichen Aktion eine fünfwöchige Strafe für Lincoln.

Zuletzt jetzt also die Aktion gegen Sören Larsen. Das interessante an der Sache ist, dass Schiedsrichter Herbert Fandel nach dem Spiel eingeräumt hat, dass die Rote Karte gegen Kahn zweifellos möglich gewesen sei. Vermutlich haben viele Schiedsrichter oft nicht den Mut, einem „lebenden Denkmal“ wie Kahn eine Rote Karte zu zeigen, haben sie im Hinterkopf vielleicht schon die möglichen Wutausbrüche von Kahn, Hoeneß (sagte einmal über einen Schiedsrichter: „Der wird nie wieder ein Bayern-Spiel pfeifen!“), Rummenigge (für harte Attacken bekannt) und nicht zuletzt Kaiser Franz‘ (möglicherweise via Bild). Glaubt jemand ernsthaft, dass zum Beispiel Tomislav Piplica aus Cottbus für die gleiche Szene weiterspielen dürfte?

Hier ein zugedrücktes Auge, dort ein ausgebliebener Pfiff, dazu ein paar zusätzliche Nachspielminuten, vielleicht bekommt man ja so wieder mal eine Last-Minute-Meisterschaft hin? Nein, Entschuldigung! Jetzt muss es wirklich „Rot“ geben, und zwar für den Autor.

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