Groteske Wendung?
von Oliver Fritsch
Die Sache Zwanziger gegen Weinreich könnte eine groteske Wendung erfahren: Laut dem „Gießener Anzeiger“ vom 8. November habe DFB-Präsident Theo Zwanziger vorgestern auf einer Podiumsdiskussion die Fragen des Moderators Herbert Fischer-Solms (Deutschlandfunk) als „demagogisch“ bezeichnet. Fischer-Solms habe das Publikum um Abstimmung darüber gebeten gehabt, was die TV-Pläne der Bundesliga für den Amateurfußball bedeuten werden. Zwanziger habe daraufhin mit dem eigentlich harmlosen, nun aber heiklen Wort den Saal verlassen und hinzugefügt: „Das sind Totschlagargumente, die Sie da anbringen. Wir haben ein Top-Produkt. Ohne Pay-TV ist der Spitzenfußball nicht zu finanzieren“ (Zitat „Gießener Anzeiger“). Wer es noch nicht mitbekommen hat: Zwanziger bereitet derzeit eine Klage gegen den Journalisten Jens Weinreich vor, der ihn als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet hat.
Fischer-Solms bestätigt in einem Telefonat, dass Zwanziger Fischer-Solms‘ Fragen als „demagogisch“ bezeichnet habe. Darüber habe laut Fischer-Solms auch in einem Gespräch mit Zwanziger zwei Tage nach der Veranstaltung Einigkeit bestanden. Dies habe Fischer-Solms DFB-Pressechef Harald Stenger mündlich wie schriftlich mitgeteilt und die Korrektheit der Berichterstattung im „Gießener Anzeiger“ versichert. Laut Fischer-Solms habe der Sportchef des Lokalblatts, Albert Mehl, auf die Vermutung erwidert, ob es sich um eine Verwechslung handeln könne: „Dann müssen sich über 200 Leute im Saal verhört haben!“ Der Autor des Artikels bleibt ebenso bei seiner Darstellung. Laut DFB hingegen gebe es unterschiedliche Zeugenaussagen.
Auf die Frage, ob der DFB-Präsident den Sachverhalt bestreite, nimmt die DFB-Presseabteilung gegenüber dem indirekten und direkten freistoss wie folgt Stellung: „Dr. Theo Zwanziger hat am Samstagabend ein Telefonat mit Herbert Fischer-Solms geführt. Dabei wurde einvernehmlich der Verlauf der Podiumsdiskussion besprochen und im Ergebnis festgehalten, dass zwischen dem Moderator und dem DFB-Präsidenten keine Differenzen bestehen.“ Ein Widerruf klingt anders. Zu dem Bericht im „Gießener Anzeiger“ wolle sich der DFB in Kürze äußern.
Welche Folgen dieser Vorfall für die Klage gegen Jens Weinreich haben, also ob von ihr Abstand genommen wird, konnte bislang nicht abschließend geklärt werden. Von einem Rückzug jedenfalls ist seitens des DFB auch auf Nachfrage keine Rede. Sollte Zwanziger jedoch die ihm nachgesagte Wortwahl bejahen, sollte es auf diese Frage jetzt erst recht nur eine Antwort geben.
Herr Wieland schrieb am 8. November 2008:
Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen …
Heinz Knauth schrieb am 9. November 2008:
Und zum Medienhype um Ballack/Löw fügt Zwanziger an: „Was haben wir nur aus unserem Fußball gemacht, dass solche Themen eine so große Rolle spielen.“
Erst ruft Dr. Zwanziger mit seinen unnötigen, den Streit und die Stimmung drumherum erst richtig anheizenden Kommentaren die Geister, danach beklagt er sich, daß er sie nicht mehr los wird.
Für Unbeholfenheit bzw. mangelnde Diplomatie wollen die Fußballvereine sicher keinen Cent ausgeben.
Ich habe den DFB-Präsidenten bis zu diesem „Familienstreit“ für einen Verbandsleader von Format gehalten, jetzt habe ich so meine leichten Zweifel. Hoffentlich ist der Deutsche Fußball nicht vom Regen in die Traufe gekommen.
Frittenmeister schrieb am 9. November 2008:
Eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann…ich bin jetzt echt mal gespannt, was bei der ganzen Klage rauskommt, weil so wie es aussieht, gebraucht das böse D-Wort eh jeder wann und wie er es will, sogar unser lieber DFB-Chef…
Seggel schrieb am 9. November 2008:
Jetzt kann das Gericht ja klären, wer der bessere Demagoge ist 😉
westernworld schrieb am 9. November 2008:
die schärfsten kritiker der elche werden später selber welche … herrlich was der deutsche fußball immer wieder aufs neue an souveränen, großzügigen, klugen, weitsichtigen, symphatischen und weltgewanten führungsfiguren hervorbringt.
man hatte ja schon angst nach herrn mayer-vorfelder würde nichts mehr nachkommen.
Schaf schrieb am 10. November 2008:
Zwanziger ist der Wolf im Schafspelz und MV war das Schaf im Wolfspelz. Da war mir letzteres noch lieber.
Hansjörg schrieb am 10. November 2008:
Was wurde immer über MV und seine Schwächen gelästert, auch von mir! Aber er ist persönlich unabhängig und doch weitaus souveräner im Umgang mit Kritik. Zwanziger ist als Führungsperson des deutschen Fußballs offensichtlich eine Fehlbesetzung und auf dem besten Weg dazu, nicht mehr ernst genommen zu werden.
Was vom Tage übrig bleibt (11) : jens weinreich schrieb am 10. November 2008:
[…] Fritsch auf Zeit online und im Direkten Freistoß: “Groteske […]
nedfuller schrieb am 10. November 2008:
Oh Mann, Oh Mann.
Und dann sagt einer nochmal, die Deutschen hätten kein Humor. Grossartig!
Phönix78 schrieb am 10. November 2008:
Zwanziger
Hopp
Dünnhäutig
Passt
spoonman schrieb am 10. November 2008:
Wäre Theo Zwanziger Bundesminister, würde die Opposition jetzt seinen Rücktritt fordern. Und das mit Recht…
Oliver Fritsch schrieb am 10. November 2008:
Und noch eine Umdrehung mehr für diejenigen, die Gefallen an übersinnlichen Interpretationen finden: Die Sache fand in Gießen statt, wo ich bis vor nicht mal sechs Wochen gelebt habe – und zwar gegenüber von meinem Büro. Da ist da ein Mal was los, und ich vertrödle meine Zeit in einem Kaff bei Reinbek.
Oder ist es das Katze-aus-dem-Haus-Phänomen?
Kraelinho schrieb am 10. November 2008:
Zwanzigers Image als integere Person zu gelten, nimmt nach dieser Wendung sicherlich Schaden.
Für mich persönlich kommt erschwerend hinzu, dass die Spielort-Vergabe zugunsten Sinsheims ein bittersüßen Nachgeschmack hat.
Oliver Fritsch schrieb am 10. November 2008:
Warum bitterSÃœSS, Kraelinho?
jw schrieb am 10. November 2008:
Kraelinho, beim Fritsch musst Du aufpassen. Der legt jedes Wort auf die Goldwaage. Schlimmer als ein Jurist, der Mann.
scorer schrieb am 10. November 2008:
Beim „Auf die Goldwaage lege-Wettbewerb“ gibt’s aber noch Mitbewerber:
http://www.die-kirsche.com/front_content.php?idcat=48&idart=8059
Schalker Schlammbeißer schrieb am 11. November 2008:
Oliver Fritsch ist Sportjournalist. Angesichts der Hoppenheims, Zwanzigers und Hoeneße muss er zwanggsläufig jedes (vor allem eigene) Wort auf die Goldwaage legen oder halt immer nur den Mund halten oder mit Gerichtsverfahren rechnen.
Das Interview mit dem falschen Fuffziger in der Zeit fand ich übrigens sehr gut, weil tatsächlich auch kritische Fragen gestellt wurden, was heute inbesondere mit den o.g. Dünnhäutern leider nicht mehr selbstverständlich ist.
Seggel schrieb am 11. November 2008:
@scorer – war das mit der „Goldwaage“ ironisch gemeint? Deine Leute von die Kirsche machen aus Dr. Zwanziger einen Pfälzer. Das ist er nicht.
Was ich an Dr. Zwanzigers Verhalten ganz erstaunlich finde: Er benutzt das „demagogisch“ und sagt so mit seinem vollen (und ziemlich verquasten) Bewusstsein zu dem Journalisten: Du Nazi! – Er meint ja wirklich „Du Nazi“, wenn er „Demagoge“ sagt, ganz im Gegensatz zu JW.
Kraelinho schrieb am 11. November 2008:
Muss ich mir einen Anwalt besorgen? 😉
Carsten schrieb am 11. November 2008:
Das Problem liegt nicht darin, dass Herr Zwanziger einfach nur das demagogische Adjektiv (laut Zeitung) verwendet haben soll. Problematisch wird das alles erst, wenn man bedenkt, dass er im Interview noch seine persönliche Definition für einen „Demagogen“ abgegeben hat.
Oliver Fritsch schrieb am 11. November 2008:
Kann nie schaden, Kraelinho.
Auswärtsspiel in Koblenz: Zwanziger ./. Weinreich : jens weinreich schrieb am 12. November 2008:
[…] Fritsch auf Zeit online und im Direkten Freistoß: “Groteske […]
Mazonia - Entdecke das Neuland » Blog Archive » Kommunikationsherrschaft, Teil 3. schrieb am 13. November 2008:
[…] übrig bleibt. Ein paar Links zur Vorgeschichte: 1) Wie alles begann 2) Eskalation und Reaktionen (hier und hier) 3) Mein Senf zur Kommunikationsherrschaft, Teil 1 und Teil […]
BArometer21 schrieb am 13. November 2008:
@ seggel: stimmt es, dass auf der von scorer genannten homepage zwanziger als pfälzer wird? wenn ja, dann könnten wir doch die homepagebetreiber im namen zwanzigers verklagen. schließlich ist das eine ungeheuerliche behauptung.
Seggel schrieb am 13. November 2008:
@BArometer21 – ja, und scorer und Oliver Fritsch verklagen wir gleich mit, wegen Unterstützung von Verbreitung von ungeheuerlichen Falschmeldungen oder so. (da müssen sich die Anwälte halt noch mal was aus den Fingern saugen).
www.direkter-freistoss.de » Die Lügen des DFB schrieb am 15. November 2008:
[…] nachdem er erstens vor zwei Instanzen bereits gescheitert war. Zweitens unterlief ihm jüngst der Lapsus, einen Journalisten in der Öffentlichkeit „demagogische Fragen“ vorzuhalten. Ich habe mehrere […]
Außer Kontrolle | sportticker schrieb am 16. November 2008:
[…] Die Lügen des DFB 12.11.2008: Post vom Anwalt 11.11.2008: Groteske Wende? 06.11.2008: Ich bin kein […]
www.direkter-freistoss.de » Dr. Z. und die Amateure schrieb am 16. November 2008:
[…] Männern fürs Grobe in den letzten Tagen ja ganz nebenbei auch gelungen ist: Der Auslöser für 20 Cents Abgang bei der Diskussion in Gießen ist etwas aus dem Blick geraten. Es ging um die Frage, welche Folgen die ab der Saison 2008/09 […]
chemieblogger.de - Das Blog rund um FC Sachsen & BSG Chemie schrieb am 17. November 2008:
[…] Fritsch auf Zeit online und im Direkten Freistoß: “Groteske […]
Gecko1893 schrieb am 17. November 2008:
„Schaf schrieb am 10. November 2008:
Zwanziger ist der Wolf im Schafspelz und MV war das Schaf im Wolfspelz. Da war mir letzteres noch lieber.“
dito, mvs art war mir eindeutig lieber als diese oberflächlich falsche unverbindliche freundheit
aber wenigstens wird es langsam von der masse erkannt
Die Lügen des DFB (2) « Stefan Niggemeier schrieb am 17. November 2008:
[…] Fischer-Solms die Formulierung bestätigte und weitere Zeugen benannte, bestritt Zwanziger laut seinem Anwalt die Darstellung des […]
Der kritische Fussball-Blog | direkter-freistoss.de » Ich Demagoge schrieb am 25. November 2008:
[…] ich habe den Moderator angerufen. Zwei Mal. Und er fühlt sich tatsächlich nicht verletzt, schwört aber Stein und Bein, dass die […]
“Öffentlicher Boxkampf” - Fragen an Prof. Bentele zum Fall Zwanziger ./. Weinreich | sportticker schrieb am 4. Dezember 2008:
[…] Rates für Public Relations (DRPR). Im Interview mit sportticker.net spricht er über den falschen Gebrauch der Begriffe Demagogie, Propaganda und Kampagne – und darüber, welche Konsequenzen der PR-Rat aus dem […]
Wenn das Internet unterschätzt wird | netzfeuilleton.de schrieb am 7. Dezember 2008:
[…] Vor allem durch Jens Weinreich selbst, der das gesamte Vorgehen in seinem Blog öffentlich machte. Doch auch andere Blogger sprangen ihm bei. Die Sache wuchs Zwanziger über den Kopf, schließlich hatte […]
Blog für den kritischen Fußballfreund | direkter-freistoss.de » Theo Zwanziger schließt seinen Rücktritt ein schrieb am 8. Dezember 2008:
[…] Weinreichs Wortwahl reagiert habe. Ein paar Tage später jedoch hat er das verbotene Wort offenbar selbst in den Mund genommen. Hier finden Sie mein vorläufiges und inzwischen längst überholtes Resümee der Story. Hier kann […]
The Maskottchen has passed away at Entscheidend is auf’m Platz schrieb am 9. März 2009:
[…] Umständen kommt morgen ein Brief vom DFB mit einem dicken Rüffel. Aus juristischer Sicht könnte schließlich bald wieder ein Arbeitsvakuum an der Otto-Fleck-Schneise vorliegen. Aber, […]
fabianpingel.de » Aktion Zwanziger gegen Zwanziger schrieb am 19. März 2009:
[…] ankündigt, wirft er auf einer Podiumsdiskussion in Gießen dem Moderator wutentbrannt „demagogische Fragen“ vor (was ein Journalist der ausrichtenden Zeitung und zahlreiche Besucher bestätigen), will sich […]
headhouttherightstuff schrieb am 19. Januar 2016:
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Groteske Wendung? | Blog für den kritischen Fußballfreund
tworzenie stron www cennik poznań schrieb am 24. Januar 2016:
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